Grosse Bühne am Wilden Kaiser

Einmal im Jahr reisen 6’000 Gäste aus aller Welt in die Region um den Wilden Kaiser zum grössten Nachwuchs-Fussballturnier Europas. Im Mittelpunkt stehen die „Bergdoktor“-Orte Ellmau, Going, Scheffau und Söll.

Feiertag in Kirchberg, Tirol. Hinter der Blaskapelle hat sich ein farbenprächtiger Zug aufgereiht, gut einen halben Kilometer lang. Nach den Musikern in Tracht kommen die Granden aus Lokal- und Landespolitik, dann die VIPs und endlich die Hauptdarsteller, rund 3’000 kickende Mädels und Jungs aus der ganzen Welt. Die bunte Prozession führt durch den Ort, dann ins Stadion. Als sich auf dem Fussballfeld alle aufgestellt haben, ist von diesem kaum mehr ein Grashalm zu sehen.

164 Jugendmannschaften aus 20 Ländern sind zur Eröffnungszeremonie des Cordial Cup angereist, nach dem Hahnenkamm-Skirennen in Kitzbühel das zweitgrösste Ereignis in der Gegend. 1997 erstmals mit einer Handvoll Teilnehmer ausgetragen, ist eines der grössten Jugendturniere Europas daraus geworden. Und abseits der Talentshow eine Bühne für die Region um den Wilden Kaiser, sich international zu präsentieren.

„Mit den Betreuern und den mitgereisten Eltern sind das 6’000 Gäste, die wir für uns gewinnen können,“ schwärmt Tourismus-Obmann Hans Adelsberger. Nun, gewinnen will der Nachwuchs zuerst einmal auf dem Platz. Aber viele der Weitgereisten planen ein paar Tage Familienurlaub ein. Wie Kimberley und Tom, die Söhnchen Tim begleiten. Der kickt für die Asian Pacific Soccer School in Hongkong bei den unter Elfjährigen.

Die Eltern, gebürtige Engländer, leben und arbeiten seit vielen Jahren in der ehemaligen britischen Kolonie. Auf die Reise nach Tirol haben sie lange gespart. Aber während der Vater bei den Spielen des Sohnes mitfiebern möchte, würde Mama Kimberley sich viel lieber die Gegend anschauen. Deshalb nimmt sie die Einladung, uns zu begleiten, gerne an. Nur eine kleine Bitte hat sie: „Ich möchte nicht fotografiert werden. Wenn mich mein Chef zufällig sehen würde, wäre er ziemlich neidisch.“ Also: No pictures – Ehrensache!

Wenn der Kaiser wild wird

Die Gondeln surren bei Kaiserwetter bis 1829 Meter hinauf zur Gipfelalm Hohe Salve und zu einem fast unwirklich schönen Postkartenmotiv. „Mach‘ es wie die Sonnenuhr, zähl‘ die schönen Stunden nur,“ rät der Wandspruch am Almgasthof. Tatsächlich kann man sich hier oben an sonnigen Tagen nicht sattsehen an der Aussicht, die zu unendlich vielen Gipfeln in der Ferne reicht und in der nahen Umgebung von einem Gebirgszug faszinierend dominiert wird – dem Wilden Kaiser.

Kim wirkt fast andächtig, als sie sagt: „So etwas Schönes habe ich noch nicht gesehen. Woher kommt der Name?“ Gute Frage. Die glücklicherweise von einem offensichtlich alpenkundigen Touristen beantwortet wird, der mit uns auf der Aussichtsplattform steht. Demnach ruht der Wilde Kaiser der Sage nach ganz oben auf der Berggruppe, bewacht von den umliegenden Riesen. Sollte aber jemals das Wasserrinnsal am Hohen Grutten versiegen, dann wird der Kaiser erwachen und die Welt vom Bösen besiegen. „Wenn das so ist“, lacht Kim, „sollten wir die Quelle sofort verstopfen“.

Hexenwasser mit Barfusspfad

Anstatt den Kaiser wild zu machen, wollen wir lieber ein blaues Wunder erleben und machen uns auf den Wanderweg zur Mittelstation. Hexenwasser heisst deren Umgebung, ein Abenteuerspielplatz in der Natur, in dem Stadtkinder lernen, dass die Kühe nicht lila sind und ihre Milch nicht aus dem Supermarkt stammt. Und die Eltern sich zurückversetzt fühlen in ihre Kindheit, sobald sie die Schuhe ausgezogen haben und frische Wiesen oder moosige Waldpfade unter ihren Füssen spüren.

