Arun Gandhi über sein Leben im Schatten des berühmten Grossvaters

Arun Gandhi ist ein Enkel des legendären indischen Friedensaktivisten Mahatma Gandhi. Im Interview zu seinem Buch „Wut ist ein Geschenk“ spricht er über Wut, Social Media und sein Leben im übergrossen Schatten des berühmten Grossvaters.

Arun Gandhi (*1934) ist eines der vielen Enkelkinder des berühmten indischen Pazifisten, Revolutionärs, Asketen und Moralphilosophen Mahatma Gandhi (1869 bis 1948). Wie es sich im Schatten dieser Persönlichkeit lebt, erzählt Arun Gandhi in seinem am heutigen Montag erscheinenden Buch „Wut ist ein Geschenk: Das Vermächtnis meines Grossvaters Mahatma Gandhi“. Im Interview erklärt der indisch-amerikanische Sozio-Polit-Aktivist, warum die meisten Menschen mit Wut nur Negatives verbinden.

„Wut ist ein Geschenk“ ist der Titel Ihres Buches. Wut ist aber nichts, was die Menschen mit Ihrem Grossvater verbinden. Als Teenager haben Sie eine Zeit lang bei ihm gelebt. Was hat er Sie über Wut gelehrt?

Arun Gandhi: Jeder Mensch und jedes Tier wird mit Wut geboren. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens. Ohne Wut würden wir nichts tun. Er lernte, die Wut zu schätzen und die Energie für das Gute zu nutzen. Wir haben gelernt, Wut nur zu erkennen, wenn jemand tobt oder Gewalt anwendet, um das Problem zu lösen. Das sei der Missbrauch von Wut, sagte Gandhi. Wir sind in der Situation, in der wir heute sind, weil wir nur gelernt haben, Wut zu missbrauchen. Er hat mich gelehrt, dass Wut etwas Positives ist, und dass wir lernen sollten, die Energie zu kanalisieren, um gute Ergebnisse zu erzielen, anstatt die Wut zu missbrauchen.

Wut ist also ein wichtiger Impuls für die Menschen. Wie hat Mahatma Gandhi seinen Zorn in die richtige Form gebracht, um die Welt zu verändern?

Gandhi: Gandhi kämpfte gegen die gleichen Dämonen wie wir alle. Doch schon früh in seinem Leben hatte er entschieden, dass die Dämonen nicht sein Leben beherrschen würden, sondern dass er diese Dämonen loswerden und ein besserer Mensch werden würde. Er machte eine Liste mit all seinen Dämonen und Schwächen und arbeitete sein Leben lang fleissig daran.

Wenn Sie sich an die Zeit erinnern, die Sie mit ihm gelebt haben, was war für Sie der faszinierendste Charakterzug Ihres Grossvaters?

Gandhi: Ich war und bin fasziniert von seiner Demut und Einfachheit. Er war immer so aufgeschlossen und liebevoll. Er lebte ein positives Leben voller Liebe, Mitgefühl und Respekt für alle –
Dinge, von denen wir gelernt haben, sie zu unterdrücken, weil wir denken, dass sie ein Zeichen von Schwäche sind. Wir betonen Kraft und eine aggressive Haltung, weil wir Angst davor haben, dass die Menschen uns übervorteilen oder schikanieren. So lernen wir, mit Hass zu leben und Liebe selektiv zu zeigen.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass die Welt Ihren Grossvater nie so sehr brauchte wie zum jetzigen Zeitpunkt. Viele junge Leute starben im Mai, nachdem sie ein Pop-Konzert in Manchester besucht hatten. Was meinen Sie wäre Mahatma Gandhis Antwort gewesen?

Gandhi: Mahatma Gandhi glaubte an die Weisheit der Bibel, die sagt: Wenn du durch das Schwert lebst, wirst du durch das Schwert sterben. Wir sehen Fälle von Gewalt und Terrorismus isoliert. Und dann gehen wir zurück zu unserem eigenen Leben. Die Gewalt, die heute geschieht, ist aber das Ergebnis unseres Lebensstils, doch das wollen wir uns nicht eingestehen. Wir hassen Menschen weiter, beuten sie aus, weisen sie zurück und unterdrücken sie, weil wir so an einen verschwenderischen, egoistischen Lebensstil gewöhnt sind. Die Regierung sagt uns, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen, sie werden die bösen Kerle fangen und vernichten.

