Mallorca – ein Märchen im Winter

Die Insel atmet durch. Sie regeneriert und entspannt. Es ist Winter auf Mallorca, und es tut den Menschen gut, zu sich selbst zu finden. Über 12 Millionen Touristen werden für 2017 in der Statistik für die Insel stehen. Aber nur ein Drittel davon entfällt auf die Nebensaison zwischen Oktober und Mai – für viele die schönsten Monate auf Mallorca.

Mallorca – auch ein Wintertraum? Ein klares Ja! Wer auf Hitze und überfüllte Strände gerne verzichtet und auch das Bad im (viel zu warmen) Mittelmeer nicht vermisst, entdeckt die Insel völlig neu. Und stösst dabei auf Dinge, die von den Touristenströmen völlig zugeschüttet werden – in völlig relaxter Atmosphäre.

Die beginnt nach der Ankunft am Aeropuerto de Son San Juan, in dem an Spitzentagen bis zu 180’000 Reisende bei 800 Starts und Landungen durchgeschleust werden, und setzt sich fort an der staufreien Übernahme des Mietwagens, von denen im Sommer bis zu 90’000 Exemplare die Strassen verstopfen.

Ein erster Höhepunkt aber ist Palma, dessen wahre Attraktivität sich erst zu dieser Jahreszeit richtig entfalten kann, weil die Horden zigtausender Inseltouristen und Kreuzfahrtpassagieren ausnahmsweise nicht für Verkehrsinfarkte sorgen. Andererseits ist die Stadt keineswegs tot, sondern wohltuend lebendig. In Palma zu wohnen und sich von dort aus auf der Insel zu bewegen, ist also nicht die schlechteste Idee.

Wachsende Anzahl der Boutique-Hotels

Gemessen an der ständig wachsenden Anzahl der Boutique-Hotels in der Insel-Hauptstadt ist es sogar ein Trend. 22 dieser stylischen 4- und 5-Sterne-Unterkünfte gibt es bereits, für 2018 haben sechs weitere ihr Opening angekündigt, darunter eines in einem ehemaligen Nonnenkloster in der Calle Can Campaner. Im Kultviertel Sa Gerreria soll eine ehemalige Porzellanfabrik zum luxuriösen City-Hotel umgewandelt werden, und im Casco Antiguo, der Altstadt, warten einige vom Verfall bedrohte Adelspaläste auf ihre neue Bestimmung.

Wir wohnten in zwei Häusern, die mittlerweile schon Kultstatus geniessen – dem Hotel Cort an der gleichnamigen Placa gegenüber dem Rathaus, und dem Hotel Tres in der Carrer d’Apuntadors, wegen der vielen Touristenlokale auch Tapas-Strasse genannt. Schicke Adressen alle beide, das eine eher kuschelig, das andere mehr durchdesignt.

Kultur- und Shoppingerlebnis Palma

Palma im Winter ist auch die richtige Zeit, sich für die Stadt und ihr grossartiges kulturelles Angebot Zeit zu nehmen. Das Castell Bellver zu besichtigen und hoch über der Stadt durch dessen Park zu schlendern. Den Palacio Real de la Almudaina, den Königspalast, muss man gesehen haben. Und natürlich die Kathedrale La Seu, in der sich jedes Jahr am 11. November und am 2. Februar trotz aller Winterstille die Menschen fast erdrücken, um Zeugen eines beeindruckenden Lichtspektakels zu werden.

An beiden Tagen spiegelt sich am Morgen bei Sonnenschein die Hauptrosette der Kirche – mit einem Durchmesser von rund 13 Metern und 1’200 Einzelfenstern eine der grössten Europas – auf der gegenüberliegenden Wand der Kathedrale. Dass dies nicht zufällig, sondern von den Baumeistern so gewollt war, erfahren wir von unserem Guide Peter Hirsch, trotz seines urdeutschen Namens ein Ur-Mallorqiner. Peter ist ein wandelndes Mallorca-Lexikon, und wer einen angenehm plaudernden statt dozierenden Tourguide mag, sollte beim Tourismusbüro nach ihm fragen. Dazu am besten auch gleich nach Eintrittskarten für die Kultur-Highlights: Ballett im Auditorium, Klassik-Konzert im Konservatorium, Theater im Teatre Principal oder für Musik-Festivals Música Mallorca.

Für die besten Shopping-Adressen Palmas braucht es keinen Guide. Passeig des Born und Avinguda Jaume III sind die Boulevards der Luxuslabels, und in den engen Gassen der Altstadt warten unzählige Boutiquen und Galerien darauf, entdeckt zu werden. Einkaufen in Palma macht vor allem Spass, weil dort der Black Friday im November mindestens eine ganze Woche dauert und der Rest der Nebensaison zur Hauptsaison für Schnäppchenjäger wird, weil die Lager vor dem nächsten Sommer geräumt sein müssen. Das führt dazu, dass es auf Bekleidung, Kosmetik oder Sonnenbrillen bis zu 40 Prozent (!) Nachlass gibt.

