Adel Tawil: «Ich bin von heute auf morgen erwachsen geworden»

Adel Tawil meldet sich nach fast vier Jahren mit „So schön anders“ zurück. Im Gespräch verrät er, warum das neue Album in so vielen Belangen anders ist und warum er genau dieses Album jetzt machen musste.

Pop-Sänger Adel Tawil hat seit seinem letzten Album „Lieder“ einiges durchgemacht. Zum Beispiel trennte er sich von seiner langjährigen Frau Jasmin oder erlitt einen schlimmen Unfall im Urlaub, bei dem er nur haarscharf einer Lähmung entging. Wie dieses schreckliche Erlebnis seine Weltsicht verändert hat und welchen Einfluss das ständige Auf und Ab auf sein neues Album „So schön anders“ hatte, verrät der Sänger im Interview.

Herr Tawil, Ihr neues Album heisst „So schön anders“. Was wollen Sie mit dem Titel ausdrücken?

Adel Tawil: Zunächst, dass mein eigenes Leben so schön anders ist. Zumindest anders, als ich es geplant habe, aber dennoch sehr schön. Der Titel nimmt auch Bezug auf Beziehungen. Wenn man jemand gefunden hat, der so schön anders ist, dich aber komplett macht. Der deine Schwächen ausgleicht und umgekehrt. Ausserdem bin auf dem Album andere Wege gegangen. Ich wollte kein Album machen, auf dem es nur um Trennung und Liebe geht, sondern auch meine Sicht auf die Welt erklären. Zuletzt ist auch die Arbeitsweise, mit nur einem Produzenten-Team, dieses Mal anders gewesen.

Thema Trennung: Sie haben sich 2014 von Ihrer damaligen Ehe-Frau Jasmin getrennt. Haben Sie das auf Ihrem Album verarbeitet?

Tawil: Ja, natürlich war das ein Thema. Ich hatte 2014 und 2015 viel mit meinem Privatleben zu tun und kaum Zeit, Musik zu machen. Ich musste erst selber klarkommen. Das erste Lied, welches ich für die neue Platte geschrieben habe, „Mein Leben ohne mich“, handelt davon. Man durchläuft verschiedene Trauerphasen nach so einer Trennung und dieses Lied spiegelt die Phase der Wut wieder. Das ist heute anders! Dennoch wollte ich den Song auf dem Album haben, weil das Gefühl damals so wahrhaftig war.

Es wurde viel in der Presse und in den sozialen Medien über die Trennung geschrieben. Wie sehr hat Sie das Echo, das Ihr Privatleben ausgelöst hat, schockiert?

Tawil: Das hat mich schon sehr aus der Bahn geworfen. Ich bin niemand, der sein Privatleben völlig unter Verschluss hält – wobei ich heute sehr gut verstehen kann, warum es andere Kollegen so machen. Ich habe häufig über meine Musik einen privaten Einblick gewährt, aber allgemein wurde ich anders erzogen. Man klärt Probleme in der Familie, weil sie einfach nichts in der Öffentlichkeit zu suchen haben. Von dem her hat mich das schon sehr schockiert. Aber: Man hat sich ausgesprochen, wir sind in Kontakt und verstehen uns auch wieder gut.

Dann hatten Sie 2016 einen schlimmen Unfall im Urlaub. Sie haben sich in Ägypten vier Halswirbel gebrochen.

Tawil: Stimmt und ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich noch am Leben bin und keine gravierenden, bleibenden Schäden davongetragen habe. Das ist ein Geschenk. Aber gleichzeitig kommt man auch ins Grübeln und fragt sich, wie man das verdient hat, dass man so ein Glück hatte, während andere Menschen, die ähnliche Unfälle hatten, für immer an einen Rollstuhl gefesselt sind. Da überwältigt einen eine tiefe Form von Demut.

Hat sich Ihre Einstellung zum Leben dadurch verändert?

Tawil: Sicher. Das sind die klassischen Dinge, wie dass man jeden Moment geniessen soll. Aber ich versuche auch, gewisse Dinge lockerer zu nehmen. Ich bin ein Mensch, der viel zweifelt. Das ist jetzt alles ein wenig in den Hintergrund getreten. Ich nehme mich selber nicht mehr zu ernst.

Hatte dieses Erlebnis Einfluss auf das Album. Textlich oder musikalisch?

Tawil: Absolut. Das hat viel zur Auswahl der Songs für das Album beigetragen und meinen Kampfesmut geweckt. Gerade in Zeiten der Trennung haben sich viele Leute eingemischt und versucht, mich darüber zu belehren was richtig und was falsch ist. Ich war immer jemand, der versucht hat, es jedem recht zu machen. Nach dem Unfall bin ich irgendwie von heute auf morgen erwachsen geworden. Jetzt lebe ich mein Leben, wie ich es will und das hört man dem Album an.

Ist das auch der Grund, dass Sie sich vermehrt unangenehmen politischen Themen angenommen haben. Wie beispielsweise in dem Song „Eine Welt eine Heimat“, der als Statement gegen den aktuellen Rechtsruck, der durch Europa geht, verstanden werden kann?

Tawil: Darin beschreibe ich die Flucht, die die Flüchtlinge durchmachen. Sie erhoffen sich hier das Paradies, aber wir machen die Tore zu. Das war mir wichtig, weil es mich jeden Tag beschäftigt. Ich war auch schon vorher politisch und sozial engagiert. Jetzt hatte ich aber das Gefühl, auch wenn es im Pop-Business oder bei der Plattenfirma Leute gibt, die lieber die Finger von solchen Themen lassen würden, dass es meine Verantwortung als Künstler ist, dazu Stellung zu beziehen. Gerade wegen meiner Herkunft. In „Gott steh mir bei“ geht es zum Beispiel darum, dass man Religion nicht über alles stellen darf. Das sind Themen, die jetzt sein müssen, weil die Populisten und Europa-Feinde momentan eine grosse Plattform bekommen. Ihre Stimmen sind irre laut, deshalb müssen wir lauter sein und dagegen auf die Strasse gehen. Was zum Glück auch passiert.

Das neue Album „So schön anders“ von Adel Tawil erscheint am 21. April 2017.

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