Lions Head: «Man muss seine Komfortzone verlassen, um sich weiterzuentwickeln»

Lions Head: Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr zog er ernsthaft eine Karriere als Opernsänger in Betracht.

Quelle: Sony Music / Thomas Deggen

Der gebürtige New Yorker Iggy ist Sänger und Songwriter der Band Lions Head, die er 2014 zusammen mit dem Berliner Produzenten DJ Chrome gründete. Für seinen modernen Pop vermischte das Duo elektronische Loops gekonnt mit folkigen Gitarren und melodiösen Hooks. Gleich mit der ersten Single „Begging“ landeten sie einen beachtlichen Erfolg. Wir trafen den überaus charmanten Senkrechtstarter in Zürich zum Interview.

Bereits im zarten Kindesalter sammelte Ignacio „Iggy“ Uriarte erste musikalische Erfahrungen an der Metropolitan Opera in New York, wo er Grössen wie Luciano Pavarotti begleitete. Nach seinem Schulabschluss spielte er in verschiedenen Bands und lebte das Leben eines talentierten, aber unentdeckten Musikers, bis er durch einen Zufall auf die beiden deutschen Produzenten Freddy Todenhofer und Hubertus Dahlem traf. Fortan schrieben sie als „Iggy & the German Kids“ erfolgreiche Song, die im Radio rauf und runter gespielt wurden. 2013 zog Iggy von New York nach Deutschland, war aber immer noch dabei, seinen persönlichen Musikstil zu finden. Durch das Schreiben von Songs für andere Künstler, konnte er sich persönlich weiterentwickeln. So traf er 2015 auf Filip Bakija (aka „DJ Chrome“) und schrieb mit ihm den Erfolgssong „Begging“. Mit diesem landeten sie sofort einen Hit und stürmten die Charts. Der Erfolg katapultierte das Duo anfangs 2016 in das Vorprogramm von Milky Chance und Joris. Im November desselben Jahres erschien das Debütalbum „LNZHD“. Die Vorabsingle „When I wake up“ war mit unzähligen Radio-Plays nicht nur ein Liebling der deutschen Radiolandschaft, sondern mauserte sich mit über 5 Millionen Streams zum internationalen Online-Hit.

Wie bist du von der Oper zu der Musik gekommen, die du heute machst?

Nun, ich habe in meinem Kopf sprichwörtlich schon immer Musik gehört. Zwar keine fertigen Songs, aber Melodien. Ich sang im Alter zwischen sieben und dreizehn Jahren an der Metropolitan Opera. Obwohl ich mir von dem Geld, das ich dazumal an der Oper verdient hatte, eine Pop-Platte nach der anderen gekauft habe, zog ich bis ungefähr zu meinem sechzehnten Lebensjahr ernsthaft eine Karriere als Opernsänger in Betracht. Schlussendlich hatte ich aber nicht die besten Voraussetzungen, um ein professioneller Opernsänger zu werden. Ausserdem wollte ich unbedingt Popsongs schreiben, weil ich finde, dass ein grossartiger Popsong eine unglaubliche Macht hat. Nicht, dass das die Oper nicht auch hätte, aber ich wollte in grossen Stadien mit viel Publikum auftreten, wo alle meine Musik mitsingen (lacht).

Du bist von New York nach Deutschland gezogen. Wie war es für dich, an einen völlig fremden Ort zu ziehen?

Es hat mir sehr geholfen. Bevor ich nach Deutschland gezogen bin, hatte ich nur künstlerische Ambitionen. Heute denke ich, dass ich auch wirklich ein Künstler geworden bin. Das dem so ist, hat sehr viel damit zu tun, dass ich meine Komfortzone verlassen habe. Man muss seine Komfortzone verlassen, um sich weiterzuentwickeln. Und was für eine effektivere Möglichkeit gibt es, als in ein Land zu ziehen, wo du niemanden kennst und die Sprache nicht sprichst (lacht). Aber ja, bin ich auch nach Deutschland gekommen, weil ich die Chance hatte, für andere Musiker Songs zu schreiben. Es war diese Chance in Kombination mit der Tatsache, dass ich mir selbst geschworen hatte, täglich meine Komfortzone zu verlassen, um weiterzukommen. Ich bin der Meinung, als Künstler musst du jede Chance wahrnehmen, die dir das Leben bietet. Und da war dazumal diese Chance und ich habe sie ergriffen. Bis jetzt hat es sich durchwegs ausgezahlt.

