Oliver Kalkofe: «Viele Sender verachten das Publikum»

Seit 25 Jahren hält Oliver Kalkofe mit seiner „Mattscheibe“ den Fernsehsendern den Spiegel vor und begeistert damit seine Fans. Im Interview verrät er, dass er noch lange nicht genug hat.

Das ist einmalig im TV: Zum 25-jährigen Jubiläum von „Kalkofes Mattscheibe“ zeigt der Sender Tele 5 die Kult-Show ab dem 18. April 25 Stunden lang am Stück. Seit 1994 schreitet Oliver Kalkofe (53) schon aus vollster Überzeugung zur Tat und parodiert den fürchterlichsten Fernsehunsinn auf seine unnachahmliche Weise. Im Interview spricht Kalkofe über die holprige Anfangszeit und gibt einen Ausblick in die Zukunft. Natürlich spart er auch nicht an Kritik am TV: Seiner Meinung nach verachten viele Sender sogar ihr Publikum…

Wie kamen Sie vor mehr als 25 Jahren auf die Idee, eine solche Satire-Show wie die „Mattscheibe“ zu machen?

Oliver Kalkofe: Die Grundidee ist eigentlich als Radioshow entstanden. Es gab damals keine Medienkritik in den Medien, schon gar nicht auf Comedy-Ebene. Humortechnisch war Deutschland damals eh ein komplettes Dürregebiet. Und ich merkte einfach, dass viele Privatsender anfingen, uns zu verarschen und für blöd hielten. Ich wollte die Leute zum Lachen und gleichzeitig zum Nachdenken über das Fernsehen bringen.

Ab 1991 lief das Format bereits bei Radio ffn und später auch bei Radio Fritz. 1994 gab es dann den Wechsel vom Radio ins TV. Wie war das?

Kalkofe: Es kam im Radio ziemlich gut an und irgendwann wollten dann Fernsehsender das Format übernehmen. Das Problem war nur: Ich hatte wirklich null Ahnung, wie das funktionieren soll. Das sieht man den ersten Folgen auch an. Nur weil wir damals bei Premiere so lange experimentieren durften, ist das entstanden, was man heute kennt.

Wie hat die Branche damals reagiert?

Kalkofe: Das war natürlich eine unglaubliche Respektlosigkeit, die ich mir damals erlaubt habe. Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen heute, aber in den 90ern waren Fernsehleute noch echte Respektspersonen. Wer im Fernsehen war, war etwas Besonderes und hatte etwas geleistet. Heute ist ja jeder gleich ein Promi, weil er mal irgendwo die Titten gezeigt hat.

Haben sich Ihre Opfer bei Ihnen oft beschwert?

Kalkofe: Eigentlich nicht, das war schon eher selten. Mel Jersey, vom Heimatduo Judith und Mel, hat immer am Tag nach der Ausstrahlung bei Premiere angerufen und irgendeinen armen Mitarbeiter zusammengeschissen. Fips Asmussen fand es auch nicht witzig und hat zeitweise Anti-Kalkofe-Witze auf seiner Homepage veröffentlicht. Aber das war ja alles harmlos. Es haben sich eher die Fans beschwert, vor allem die Flippers-Fans waren sehr brutal damals.

1995 wurden sie von Klaus Baumgart verklagt, weil Sie Klaus & Klaus als „Schielende Klobürste und Freund Speckbulette“ bezeichnet haben. War das Ihr einziger Gerichtsstreit?

Kalkofe: Mit einem Promi schon, ja. Aber das war eine komplette Fake-Nummer, weil er damals ein Produkt vermarkten wollte und sich so PR versprach. Es wurde dann ja auch abgewiesen. Spannender war da schon der Streit mit FremantleMedia, die damals unter anderem „Der Preis ist heiss“ produziert haben. Das ging durch drei Instanzen bis zum BGH und dort wurde entschieden, dass wir Ausschnitte aus deren Sendungen als Satire zeigen dürfen. Seitdem gibt es dieses wegweisende „Kalkofe-Urteil“. Darauf bin ich tatsächlich sehr stolz.

Auf der anderen Seite entwickelte sich zum Beispiel mit Achim Mentzel eine Freundschaft bis zu dessen Tod…

Kalkofe: Ja, das war wirklich toll mit Achim. Es hat sich eine echte Freundschaft und Partnerschaft entwickelt, komplett auf Augenhöhe. Er hat sich genauso über mich lustig gemacht wie ich über ihn und wir haben uns wunderbar die Bälle zugespielt. Das gab es in dieser Form, auf dieser persönlichen Ebene, kein zweites Mal. Er war auch der erste, der über seine eigenen Parodien lachen konnte. Heute wollen viele ja unbedingt parodiert werden, weil man sich darüber Öffentlichkeit verspricht.

Ihre Spässe sind natürlich recht derbe. Gibt es etwas, dass Sie hinterher bereut haben und so nicht mehr machen würden?

