Chiemgau: Sixpack für Golfer

Chiemgau und Chiemsee stehen im Sommer für Wandern, Fahrradfahren, Wassersport und Reiten. Nur wenige wissen, dass auch Golfer dort ein kleines Paradies vorfinden.

Es wurmte Stephan Vogl schon länger, dass viele Golf-Urlauber auf der A8 in Richtung Österreich die Plätze am Chiemsee buchstäblich links liegen liessen, in der Annahme, die Gegend sei nur etwas für Wanderer und Radfahrer. Dabei bietet kaum eine Gegend in Deutschland Golfern eine schönere Kulisse für ihr Hobby. Das Bergpanorama lässt einen gelegentlich das Spiel unterbrechen und für einen Moment innehalten, bevor es weitergeht zum nächsten Birdie oder Par.

Gemeinschaft von sechs Hotels und sechs Golfplätzen

Vogl, Manager des Golfclubs Chieming, weiss um dieses Juwel und machte sich vor knapp fünf Jahren an die Arbeit, den touristischen Schatz zu heben. Er brachte Hoteliers und Golfclubmanager an einen Tisch, diskutierte und überzeugte. Das Ziel: Jeder Platz sollte ein Partner-Hotel bekommen, das nicht nur Golfer speziell betreut, sondern deren Personal auch entsprechend geschult ist. Und Vogl weiss, wovon er redet: „Damals kam es schon mal vor, dass Hotelgäste an der Rezeption eine Tee Time buchen wollten und als Gegenfrage ein ‚Wünschen Sie lieber Earl Grey oder Kräutertee?‘ bekamen.“ Diese Zeiten sind vorbei. Vor knapp zwei Jahren haben sich sechs Hotels und sechs Golfplätze, alle östlich und südlich des Chiemsees, zur Gemeinschaft „Golfland Chiemsee-Chiemgau“ zusammengeschlossen. Die Vorteile für Golfgäste: Sie profitieren über eine entsprechende Golf-Card von vergünstigten Paketen und Arrangements.

Ein bisschen in die alte Welt des Reisens entführt wird man im Parkhotel 1888, wo man auf einer 120 Jahren alten, massiven Eichentreppe zu seinem Zimmer hinauf schreitet. Das historische Haus liegt mitten in Traunstein, hat einen idyllischen Sommergarten sowie eine exzellente Küche zu sehr fairen Preisen. Kein Wunder, dass auch Nicht-Hotelgäste hier häufig anzutreffen sind. Vom Parkhotel ist man in 20 Minuten am ersten Abschlag des angeschlossenen Golfclubs Chieming. Der 18-Löcher-Platz zählt zu den schönsten der Region und wurde vor 32 Jahren in die leicht hügelige Landschaft gelegt. Entsprechend gross sind heute die damals gepflanzten Bäume. Sie fordern ein präzises Spiel. Dafür aber wird man mit dem Gefühl belohnt, durch einen englischen Park zu wandern.

Fast um die Ecke liegt in Ising das Gestüt der alteingesessenen Familie Magalow. Reiten nimmt hier seit Generationen eine zentrale Rolle ein. Man wollte den Gästen aber zusätzlich die Möglichkeit bieten, direkt vor der Tür ein paar Löcher Golf zu spielen, neun wurden es auf dem 170 Hektar grossen Gut. Der Platz ist nett gemacht, bietet fürs Auge aber keinen wirklichen Überraschungen. Diese kommen eher von Frau Krebs. Die nette Dame im Sekretariat erklärt den Spielern gern vorab die spezifischen Örtlichkeiten und dass man beispielsweise den zweiten Schlag an Loch 8 besser rechts am Baum vorbeispielen möge: „Von dort sind es dann nur noch 150 Meter ins Grün.“

Schnelle Grüns und der Club der Weltmeister

Eine unkomplizierte und offene Art empfängt den Golfer auch kurz vor der österreichischen Grenze in Fridolfing. Hier ist der Golfclub Anthal-Waginger See (9 Löcher) beheimatet, vom Parkhotel Traunstein ebenfalls in nur 20 Minuten Fahrzeit zu erreichen. Tee-Times nicht notwendig, Pay&Play heisst das Motto, und wer die Runde zweimal gehen möchte, kann dies auch gern nach ausgedehnter Halfway-Unterbrechung auf der Terrasse des italienischen Restaurants nebenan tun. Die Pause ist je nach Kondition dringend zu empfehlen, denn besonders die Löcher sechs bis neun haben es gebirgstechnisch in sich. Und Achtung beim Putten – schnellere Grüns hat keiner der sechs Chiemgau-Chiemsee-Plätze.

