Verkauf auf einem Flohmarkt in der Schweiz

Quelle: packshot

Praxisleitfaden für private Anbieter*innen

In fast jeder grösseren Schweizer Gemeinde gibt es mindestens einen Wochen, Quartier oder Spezial Flohmarkt, der Teil der lokalen Kultur ist. Wer einmal selbst hinter dem Stand stehen will, merkt rasch: Zwischen „Schrank ausmisten“ und einem erfolgreichen Verkaufstag liegen einige organisatorische und rechtliche Hürden. Dieser Beitrag führt Schritt für Schritt durch die Vorbereitung, die Marktteilnahme und den Nachverkauf – speziell für Privatpersonen, die keinen gewerblichen Handel betreiben, aber trotzdem seriös auftreten wollen.

1. Die passende Veranstaltung finden

In der Schweiz unterscheiden sich Flohmärkte nach Grösse, thematischem Fokus und Zulassungskriterien:
Quartier-Flohmarkt
Alltagsgegenstände, Kinderkleider, Haushaltswaren
Oft von Elternvereinen oder Quartiervereinen organisiert; Standmieten günstig, Stimmung familiär.
Kantons- und Stadtflohmarkt
Gemischtes Sortiment, Sammler Objekte, kleine Möbel
Professionell organisiert; Wartelisten möglich; Infrastruktur (WC, Strom) meist vorhanden.
Spezialmärkte (Vintage, Comics, Vinyl)
Enges Themenspektrum, höherwertige Ware
Höhere Standgebühren; Zielgruppe bereit, mehr zu bezahlen.

Recherche Tipp: Neben lokalen Anzeigenportalen lohnt sich ein Blick in Facebook Groups („Flohmi Zürich“), die Agenda von Brockenstuben oder die Event Suche auf Gemeindeportalen. Allenfalls wird man auch auf flohmarkttermine.ch fündig. Meldeschluss ist je nach Organisator bis zu zwei Monate vor dem Termin.

2. Rechtliche Rahmenbedingungen für Privatverkäufer

a. Gewerbebewilligung?
Solange Sie ausschliesslich private Überschusswaren verkaufen (also Dinge, die Sie nicht extra einkaufen, um Gewinn zu erzielen), gilt der Marktauftritt nicht als gewerblicher Handel. Eine Gewerbebewilligung ist in diesem Fall unnötig.
b. Steuern und AHV
Gelegentliche Verkäufe unter der Gewinnabsicht Schwelle gelten als sogenannt „Liebhaberei“. Die Einnahmen müssen nicht deklariert werden, sofern keine regelmässige Gewinnerzielung vorliegt.
c. Garantiepflicht
Privatpersonen können Mängelhaftung ausschliessen („Verkauf unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“). Dieser Hinweis gehört gut sichtbar aufs Preisschild oder in die AGB, falls Sie eine Liste auslegen.
d. Marken und Produktfälschungen
Gefälschte Markenartikel bleiben illegal, auch wenn sie aus privater Quelle stammen. Kontrollen sind auf grösseren Märkten üblich – Strafen reichen von Beschlagnahme bis zu Bussen im vierstelligen Bereich.

3. Die Sortiments Strategie: Was verkauft sich wirklich?

• Kinderartikel
Gut erhaltene Kleidergrössen 50–140, Spielzeug mit CE Kennzeichen, Rutschautos, Bücher. Wichtig: Sicherheits und Hygienezustand prüfen (keine losen Teile, frisch gewaschen).
• Vintage Mode und Accessoires
90er Windbreaker, Lederjacken, Marken Jeans; Labels vorher googeln, damit der Preis argumentierbar bleibt.
• Kleine Möbel & Deko
Beistelltische, Stühle, Lampen. Unbedingt Massangaben auf dem Preisschild notieren, damit Interessierte zu Hause nachmessen können.
• Medien & Elektronik
Retro Konsolen, Schallplatten, Kameras. Testen Sie Funktion und dokumentieren Sie sie (z. B. mit Smartphone Video), um Vertrauen zu schaffen.
• No Go Artikel
Altbackene Kleiderberge, abgenutztes Geschirr, kaputte Elektrogeräte. Sie werden nicht nur liegenbleiben, sondern nehmen Standfläche weg und lassen den gesamten Auftritt „Grümpel“ wirken.
4. Preisfindung ohne Taschenrechner Drama
1. Marktrecherche
Durchstöbern Sie Ricardo, Tutti oder eBay – aber achten Sie auf den Verkauft Preis, nicht auf utopische Wunschpreise.
2. Psychologische Preisschwellen
9 , 19 oder 49 Franken Schwellen signalisieren „Schnäppchen“ besser als glatte Beträge.
3. Mengenrabatte
„3 Bücher für 10 Fr.“ oder „Jedes dritte Kleidungsstück gratis“ beschleunigen den Abverkauf gegen Marktende.
4. Verhandlungsreserve
Setzen Sie 10–15 % über Ihrem Minimalpreis an. Schweizer Flohmarktbesucher handeln zwar weniger aggressiv als in Berlin oder Prag, aber ein bisschen Spielraum gehört zum Ritual.