Deine Songtexte scheinen oft wie kleine Schnappschüsse aus dem Leben. Kommt die Inspiration dafür aus deinem eigenen Leben?

Absolut. Ich persönlich finde, man muss über das schreiben, worüber man auch Bescheid weiss und was man kennt. Klar, manchmal übertreibe ich auch bei den Lyrics oder meine es nicht ganz so ernst. Oft sind es auch Dinge, die ich beobachtet habe. Aber grundsätzlich sollte man als Künstler über Dinge schreiben, die man selbst auch erlebt hat. Sonst ist es irgendwie Bullshit, oder nicht (lacht)?

Also sind deine Lyrics sehr ehrlich?

Ja genau. Es war mir schon immer sehr wichtig, dass meine Musik absolut ehrlich ist. Wenn du ehrlich bist, bist du manchmal auch verletzlich und ich glaube, genau das ist es, was dazu führt, dass Menschen sich damit verbinden können.

Im Song „Begging“ ging es um deine Schreibblockade. Wie hast du diese Blockade schlussendlich überwunden?

Indem ich „Begging“ geschrieben habe (lacht). Das Schwierige an einer Schreibblockade ist, dass du dir dabei selbst im Weg stehst. Meiner Meinung nach ist die beste Möglichkeit, eine Schreibblockade zu überwinden, sich mit anderer Kunst zu beschäftigen. Das können Filme sein, ein Besuch im Museum, Musik von anderen Künstlern und so weiter. Einfach andere Kunst wertschätzen. Und vielleicht findest du dann die Inspiration, um dir nicht mehr selbst im Weg zu stehen. Oft ist es auch einfach ein Egoproblem. Ich hatte nicht mit „Begging“ gerechnet. Es ist einfach aus mir herausgekommen während einer Zeit, als ich dachte, dass ich keine guten Songs schreiben könnte. Und als ich diesen Song fertig hatte, sagte ich zu mir selbst „Okay, ich kann das“. Es war meine Art, um eine Muse oder Inspiration zu betteln. Dabei ist sie schon die ganze Zeit da gewesen. Deswegen gibt es in meinem Song auch die Zeile: „I heard this little Song. Yeah you were right. I knew it all along.“

Warum hast du dich entschlossen, dein aktuelles Album selbst zu betiteln?

Ich denke, es handelt sich dabei auch um etwas Aberglaube. Ich finde, man hat nicht das Recht, ein Album zu betiteln, bevor nicht die Nachfrage nach einem zweiten Album da ist. Also wenn die Leute ein zweites Album wollen, benenne ich das (grinst). Ausserdem besteht das Album aus vielen persönlichen Erfahrungen. Wenn man an einer verrückten Party ist, realisiert man gar nicht, wie verrückt die Party tatsächlich ist. Erst später, wenn alle deine Freunde dir schreiben „Weisst du noch…?“ oder „Holy Shit, die letzte Nacht war unglaublich verrückt!“, erst dann beginnt man, es zu realisieren. Ich denke, während ich am Album gearbeitet habe, konnte ich das alles noch gar nicht so richtig fassen. Wenn ich jetzt zurückdenke, hätte ich es vielleicht „The Morning after“ nennen können. Aber ja, es ist schwierig, denn das Album ist irgendwie ein Ausdruck… nein, nicht ein Ausdruck, eine Realisation meines Lebens der letzten zwei Jahre. Damals war ich einfach noch nicht in der Lage, das alles zu benennen. Aber jetzt – vielleicht, weil ich mich als Künstler und mental weiterentwickelt habe – bin ich in der Lage, einem Album auch einen Titel zu geben (lacht).

Du bist Ende letzten Jahres auf Tour durch Deutschland und Österreich gewesen. Was ist das Beste daran, auf Tour zu sein?