Nie im Unklaren darüber, wo man gerade den Ball zur Fahne spielt, lässt einen die Golfanlage in Ruhpolding. Das umliegende oberbayerische Alpenpanorama ist fantastisch. Und wer sich die Fairways vor oder nach dem Spiel gern aus einer Höhe von 1’650 Metern anschauen möchte, nimmt die nur wenige hundert Meter entfernte Gondel hoch zum Rauschberg. 2007 wurde der Ruhpoldinger Platz auf 18 Löcher erweitert, mit Mitgliedern wie den Biathleten Rico Gross oder Fritz Fischer gilt er als „Club der Olympiasieger und Weltmeister“. Sie kehren hin und wieder bei Theo Stegmeier ein, Eigner des „Wohlfühlhotels Ortnerhof“. Die Bezeichnung mag ein wenig werblich klingen, doch Stegmeier hat es geschafft, aus dem familiengeführten Hotel eine perfekte Mischung aus Ruhe, Gastfreundschaft, nötiger Distanz, persönlicher Nähe und sehr guter Küche zu machen. Besonders in Erinnerung bleiben die sommerlichen Abende auf der Terrasse, wenn das Rauschberg-Massiv unter den Strahlen der untergehenden Sonne fast feuerrot leuchtet.

Bundesliga-Profis trainieren in Achental

Gerhard Braun, der Direktor des Golf Resort Achental bei Grassau, steht permanent unter Strom. Pool, Küche, Buffet, Pro-Shop – überall sieht er nach dem Rechten. Der Mann lebt Achental. Und er weiss, was Sportler wollen. Top-Trainingsmöglichkeiten, Platz zum Entspannen und gutes Essen. Kein Wunder, dass bei ihm auch die Fussballer der Bundesliga ein- und ausgehen. Als wir eincheckten, verabschiedete sich gerade der VfB Stuttgart und am nächsten Tag kam die Mannschaft von Werder Bremen. Die Anlage Achental verfügt nicht nur über eine Leichtathletik-Bahn sowie drei Rasenplätze zum Fussball spielen, sondern auch über 18 abwechslungsreiche und teils wunderschön gelegene Golflöcher. Viele Wasserhindernisse allerdings vereiteln es, ohne Ballverlust ins Clubhaus zu kommen.

in Reit im Winkl den Ball nach Tirol schlagen

Deutlich ruhiger als im Achental geht es im Golfclub Reit im Winkl zu. Etwa eine halbe Stunde vom Chiemsee entfernt wartet zwar weniger Prominenz auf die Gäste, dafür ist die 18-Loch-Anlage Europas erster grenzüberschreitender Golfplatz. Sechs Bahnen befinden sich in Kössen auf Tiroler Seite, zwölf in Reit im Winkl. Gespielt wird hüben wie drüben mit traumhaftem Blick auf das Kaisergebirge und die Chiemgauer Alpen. Das nur 10 Fahrminuten entfernte Gut Steinebach bieten neben klassischen Hotelzimmern auch ein kleines „Traumdörfchen“ samt Naturweiher und sieben Chalets mit bis zu 185qm Wohnfläche sowie eigenem Garten/Wellnessbereich.

Doch auch die Kultur ist eine Reise ins Chiemgau wert, bei Sehenswürdigkeiten wie Mammut-Museum, Kloster Maria Eck oder dem Museum Salz & Moor. Und ein absolutes Muss ist natürlich ein Besuch des Schlosses Herrenchiemsee. Dem Besucher stockt beim Durchschreiten der Räumlichkeiten der Atem. Bewunderung der handwerklichen Bauleistung und Kopfschütteln über so viel Sinnlosigkeit halten sich die Waage. Es ist unglaublich, was sich vor 150 Jahren ein menschenscheuer, egozentrischer König wie Ludwig II. hat einfallen lassen, als es um die bauliche Kopie des Schlosses Versailles ging. Nicht auszudenken, Ludwig hätte sich damals dem Golfsport gewidmet. Dann hätte der „Kini“ statt des französischen Sonnenkönigs Ludwig IX. vermutlich den Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews vergöttert und in Folge die Herreninsel im Chiemsee mit den 18 Löchern des berühmtesten schottischen Golfplatzes überzogen.

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