Oktoberfest-Chef Clemens Baumgärtner will keine „Wiesn light“

Clemens Baumgärtner ist seit März 2019 Referent für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München - und somit offiziell Chef der Wiesn.

Quelle: privat

Wie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter glaubt auch Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner nicht, dass das Oktoberfest 2021 stattfinden kann. Aktuell wäre die Durchführung des grössten Volksfestes der Welt schlicht „nicht zu verantworten“, sagt der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur spot on news.

Wie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (62, SPD) sieht auch Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (44, CSU) wenig Chancen, dass das Oktoberfest 2021 stattfinden kann. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt der Politiker, warum die Durchführung in der aktuellen Pandemie-Lage „nicht zu verantworten“ wäre und weshalb auch Notlösungen wie Masken- und Abstandgebote oder eine Wiesn ohne Alkohol für ihn keine Option darstellen.

Ausserdem verrät Baumgärtner, was das Oktoberfest ihm persönlich bedeutet, und spricht über die offensive Wiesn-Werbung, die ihm im Februar angeblich Kritik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (54, CSU) einbrachte.

Herr Baumgärtner, Sie sind gebürtiger Münchner und tief in der bayerischen Landeshauptstadt verwurzelt. Was bedeutet Ihnen das Oktoberfest?

Clemens Baumgärtner: Die Wiesn ist eine Visitenkarte für München. Sie verkörpert das bayerische Lebensgefühl und ist ein Fixpunkt im Jahr, auf den man sich freut. Man kommt mit vielen Menschen zusammen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat – alte Bekannte aus der Schule und aus dem Studium. Ausserdem veranstalten viele Unternehmen eine Geschäfts-Wiesn und viele Menschen kommen nach München, die es sonst nicht täten.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sieht kaum noch Chancen fürs Oktoberfest. Teilen Sie seine Meinung?

Baumgärtner: Ja, er hat völlig Recht. Aus heutiger Sicht ist es nicht zu verantworten, das Oktoberfest durchzuführen. Wenn man sich anschaut, welche Grundvoraussetzungen für die Wiesn erfüllt sein müssten, dann sind sie es momentan einfach nicht. In Deutschland müsste eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent erreicht sein und auch in ganz Europa müsste sie entsprechend hoch ausfallen. Prognosen zufolge werden diese Werte im September und Oktober nicht erreicht.

Die Wiesn wäre also zu gefährlich.

Baumgärtner: Ja. Eine Wiesn durchzuführen, die möglicherweise Gefahren mit sich bringt, wäre unverantwortlich. Und auch ihr Ruf als Ort von Freude und Spass würde für immer beschädigt.

Wie hoch beliefe sich der Schaden nach einer erneuten Komplettabsage?

Baumgärtner: Je nachdem, ob es eine „gute“ oder „schlechte“ Wiesn ist, beläuft sich ihr Wirtschaftswert auf rund 1,4 Milliarden Euro. Natürlich wird der Stadt München dieser Betrag fehlen. Und auch Hotels, Tourismus und Einzelhandel verdienen unmittelbar an der Wiesn. Wer das Fest besucht, kleidet sich oft auch neu ein – gerade Besucher aus dem Ausland tun das.

Wann und von wem wird die endgültige Entscheidung über Absage oder Austragung getroffen?

Baumgärtner: Der Freistaat Bayern in Form von Ministerpräsident Markus Söder oder Dieter Reiter, der Oberbürgermeister der Stadt München, werden in den kommenden Wochen allein oder gemeinsam eine Absage bekanntgeben. Einen fixen Zeitpunkt dafür gibt es nicht. Der letztmögliche Termin, der es erlaubt, alles fristgerecht zu organisieren, ist allerdings Anfang bis Mitte Juni. Ich selbst bin nicht für die Absage zuständig.

Sie sind sicher froh, diese Entscheidung nicht treffen zu müssen.

Baumgärtner: Ich würde ungern eine Absage bekanntgeben. Allerdings muss ich der Wahrheit ins Auge blicken und zugeben, dass eine Durchführung nicht sehr wahrscheinlich ist.

Wie weit sind die Vorbereitungen für das grösste Volksfest der Welt aktuell bereits vorangeschritten?

Baumgärtner: Bislang läuft die Organisation der Wiesn wie jedes Jahr. Bewerbungs- und Auswahlverfahren sind abgeschlossen. Das war eine bewusst getroffene Entscheidung, weil man nicht wusste, ob das Oktoberfest unvorhergesehen doch stattfinden kann. Nicht vorbereitet zu sein, wäre nicht gut gewesen.

Im Februar haben Sie das offizielle Oktoberfestplakat öffentlich vorgestellt, weshalb Ministerpräsident Markus Söder Sie angeblich kritisierte. Bereuen Sie Ihre offensive Wiesn-Werbung?

Baumgärtner: Im Februar konnte man noch nicht absehen, wie die Lage im September sein würde. Die Auswahl des Wiesn-Plakates ist ein künstlerischer Wettbewerb, der jedes Frühjahr stattfindet und zum Vorbereitungsprozess gehört. Ministerpräsident Söder hat das nicht kritisiert, sondern sich lediglich gewundert, warum das Plakat vorgestellt wurde. Er wusste nicht, dass der Wettbewerb ein regelmässig stattfindender Vorgang ist.

Wie könnte eine Wiesn doch noch stattfinden – vielleicht durch den Verzicht auf Alkohol?

Baumgärtner: Eine Wiesn ohne Alkohol, eine „Wiesn light“, „Cabrio-Wiesn“ oder was sonst noch vorgeschlagen wurde, ist für mich unvorstellbar. Das hätte mit dem Charakter des Oktoberfestes nichts mehr zu tun. Es würde auch nicht auf Akzeptanz stossen. Und bekannte Sicherheitskonzepte, die beispielsweise in Gaststätten angewendet wurden und Masken sowie Abstand voraussetzen, sind einfach nichts für die Wiesn.

Sind Massentests an Zelteingängen eine Option?

Baumgärtner: Klar könnten wir sagen, jeder Wiesn-Besucher wird PCR-getestet, sodass auch die Fehlerquote relativ niedrig ist. Aber wenn in einem Zelt mit zum Teil 10.000 Besuchern nur eine Person mit dem Virus infiziert ist, dann ist das ein Risiko, das man nicht eingehen kann.

Bereits vergangenes Jahr wurde ein Oktoberfest nur für Münchner diskutiert. Wäre das in diesem Jahr möglich?

Baumgärtner: Die Wiesn ist ein internationales Fest. Sie soll für ganz Bayern, ganz Deutschland und ganz Europa stattfinden. Ich wehre mich dagegen, Menschen auszuschliessen oder ihnen nur eingeschränkt Zutritt zu gewähren.

Warum?

Baumgärtner: Das hätte schlussendlich mit der Wiesn nichts mehr zu tun und ihr Charme ginge verloren. Das Oktoberfest ist ein Gesamtkunstwerk. Es zu verändern, funktioniert nicht.

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