Tom Schilling trainierte mit dem Rollstuhl in Berlin

Für seinen neuen Film trainierte Schauspieler Tom Schilling mit dem Rollstuhl in Berlin – wie das war und warum es keiner gemerkt hat, erklärt er im Interview zur Kinokomödie „Die Goldfische“.

In der neuen Komödie „Die Goldfische“, die am heutigen Donnerstag (21. März) in den Kinos anläuft, spielt der Berliner Filmstar Tom Schilling (37) den Portfolio Manager Oliver, der nach einem Autounfall querschnittsgelähmt ist. Auf der Suche nach dem stärksten WLAN-Signal in der Reha-Einrichtung lernt er eine schräge Behinderten-WG kennen, die „Goldfisch Gruppe“. Um sein geheimes Bankkonto vor dem Zugriff und sich damit vor dem Gefängnis zu retten, überredet er die Gruppe zu einem Ausflug in die Schweiz…

Schilling verbringt beinahe den kompletten Film im Rollstuhl. Wie intensiv er sich darauf vorbereitet hat und was er über den Umgang mit Menschen mit Behinderung denkt, erzählt er im Interview. Dabei verrät der Schauspieler, dreifache Vater und seit kurzem auch Ehemann ausserdem, was für ihn „die Krankheit unserer Generation“ ist.

Ab 21. März sind Sie in der Komödie „Die Goldfische“ zu sehen. Warum haben Sie für das Projekt zugesagt?

Tom Schilling: Ich hatte schon lange Lust, mal eine ganz klassische Komödie zu machen. Ausschlaggebend war aber das gute Drehbuch von Regisseur Alireza Golafshan. Es ist eine Mainstream-Komödie mit gut platzierten Gags, die zwischen den Zeilen aber auch ein grosses Universum erzählt.

Welche Szene war beim Drehen besonders lustig?

Schilling: Megalustig war zum Beispiel eine Szene mit Kida [Khodr Ramadan], der den Pfleger Eddie spielt. Während Portfolie-Manager Oliver [Schilling] in der Behinderten-WG gerade an seinem Laptop arbeitet, kommt Eddie vorbei und will ihm ein Gespräch aufdrücken. Dabei erklärt er Oliver, dass er auch Investmentbanker ist, erzählt von Bitcoins und dass er sich auch mit dem Internet auskennt und so… Da musste ich so lachen.

Sie haben viele Szenen im Rollstuhl. Wie war das?

Schilling: Ja, eigentlich fast alle. Das ist das Grundkorsett meiner Figur und darauf habe ich mich natürlich im Vorfeld vorbereitet. Am Anfang habe ich mich nur in der Wohnung mit dem Rollstuhl befasst. Die Balance und das Kippeln muss man erstmal eine Weile üben. Damit es im Film glaubhaft rüberkommt, muss jeder Handgriff sitzen. Schwieriger war es dann, mich mit dem Rollstuhl in Berlin hinauszutrauen. Das war aber total wichtig. Ich bin mit der BVG durch die ganze Stadt gefahren und habe dabei schon gemerkt, dass es hier und da nicht ganz so einfach ist. Vor allem S-Bahn zu fahren, ist echt Horror, weil die Stufe circa 10 Zentimeter hoch ist, also schon irrsinnig hoch. Das zu überwinden, muss man lernen. Man kann diese 10 Zentimeter allein schaffen, aber man muss schon sehr selbstbewusst sein, das richtige Timing haben und darf vor allem keine Angst haben, dass die Tür gleich schliesst. Solche Sachen muss man vor einem solchen Dreh einfach üben.

Hat Sie niemand im Rollstuhl erkannt? Haben Sie ein Cap getragen?

Schilling: Nein, das war gar nicht nötig, mich hat wirklich keiner erkannt. Wer hätte auch schon vermutet, mich in einem Rollstuhl in einer Strandbar in Berlin Heinersdorf zu sehen? Zumal ich damals auch nicht so präsent war. Jetzt gerade ist das anders, weil drei Filme mit mir ungefähr zeitgleich herauskamen, obwohl ich sie über drei Jahre hinweg gedreht habe. Da erkennen mich die Leute mehr.

Ein grosses Thema im Film ist der Umgang mit Menschen mit Behinderung. Kannten Sie die Thematik oder waren Sie auch jemand, der Berührungsängste hatte?

Schilling: Ich hatte auf jeden Fall totale Berührungsängste, weil ich in meiner Verwandtschaft und im Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich niemanden mit einer richtigen Behinderung kenne.

Und wie war das dann?

Schilling: Natürlich war ich am Anfang vorsichtig und wusste auch nicht, ob es einen Verhaltenscodex gibt oder nicht. Diese Unsicherheit von nicht-behinderten Menschen im Umgang mit Menschen mit Behinderung ist glaube ich das grösste Problem. Sie kommt daher, dass man sich so selten begegnet. Sobald man aber in die ersten Fettnäpfchen getreten ist, ist das Eis eigentlich gebrochen. Dann weiss man auch, dass man gar nicht so vorsichtig sein muss. Sondern dass es viel besser ist, einen ganz normalen, hemdsärmeligen Umgang miteinander zu haben, und einfach zu fragen, was man wissen will. Meine eigene Unsicherheit habe ich relativ schnell abgelegt, nachdem ich eine Woche lang im Unfallkrankenhaus in Berlin Marzahn dabei sein durfte, wenn die Pfleger und Physiotherapeuten mit den Frischverletzten gearbeitet haben. Da habe ich wirklich viel gelernt.

Viele haben auch Angst zu reden, weil man nicht genau weiss, ob ein Begriff richtig oder falsch ist…

Schilling: Und genau diese politisch korrekt aufgeladene Zeit, in der wir gerade leben, macht es auch nicht gerade einfacher. Ich verstehe es natürlich, wenn man sagt, dass man ein bisschen auf die Sprache achten soll; sie ist ja auch ein grosses Instrument. Aber wenn es dazu führt, dass die Leute total verunsichert sind, und verstummen, ist niemandem geholfen. Da sagt man lieber mal das falsche Wort, aber man sagt wenigstens etwas zueinander, denke ich.

Im Film ist Ihre Rolle fast schon WLAN-süchtig. Wie halten Sie es privat mit Smartphone, Social Media oder entsprechenden Auszeiten?

Schilling: Ich glaube, ich spreche da nicht nur für mich, wenn ich sage, dass es uns eigentlich am besten geht, wenn wir das Telefon mal auslassen. Jeder, den ich getroffen habe, der sein Telefon mal verloren hatte, hat sinngemäss etwa gesagt: „Das war die schönste Zeit meines Lebens. Mir ging es gut.“ Ich war vor Kurzem im Urlaub und da hat keiner mit seinem Telefon rumgedaddelt. Auch die Jugendlichen, die dabei waren, haben kein Social Media gemacht, sondern Gesellschaftsspiele gespielt und alle waren total glücklich. Es ist die Krankheit unserer Generation, eine Sucht. Leider. Wir haben Angst, dass wir nicht vorkommen, nicht existieren, wenn wir nicht mitmachen.

Nutzen Sie Social Media?

Schilling: Ja, beruflich. Privat nutze ich es nicht.

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