Das Beste sind natürlich die Fans. Jeden Tag in einer anderen Stadt zu spielen und Hunderte von Menschen zu sehen, die extra gekommen sind, um deine Songs zu hören, ist ein wahr gewordener Traum. Ich persönlich finde, auf Tour zu gehen ist eine wirklich grosse Ehre, weil du dann als Musiker zehn, zwölf, fünfzehn Shows nacheinander spielen kannst. Das ist einfach grossartig und ich fühle mich geehrt und bin überaus dankbar, dass ich das tun kann. Nicht viele Musiker auf der Welt können von sich behaupten, dass sie wirklich auf Tour gehen konnten, um ihre Musik für Menschen zu spielen, die extra gekommen sind, um sie zu hören. Somit ist das Beste an einer Tour, einfach auf Tour zu sein (lächelt).

Was sind drei Dinge, die in deinem Tourgepäck nicht fehlen dürfen?

Eine scharfe Sauce, weil das Essen häufig nicht so toll ist und Geschmack braucht, damit man es überhaupt essen kann. Unterwäsche, weil man einfach immer saubere Unterwäsche braucht und… Socken.

Du stammst aus New York, lebst in Berlin und hast viel Zeit in München verbracht. Wo ist für dich dein zu Hause?

Berlin ist mein Zuhause. Ich meine… naja. Eigentlich ist mein Zuhause da, wo meine Mutter und meine Hunde sind, also in New York. Aber im Moment fühle ich mich auch in Berlin wirklich wohl. Ich habe wunderbare Freunde, ein tolles Apartment und ich freue mich immer, dorthin zurück zu kehren. Ja doch, Berlin ist momentan mein Zuhause, ja (nachdenklich).

Du hast Hunde?

Nun ja, wir haben zwei Familienhunde. Es sind nicht wirklich „meine“ Hunde. Mein Bruder und ich brachten vor sieben oder zehn Jahren je einen Hund nach Hause. Ich vermisse sie. Immer wenn ich nach New York fliege, kann ich es kaum erwarten, die Hunde wiederzusehen. Und natürlich auch meinen Bruder und meine Mutter!

Hast du ein Ritual bevor du auf die Bühne gehst?

Ja, ich wärme meine Stimme und meine Muskeln auf. Dazu mache ich Liegestützen, Hampelmänner und dergleichen. Anschliessend gibt es eine Gruppenumarmung und dann geht es auch schon auf die Bühne.

Was machst du auf Tour, um dich zu entspannen und wieder Energie zu tanken?

Schlafen (überlegt). Ja, schlafen. Schlaf ist auf der Tour ein echter Luxus, weshalb ich versuche, so viel wie möglich zu schlafen. Leider ist das aber nicht viel, denn solange du unterwegs bist, heisst es immer „go go go“. Also ist es eigentlich eher so, dass man Energie tanken muss, wenn man nicht gerade von einem Konzert zum anderen unterwegs ist. Wenn du abseits der Tour nicht gerade Interviews gibst oder dich um andere Sachen sorgen musst, dann will das Label, dass du dich um Social Media und dergleichen kümmerst. Man hat also irgendwie nie sonderlich viel Zeit, um sich zu erholen.

Wieso sollte man deiner Meinung nach Lions Head live sehen?

Ich denke, wenn man Lions Head live sieht, dann ist das wie ein… absolutes Freudenfeuer? Klar, viele meiner Songs könnte man sich auch an einem Lagerfeuer anhören. Aber ein Lagerfeuer ist langweilig. Und ich will, dass das Lagerfeuer gross ist und dass es ein richtiges Freudenfeuer ist. Ausserdem haben wir in unserer Musik auch Loops, zu denen man wunderbar tanzen kann. Deshalb ist ein Lions-Head-Konzert so quasi eine Freudenfeuer-Disco (grinst).

An welchen drei Orten möchtest du unbedingt einmal spielen?

Im Maddison Square Garden in New York, in der Mercedes Benz Arena in Berlin und bei den Pyramiden von Gizeh.

Zum Schluss: Was sind deine nächsten Ziele?

Ich habe bereits angefangen, an einem neuen Album zu arbeiten. Ausserdem möchte ich in der Schweiz auftreten und ich würde gerne durch den Rest von Europa touren, sowie auch durch das UK und die USA. Wir hatten schon Hits in Deutschland und Österreich, also möchte ich auch gerne Hits in der ganzen Welt haben.

Hatten während dem Interview viel Spass: TREND-MAGAZIN-Redakteurin Corinne Kirchhofer und Iggy.
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