TV-Star Daniel Krause: «Wir Ostler sind zu tief verletzt»

Daniel „Tattoo“ Krause hat ein „Gefühl von Aufruhr, Genugtuung und Glück“ gespürt, als die Mauer fiel. Der Star aus „Berlin – Tag & Nacht“ hat aber auch Enttäuschungen erlebt.

„Berlin – Tag & Nacht“-Star Daniel „Tattoo“ Krause wird den Tag des Mauerfall-Jubiläums „eher ruhig und für mich begehen“. Der bekannte Tätowierer, Jahrgang 1969, erzählt im Interview: „Nachdem ich die letzten sechs bis sieben Monate sehr intensiv im Thema war, musste ich feststellen, wie tief einige Ereignisse von damals in mir stecken und dass ich, wie viele andere wahrscheinlich auch, so einige Traumata mit mir rumtrage, die nicht schön sind.“

Im September hat Krause „Freiheit unterm Ladentisch: Mein Leben als Punk in der DDR“ veröffentlicht. In seinem neuen Buch beschreibt er die Jahre und Monate vor dem Mauerfall und erzählt unter anderem auch, dass er in der DDR im Gefängnis sass.

Das Erste, was ihm jedes Mal durch den Kopf geht, wenn er sich an den 9. November 1989 erinnert, sei „das Gefühl von Aufruhr, Genugtuung und Glück, was ich in dieser Nacht gespürt habe“. Der Mauerfall war sein „grösster Glücksmoment“ damals, „und viele Jahre später die Geburt meiner Tochter“. Die grösste Enttäuschung nach der Wende war für Krause dann „der Verlust einiger Freunde und dass wir es versäumt haben, auf unsere beispiellose friedliebende Befreiung weitere grosse Dinge folgen zu lassen… Viel zu schnell haben uns schöne Autos und grosse TV-Geräte zufrieden gemacht“.

„Wir Ostler sind zu tief verletzt“

Auf die Frage, ob er Ost und West mittlerweile für eine Einheit halte, erklärt er: „Ich glaube, dass wir, die Kinder der Wende, und unsere Eltern die Einheit niemals vollziehen werden. Wir Ostler sind zu tief verletzt und ausgebeutet und die Leute im Westen zu kommerziell erzogen worden. Das ist schon fast kulturell. Die grosse Hoffnung ist die Generation unter 30. Wenn man sich mit den jungen Leuten unterhält, merkt man, dass es da keinerlei Grenzen und Vorurteile mehr gibt, das macht Hoffnung und freut mich sehr.“

„Ich glaube, ich war nie richtig Ostler, aber auch nie richtig Westler“, erzählt Krause über den Umbruch nach dem Mauerfall. „Irgendwie hänge ich in der Mitte als irgendetwas anderes fest. Ich bin bis heute leicht auszunutzen, weil ich nie gelernt habe, Geschäftsmann zu sein. Andererseits sind mein im Geheimen freies Denken und mein an Träume glauben der Motor für meinen Erfolg. Wenn man das so sagen kann, dann war und ist mein persönlicher Umbruch gar keiner, sondern eher die Gabe, schnell meinen Platz in dem Ganzen gefunden zu haben.“

„Die Kluft ist grösser geworden“

Missverständnisse zwischen Ost und West erlebe er bis heute, so Krause weiter: „Um nicht zu sagen, heute noch viel schlimmer als früher. Die Kluft ist grösser geworden und unsere Politik sollte schnellstens zurückkehren zu den Problemen der kleinen Leute. Unsere Politik ist nicht zu beneiden, ich glaube, dass die Aufgaben, die es derzeit zu bewältigen gilt, keine leichten sind. Aber nicht mehr zu erkennen, von wem und wozu ihnen das Vertrauen geschenkt wurde, wird zu noch mehr Missverständnissen und anderen traurigen Dingen in diesem Land führen, die keiner braucht und will.“

Und wie reagiert Krause auf Äusserungen wie „In der DDR ist alles besser gewesen“? „Meine Reaktion auf solche Aussagen ist – wenn die Leute es zu lassen – immer ein Dialog. Es ist wirklich so, dass einige Sachen in der DDR nicht schlechter waren. Es sind aber eher die Dinge, die man auf den zweiten und dritten Blick sieht. Es war zum einen das Zwischenmenschliche. Wir teilten, wenn man das so sehen will, ja alle das gleiche Schicksal. Wir durften nicht reisen, hatten keine Reichtümer und mussten auf der Hut sein… Das hat uns zusammengeschweisst, weil alle dieses merkwürdige Gefühl der Bevormundung kannten.

Dazu sei noch entscheidend dazugekommen: „Wir hatten alle wenig, ich glaube, deswegen gab es weniger Neid, und weil Neid ja Nährboden für Hass ist, war auch dieses schlechte Gefühl unter den normalen Menschen nicht so gravierend wie in der heutigen ‚Ellenbogen raus‘-Gesellschaft. Freunde waren wie Familie und Familie war irgendwie alles. Wenn die Leute aber andere Dinge verteufeln und sich deswegen die DDR zurückwünschen, schenke ich ihnen mein neues Buch.“

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