Abstrampeln oder abschlagen

Längst haben die Radler die Nebensaison auf Mallorca für sich entdeckt, und es gibt unendlich viele Möglichkeiten, mit dem Leihrad in die Pedale zu treten. Zwei, die uns besonders gut gefallen haben: 1. Die gemütliche Tour von der Innenstadt immer dem Meer entlang in den früheren Fischervorort Portixol, heute ein Szeneviertel mit vielen Restaurants, Bars und Cafés. 2. Die Touren-Angebote der beiden Grupotels Taurus Park und Orient an der Playa de Palma. „Cappuccino-Tour“ heisst die Rundfahrt für Hobbyfahrer über 80 Kilometer mit ausdehnter Kaffeepause im Kuchenparadies „Celler Sa Sini“ in Santa Maris del Calmí.

Etwas anspruchsvoller und mit 115 Kilometer auch länger ist die Dörfer-Tour in den Nordwesten Mallorcas zur Kapelle Iglesia de Santa Lucía. Für Profis schliesslich wird die Drei-Klöster-Tour empfohlen, die bei rund 140 Kilometer Länge auch mit drei steilen Anstiegen gefordert werden. Die Klöster Santuari Monti-Sion, Ermita de Bonany und Cura sind die Bergankünfte, Panoramaaussichten über Insel und Küsten gibt es gratis.

Wer im Winter bei angenehmen Frühlingstemperaturen alle Golflöcher auf Mallorca spielen und auch noch etwas von Palma und der Insel sehen möchte, sollte sich einen Monat Zeit nehmen. Mindestens. 23 Plätze gibt es dort, und Frust oder Freude hängen wie immer bei diesem Sport vom Können ab.

Während sich etwa nur die Masochisten untern den Durchschnittsgolfern die engen und verwinkelten Fairways von Golf de Andratx in Camp de Mar antun, freuen sie sich im Golf Maioris ein paar Kilometer östlich von Palma über breite, faire Spielbahnen. Und wer erst gar nicht die Stadt verlassen will, um auf den kleinen Ball zu dreschen, der fährt nach Son Vida, nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt. Dort gibt es mit „Son Vida“, „Son Muntaner“ und „Son Quint“ gleich drei 18-Loch-Plätze.

Auf Wein- und Gourmet-Tour

In Consell, zwischen Palma und Inca gelegen, treffen wir Miriam Backhaus. Die gebürtige Niederbayerin ist ausgebildete Sommelière, arbeitet für Mallorca Wine Tours und führt uns durch die Botega Ribas, einem 300 Jahre alten Weingut. Unter den rund 80 Produzenten der Insel, unter den viele so genannte „Garagen-Winzer“ sind, macht Ribas mit dem „Sio“ einen der besten Roten. Nicht nur, weil dieser Wein nach der Grossmutter benannt ist, gibt es auf ganz Mallorca nirgendwo mehr Tradition: die Weinstöcke sind bis zu 65 Jahre alt, die Weinproduktion ist von der Lese bis zur Abfüllung Handarbeit, alle Mitarbeiter kommen aus der nahen Umgebung.

Der Gegenentwurf ist der Besuch bei Julian Panades auf seiner Finca bei Binissalem, in dessen Garten wir mit traumhaftem Blick über Rebstöcke und weite Felder seinen guten, ehrlichen Weisswein geniessen, hergestellt unter der Beigabe von viel Liebe und Leidenschaft. Julian ist einer dieser kleinen Weinmacher, und über sein Hobby sagt er: „Ich möchte meinen Freunden und Gästen etwas Einzigartiges bieten.“ Das hat er geschafft, und damit sind nicht nur seine Weine gemeint. Julian ist der Erfinder der Mallorca Wine Tours, zu deren Konzept aussergewöhnliche Ausflüge wie die Bike & Wine Tour, Wine Concert Tour oder Helicopter Wine Tour gehören.

Mallorca im Winter, das ist Geniessen in allen Facetten. Zu denen gehört zu guter Letzt auch die ganz aussergewöhnliche Begegnung mit der mallorqinischen Küche. Das Restaurante Miceli in Selva wurde uns empfohlen, und wer den Namen dieses Ortes nie gehört hat, muss sich nicht grämen. Selva ist ein Städtchen mit knapp 4’000 Einwohnern, gelegen in der Nähe von Inca unterhalb des Tramuntana Gebirges. Das Miceli hat es allerdings in Insider-Kreisen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Es gibt nur zehn Tische, Marga kocht in ihrem Elternhaus, ihr Mann Javier bedient. Eine Speisekarte gibt es nicht, alle Gäste essen dasselbe. Die einzige Wahl ist die zwischen vier Gängen mit einem oder fünf Gängen mit zwei Desserts. Alles frisch vom Markt oder aus dem eigenen Garten. Wir hatten Kichererbsen im Octopus-Sud, Wachtelei auf Trüffel-Kartoffelbrei, Wolfsbarsch mit Baby-Spargel und Erbsen, Spareribs mit Broccoli, Blumenkohl und mallorqinischer Honigsauce. Zum Abschluss gab es eine frisch gemachte Apfeltarte, die nur noch von der Rechnung getoppt wurde – ein sensationelles Degustatons-Menü für unglaubliche 32 Euro.

Vorheriger ArtikelGlücklich ohne Kohlenhydrate: So klappt die Ernährungsumstellung
Nächster ArtikelAll about stripes bei Veillon