Im „Blauen Wunder“ hingegen dreht sich alles um das Element Wasser, um das Geheimnis von Strömungen, um Flussläufe und vieles mehr. Draussen watet man in kleinen Bächen und Tümpeln mit glasklarem, frischem Quellwasser. Der Weg führt über eine Hexenleiter hoch zum Hexenwald, und irgendwie verhexen die 60 Erlebnisstationen hier oben ihre Besucher auf besondere Weise – strahlende Gesichter bei Klein und Gross, wohin man blickt. Wir erleben eine überglückliche Kim, die so etwas natürlich auch noch nie erlebt hatte.

Das Lipizzanergestüt beim Stanglwirt

Auf besonderen Wunsch unserer beeindruckten Besucherin aus Fernost machen wir uns auf nach Going. Kim hatte vom Lipizzaner-Gestüt beim Stanglwirt gehört und wollte unbedingt dorthin. Balthaser Hauser, der Besitzer des mittlerweile zum Hoteldorf gewachsenen Hauses unterm Wilden Kaiser, hatte das Gestüt anno 1986 gegründet, weil er die weisse Pferderasse aus der Kaiserlichen Spanischen Hofreitschule in Wien nicht nur schön, sondern auch passend zu seinem Kaisergebirge, zu Schnee und zu Edelweiss befand.

Mittlerweile stehen 23 prächtige Lipizzaner in den Boxen der Stallungen, die so nobel sind wie die Suiten der Hotelgäste nebenan. Helles Edelholz trifft auf dunkles Metall, die Leuchten sind handgefertigt, vergoldete Ornamente komplettieren das feine Ambiente. Michelle, die 26-jährige Reitlehrerin, stellt uns die vierbeinigen Bewohner vor, zeigt uns die Dressurhalle und auch das „Pferde-Spa“, ein grosses Solarium mit UV- und Rotlicht. Lipizzaner möchte man sein…

Entspannte Radtour dank Elektro-Bike

Zur Radtour am nächsten Tag mit Guide Hannes vom örtlichen Fahrradverleih kommt Kim nicht mit. Das schlechte Muttergewissen hat sich gemeldet, sie möchte Timmy die Daumen drücken. Das ist verständlich, aber sie versäumt drei Stunden Fahrt auf und ab über 30 Kilometer in einer herrlichen Landschaft. Klingt anstrengender, als es durch die Hilfe der Elektro-Bikes ist, nämlich gar nicht. Die grosse Strampelhilfe sorgt dafür, dass man sich stress- und schweissfrei der Umgebung widmen kann.

In unserem Fall auf der Strecke von Going über Ellmau und Scheffau nach Söll, weiter an den Hintersteiner See und zurück. Der Duft von Wiesen und Wäldern, tierische Begegnungen mit einem dahinwatschelnden Entenpaar, glücklich kauenden Kühen, sich anmeckernden Ziegen. Und am Schluss ein traumhafter Berg- und Badesee mit Überwindungsfaktor: Die Wassertemperatur, so erzählt unser Guide, kommt selten an die 20 Grad.

Das Telefon klingelt. Kim ist dran. Schlechte Nachrichten. Tim ist mit der Asian Pacific Soccer School in der Vorrunde ausgeschieden. Ob er sehr traurig ist? „Erst ja“, sagt Kim. „Aber zum Glück hatten wir eine grosse Überraschung für ihn. Wir zeigen ihm, wo der Bergdoktor zuhause ist. Er kann es kaum erwarten.“ So erfuhren wir, dass Tim in Hongkong keine Folge der erfolgreichen Fernsehserie verpasst. Gedreht wird sie, man ahnt oder weiss es, rund um den Wilden Kaiser.

Weitere Informationen: www.wilderkaiser.info

Vorheriger ArtikelConchita Wurst: Was für eine Typveränderung!
Nächster Artikel„Tschiller: Off Duty“ im TV: So steht Til Schweiger zum Sendetermin