Kalkofe: Nein, eigentlich nicht, es war ja alles inhaltlich richtig. Manchmal ist es nur so, dass man die Leute kennenlernt und positiv von ihnen überrascht ist. Ich bin dann aber eher froh, dass ich sie noch unvoreingenommen aufs Korn genommen habe. Wenn man jemanden kennt, ist man vielleicht doch ein wenig vorsichtiger.

Gibt es Grenzen für Ihre Parodien?

Kalkofe: Aber natürlich. Ich möchte niemanden persönlich weh tun. Bei Figuren, die offensichtlich vorgeführt werden oder auch bei Kindern. Oft spürt man ja, dass Mutti und Vati mit der Peitsche dahinterstehen und sie die Scheiss-Lieder singen lassen. Da ist dann die Aufgabe für mich, den Kern herauszuarbeiten. Auch bei Scripted-Reality-Opfern, die lächerlich gemacht werden, sind die Schuldigen im Hintergrund. Das ist gar nicht so einfach, das darzustellen.

Es schwingt also auch Mitleid bei Ihnen mit?

Kalkofe: Absolut, sehr sogar. Zum Beispiel ist es wahnsinnig schwer, etwas zu „Schwiegertochter gesucht“ zu machen. Das ganze Format ist voll von Leuten, die man eigentlich super parodieren könnte. Aber diese Leute muss man eher schützen und ausserdem werden die schon von RTL bitterböse vorgeführt und ausgenutzt. Da wollen wir nicht auch noch einen draufhauen, sondern lieber zeigen, wie fies das ist, dass der Sender das tut. Das ist gar nicht so leicht.

Inwiefern gilt das auch für Scripted-Reality-Formate?

Kalkofe: Da ist oft das Problem: Wie soll man das noch toppen? Da werden einem Geschichten aus dem Restemülleimer irgendwelcher Comedy-Hilfsautoren als seriöse Doku vorgeführt. Aus Rache in den Supermarkt kacken, ein Pimmel-Model mit seinem Lümmel im Hot-Dog-Brötchen und ähnlich alberner Mist wird uns da als Realität vorgeführt. Das ist ja schon die komplette Verarsche, das ist ja schon eine Parodie. Das ist so absurd, das kann man kaum noch steigern.

Wie empfinden Sie generell die Qualität des Fernsehens? Ist es besser oder schlechter geworden?

Kalkofe: Leider schlechter. Vor allem zynischer und das ist das Traurige. Vor 25 Jahren wollten die Leute noch unterhalten, die wollten Spass machen. Der Irrsinn damals entstammt aus Naivität und überschwänglicher Kreativität. Man ist einfach über das Ziel hinausgeschossen, wollte aber eigentlich nur das Publikum unterhalten.

Und heute?

Kalkofe: Man hat eines Tages angefangen, richtig Geld mit dem Privatfernsehen zu verdienen, dann kam aber die Finanzkrise und irgendwann ist die Kreativität verloren gegangen, alles wurde formatiert und am Ende war nur wichtig, dass die Bilanz stimmt. Jetzt versucht man oft einfach nur, irgendwie das Programm aufzufüllen, so billig und unaufwändig wie nur möglich. Hauptsache jemand schaltet ein, völlig egal zu welchen Inhalten. Das Publikum halten viele Sender dabei für geisteskrank und verachten es sogar dafür. Moralische Verantwortung gibt es nicht mehr.

Glauben sie, Streamingdienste werden daran etwas verändern?

Kalkofe: Ja, ich glaube, dass viele Senderchefs langsam erkannt haben: „Mist, die sind gar nicht alle doof. Ganz im Gegenteil: Je abgefahrener, komplexer und intelligenter eine Serie ist, desto erfolgreicher ist die.“ Die haben nur jahrelang diese Leute überhaupt nicht mehr mitgenommen. Ich glaube, dass man sich langsam wieder zurückbesinnt, Inhalte doch als wichtig zu begreifen. Es tut sich was, aber das dauert noch lange.

Sie haben also noch Hoffnung?

Kalkofe: Ja, die habe ich. Ich liebe das Fernsehen und ich möchte gutes Fernsehen haben. Das ist ein tolles Medium und es ist bitter, zu sehen, wie es sich selber zerstört und in die Irrelevanz manövriert. Im Übrigen ist das ein sehr deutsches Phänomen: In vielen anderen Ländern steht Kreativität an erster Stelle. Dort gibt es auch jede Menge Irrsinn, aber es entstehen eben auch Formate und Serien, die dann um die ganze Welt gehen.

Abschliessende Frage: Wird es die „Mattscheibe“ auch in 25 Jahren noch im TV geben?

Kalkofe: Wird ganz schön knapp! (lacht) Nein, im Ernst: Ein paar Jahre gehen auf jeden Fall noch. Ich habe Spass daran und auch noch was zu sagen. Aber das 50. Jubiläum ist schon noch ein wenig weit entfernt…

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