5. Transport: Vom Keller zum Stand

Je nach Sortiment reicht der Kofferraum vielleicht nicht. Viele Private setzen deshalb auf kleine Mietanhänger. Falls Ihr Auto noch keine Kupplung besitzt, können Sie über eine Nachrüstung einer geeigneten Anhängerkupplung nachdenken.
Pack Tipps
• Empfindliche Ware zuerst in Bananenkisten, dann in Euroboxen stapeln.
• Beschriftete Klebebänder („Bücher“, „Deko“, „Elektronik“) sparen Sucherei beim Aufbau.
• Decken oder Luftpolsterfolie für Möbelkanten bereitlegen.

6. Standgestaltung: Die ersten 5 Sekunden entscheiden

• Tisch vs. Kleiderstange
Ein stabiler Tapeziertisch trägt bis 50 kg, aber Kleiderstangen (IKEA Mulig + Gewichte) präsentieren Mode augenfreundlicher.
• Dekoratives Dreieck
Platzieren Sie die drei auffälligsten Stücke (Farbtupfer, Vintage Eye Catcher) in Blickhöhe als Dreieck. Das zieht Blicke magisch an.
• Preisetiketten
Handgeschriebene Kraftpapier Tags mit Juteschnur wirken authentischer als Neon Sticker.
• Beleuchtung
Indoor Märkte bieten oft nur Neonröhren. Eine batteriebetriebene LED Lichterkette (USB Powerbank) verleiht warmes Flair.
• Hygiene & Ordnung
Ein kleiner Teppich hinter dem Stand hält Füsse warm; feuchte Reinigungstücher für schmutzige Handschuhe sorgen für gepflegten Eindruck.

7. Verkaufsgespräch & Schweizer Handelskultur

1. Begrüssung
Knappen Blickkontakt, freundliches „Grüezi“ oder „Guten Tag“ anstatt aufdringlichem Marktgeschreie.
2. Lob der Ware
Kurz und ehrlich: „Kaum getragen, Neupreis 120 Fr., hier 35 Fr.“ Zu viele Superlative hingegen wirken unehrlich.
3. Verhandlungsphase
Käufer nennt Preis, Verkäufer kontert mit Vorteil („Mit dem Glasdeckel gebe ich’s für 25 Fr. mit“). Hausregel: Einmal runter, danach Gegenleistung.
4. Mehrsprachigkeit
In Zürich oder Luzern reichen Deutsch, Englisch. In Genf oder Neuchâtel lohnen sich drei Worte Französisch: „Vingt francs, s’il vous plaît“.
5. Körpersprache
Arme offen, Zeitung weglegen, Handy nur für Mobile Payment in die Hand nehmen. Verkäufersitze wirken gelangweilt.

8. Zahlungsmittel & Buchführung

• Bargeld
100 Franken Noten sind selten, aber 20er Bündel schnell weg. Wechselgeld: 100 Fr. in 2 und 5 Franken Stücken, 50 Fr. in 10ern.
• Mobile Payment
TWINT ist allgegenwärtig. Ein laminiertes QR Schild auf Augenhöhe beschleunigt den Cashflow und vermeidet Falschgeldrisiko.
• Belegblock
Nicht Pflicht, aber praktisch bei Elektrogeräten: Schnellquittung mit Preis, Datum und „gekauft wie gesehen“.
• Mini Kassenbuch
Eine simple Excel Liste auf dem Handy reicht, um Überblick über Einnahmen zu behalten und die Erfolgsquote verschiedener Artikel zu analysieren.

9. Nachhaltigkeit statt Ramschparty

Flohmärkte gelten per se als nachhaltig, doch Sie können noch eins draufsetzen:
• Upcycling Storytelling
Ein Foto „Vorher–Nachher“ (z. B. abgeschliffener Beistelltisch) schafft emotionale Bindung zum Objekt.
• Verpackungs¬vermeidung
Säckli aus alten Vorhängen oder Zeitung, keine neuen Plastiktüten.
• Recycling Rücknahme
Elektronik, die trotz Vorab Test plötzlich streikt, nehmen Sie zurück und entsorgen sie fachgerecht – Kund*innen werden sich daran positiv erinnern.

10. Nachbereitung: Mehr als nur Kisten wegräumen

1. Restware
o Online Verkauf: Ricardo, Facebook Marketplace, Tutti; Bilder vom Standtag wirken vertrauensbildend.
o Spende: Caritas Läden, Brockenstuben oder die Schweizer Tierschutz Flohmärkte nehmen viele Gegenstände gern.
2. Lessons Learned
Was lief gut? Dokumentieren Sie Standplatz, Besuchszeiten mit den höchsten Umsätzen und Topseller Kategorien.
3. Netzwerk pflegen
Tauschen Sie Visitenkarten mit Standnachbarn für künftige Gemeinschaftsstände – doppelt so viel Platz, halbe Kosten.
4. Material reinigen und lagern
Klapptische trocken abwischen, Kleiderstange mit WD 40 gegen Rost einsprühen, damit alles für den nächsten Flohmi bereitsteht.
5. Transport Rückfahrt
Sichern Sie übriggebliebene Möbel mit Spanngurten, leere Kisten nach unten. Prüfen Sie die Stützlast, wenn Anhänger halb leer ist; ein paar Gewichte im Zugfahrzeug gleichen das aus.

Mit guter Planung, einem klaren Sortiment und serviceorientierter Haltung wird der Flohmarkt Tag nicht nur zum Entrümpelungs Event, sondern auch zur kleinen Unternehmerschule – inklusive spannender Begegnungen, nachhaltigem Konsum und der Erkenntnis, dass Gebrauchtes ein zweites Leben verdient.

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