Mahatma Gandhi sah das anders?

Gandhi: Gandhi glaubte immer, dass der Friede Stein für Stein aufgebaut werden muss. Frieden ist nicht das Fehlen von Krieg oder Gewalt. Frieden ist, wenn wir Harmonie auf der Welt haben. Und um Harmonie auf der Welt zu schaffen, müssen wir sicherstellen, dass jeder auf der Welt einen guten Lebensstandard und gleiche Chancen hat. Er war der Ansicht, dass die Sicherheit und Stabilität eines Landes von der Sicherheit und Stabilität der ganzen Welt abhängen. Unschuldige Leben werden andauernd und überall gewaltsam dahingerafft, dann trauert die Welt ein paar Tage lang und dann führen wir unsere Leben in der Überzeugung weiter, dass das Gute schliesslich über das Böse triumphieren wird. Die Verantwortung für den Aufbau des Friedens liegt bei jedem von uns, nicht nur bei den Regierungen, die wir wählen.

Für Mahatma Gandhi war die Welt eine Familie. Donald Trump hat vor Kurzem bestätigt, dass er die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen wird. Was denken Sie über den US-Präsidenten?

Gandhi: Ich denke, der US-Präsident handelt aus Unwissenheit und sucht einen leichten Ausweg. Menschen, die arbeitslos geworden sind, weil sie mit den sich ändernden technischen Anforderungen nicht mithalten konnten, wählten ihn an die Macht. Er denkt, indem er die Uhr zurückdreht, kann er ihnen die Jobs geben, die sie verloren haben. Er täuscht sich selbst und die Leute, die ihn gewählt haben. Er spielt Politik ohne Prinzipien.

Was denken Sie über Social Media?

Gandhi: Social Media hat die Kommunikation einfach gemacht. Wir können die Nachricht in ein paar Minuten rund um den Globus verbreiten. Aber es gibt zwei Mängel. Es hat die Aufmerksamkeit der Menschen auf einige Sekunden reduziert. Die Informations-Wucht ist so schnell, dass noch bevor du eine Nachricht gelesen hast, zehn andere schon in der Pipeline sind.

Sie können sich vorstellen, dass ein Mahatma Gandhi Twitter, Facebook, etc. verwendet hätte. Aber viele Leute benutzen Social Media, um Hass zu verbreiten…

Gandhi: Hass ist leicht zu verbreiten, weil es keine Verbindlichkeit braucht. Es ist einfach jemanden zu entmenschlichen und anzufangen, die Person zu hassen. Gandhi hatte vor langer Zeit gesagt, dass wir das Leben nicht schneller machen müssen, wir müssen es sinnvoller machen. Aber wir machen es schneller und schneller durch Social Media und dergleichen. Wie ein Auto, das zu schnell ist und ausser Kontrolle gerät, wird das Leben unsere Vermögenswerte mit einer Katastrophe abstürzen lassen und dann werden wir wieder von vorn anfangen.

Viele Menschen investieren viel Zeit, um ihren Körper in Form zu bringen. Vernachlässigen wir heutzutage unseren Geist, Intellekt und die Psyche?

Gandhi: Ja, denn jeder schaut nur auf die körperliche Schönheit und nicht auf die innere. Unsere Ausbildung ist unvollständig, weil sie darauf ausgerichtet ist, uns eine Karriere zu geben, auszugehen und Geld zu verdienen. In der Ausbildung geht es nicht um Menschlichkeit, Charakter, Kultur oder den Sinn des Lebens. Was wir uns nicht klar machen, ist, dass äussere Schönheit vergänglich ist. In ein paar Jahren beginnt die Schönheit zu verblassen. Innere Schönheit ist für immer und über unser Leben hinaus.

Haben Sie das Vermächtnis Ihres Grossvaters jemals als Last erlebt?

Gandhi: Ja, als ich ein Teenager war. Ich sagte meiner Mutter eines Tages: „Ich weiss nicht, wie ich das Leben mit diesem Erbe führen soll, das schon jetzt eine Last wird.“ Sie sagte mir: „Es liegt ganz bei dir. Wenn du denkst, dass dieses Erbe eine Last ist, wird es schwerer und schwerer, je älter du wirst. Aber wenn du dieses Vermächtnis als Licht betrachtest, das dir den Weg zeigt, wird es leichter für dich sein, damit umzugehen.“ Seitdem betrachte ich dieses Erbe als Licht, das mir den Weg weist…

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