Costa Rica: Von Walen, Schildkröten und Göttervögeln

Reiche Küste“ heisst Costa Rica. Reich ist das Land in Mittelamerika vor allem für Reisende. Unvergessliche Begegnungen mit Schildkröten, Vögeln und Walen eingeschlossen.

Wegen seiner Neutralität und Stabilität wird Costa Rica auch „die Schweiz Zentralamerikas“ genannt. An der Karibik und dem Pazifik gelegen, zu Land begrenzt von Panama und Nicaragua, hat sich die „Reiche Küste“ zu einer Trenddestination entwickelt, die auch in der Nebensaison zwischen April und Oktober spannend ist. In dieser Zeit sind Begegnungen mit Meeresschildkröten, Zugvögeln sowie Buckelwalen und Delfinen fast garantiert.

„Ich möchte dir unsere Naturwunder zeigen“

Der Mann, dem ich mein ganz besonderes Reiseerlebnis verdanken sollte, steuerte schnurstracks auf meinen Tisch zu, deutete auf den leeren weissen Stuhl und fragte höflich: „Etwas dagegen, wenn ich mich zur dir setze?“ Hatte ich nicht. Erst vor ein paar Stunden war ich angekommen in San José, der Hauptstadt von Costa Rica. Jetzt sass ich in der Szene-Bar Agüizotes auf der Gastronomiemeile Paseo de La Luz im Trendviertel Escalante und liess es mir gutgehen. Es war Juli und Regenzeit, aber Freunde hatten mir erzählt, dass es in der Nebensaison am schönsten sei in Costa Rica. Weniger Touristen an den Stränden der Karibik und des Atlantiks, die dem Land seinen Namen „Reiche Küste“ verdankt. Von traumhaften Landschaften und sattgrünen Regenwäldern wurde mir berichtet, von der Freundlichkeit der Leute dort geradezu vorgeschwärmt.

Und so war ich gekommen, um zehn Tage zu bleiben, vielleicht länger. Planlos, ohne feste Absichten. Ein, zwei Tage San José entdecken, vielleicht ein Wandertag in einem der Nationalparks, ansonsten faulenzen an feinen Stränden. Der erste Abend fühlte sich schon mal vielversprechend an. Noch immer weit über 20 Grad, gut gelauntes Publikum, chillige Musik, eine kühle Limo. „Ich heisse Keylor,“ stellte sich mein neuer Tischnachbar vor, der sich als Touristguide zu erkennen gab. Und schon erzählte er mir von Costa Rica, von der Schönheit seiner Heimat. Stolz und voller Leidenschaft sprudelte es aus ihm heraus. Ehe er vorschlug: „Ich möchte dir unsere Naturwunder zeigen. Hast du Lust?“

Die Invasion der Grünen Meeresschildkröte

Tags darauf machten wir uns auf den Weg nach Tortuguero, 120 Kilometer östlich von San José und nur etwa 40 Kilometer von der Grenze Nicaraguas an der Karibikküste. In einer kleinen Gruppe, angeführt von einem Guide des Nationalparks, harrten wir an einem der naturgeschützten Strände aus, bis die Sonne unterging. Das Kommando zur Invasion. „Platz, an den die Schildkröten kommen“, heisst Tortuguero übersetzt. Und sie kamen aus dem Meer gekrochen, die Riesenpanzer von der Art der Grünen Meeresschildkröte.

Langsam, aber beharrlich zogen sich unzählige von ihnen über den Sand, und irgendwann hielten sie inne, um mit ihren Beinen 30, 40 Zentimeter tiefe Löcher zu graben, in die sie nach bis zu acht Stunden Arbeit ihre Eier legen. Wir warteten nicht, bis die über einen Meter grossen Tiere ihre Ablagen wieder zugeschüttet und sich auf den Weg zurück ins Meer machten. Aber von Keylor erfuhr ich, dass sechs von sieben Schildkrötenarten die Strände des Pazifik und der Karibik in Costa Rica aufsuchen, um für Nachwuchs zu sorgen. Auch von organisierten Programmen, die bei der Eiablage und beim Schlüpfen der Jungtiere helfen, berichtete er.

Begegnung mit dem Göttervogel

Das Kontrastprogramm zum Strand führte uns in den Nationalpark Los Quetzales nahe San Gerardo de Dota, einem von San José zweieinhalb Stunden entfernten Ort, weltberühmt unter Ornitologen. Keylor hatte mich gefragt, ob ich gerne Vögel beobachten würde. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, dennoch entschied mein neuer Freund: „Den Göttervogel musst du gesehen haben.“

Und so führte er mich nicht nur durch einen märchenhaft schönen Nebelwald und zum berühmten Naturschauspiel des Wasserfalls des Flusses Rio Savegre, sondern auch dorthin, wo der Quetzal zuhause ist, früher von den Inkas und Mayas als Vogel der Götter verehrt und Wappentier von Guatemala. Die Gegend um San Gerardo de Dota gilt als weltweit einer der besten Orte, um den Quezal zu beobachten, den mir Keylor als scheuen, bunten Vogel mit grün-weiss-scharlachrotem Gefieder und bis zu 80 Zentimeter langen Schwanzfedern beschrieb.

Wir legten uns auf die Lauer, und nach einer guten Stunde ertönte über unseren Köpfen ein lautes, merkwürdiges Quaken. „Ein Quetzal-Männchen“, zischte Keylor, und zeigte auf ein Objekt im Steigflug, das nach erreichter Reiseflughöhe wie ein Blitz in den Sturzflug überging und bald in den Baumkronen verschwunden war. Das war selbst für den Nicht-Vogelkundler ein beeindruckendes Erlebnis, Keylor belehrte den Unwissenden: „Costa Rica ist ein Vogelparadies, in dem fast tausend Vogelarten leben. Mehr als 200 Zugvögel überwintern hier oder machen Zwischenstation auf ihrer Route.“ Dazu noch ein Reisetipp: Wer in der Nebelwaldregion um San Gerardo de Dota unterwegs ist, kann dies optimal mit einem Aufenthalt der südlichen Pazifikküste Costa Ricas und/oder der abgeschiedenen Osa-Halbinsel kombinieren.

Auge in Auge mit Wal und Delfinen

Es war sechs Uhr morgens, als mich Keylor weckte, er war aufgeregt: „Lass uns an die Drake Bay fahren. Ein Kollege hat mir erzählt, sie hätten Wale gesehen.“ Das traf sich gut, denn die Bucht auf der Pazifikseite hatte mich neugierig gemacht, seit ich gelesen hatte, dass der alte Piratengauner Sir Francis Drake der Legende nach dort seine Schätze versteckt haben soll.

Was abschreckte, waren die fünf Stunden Fahrzeit für etwas mehr als 250 Kilometer, aber die Tour entlang der Küste, ins Landesinnere und dann bei Piedras Blancas rechts runter Richtung Drake Bay entpuppte sich als Traumroute. Auch Keylors Tipp, uns für zwei Tage in der Lodge Aquila de Osa an der Drake Bay einzuquartieren, war ein Volltreffer. Fehlten nur noch die Wale.

Während des Abendessens hatte mir Keylor sein gesamtes Wal-Wissen vermittelt, ich zitiere auszugsweise: „Jedes Jahr zwischen Juli und Oktober zieht es etwa 6’000 Buckelwalen aus der südlichen Hemisphäre an die Küste Costa Ricas. Dort paaren sie sich und bringen ihre Jungen zur Welt. Man kann nicht nur die Wale selbst beobachten, sondern auch, wie sie mit ihrem Nachwuchs umgehen. Schwimmen und tauchen darf man mit Walen und Delfinen übrigens nicht, da sie unter strengem Schutz stehen.“

Unser Kapitän steuert das kleine Motorboot zum nördlichen Ende der Bahia Drake, wo wir fernab vom Strand ankerten. Es dauerte nicht lange, und eine Gruppe von Delfinen beäugte uns neugierig, ehe sie zügig weiterzogen. Dann tat sich lange nichts, träge dösten wir in der Sonne. Bis sich vor meinen Augen ein Schauspiel ereignete, das ich bisher nur aus Filmen kannte: Senkrecht schoss eine riesige Fontäne in die Höhe, zum Greifen nah lag der Koloss im Wasser, mehr als doppelt so lang wie unser Boot, zehn, zwölf Meter. Was, wenn der Buckelwal mit der Nussschale spielen mochte? Ein merkwürdiges Gefühl stellte sich ein, zwischen Angst und Faszination. Aber Moby Dick war friedlich. Drehte bei, tauchte unter und zeigte uns zum Abschied seine mächtige Schwanzflosse.

Ein Moment für die Ewigkeit, andächtiges Schweigen an Bord. Pura Vida! Weitere Informationen: www.visitcostarica.com.

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