Octavia Spencer: «Ich wurde nur einmal gemobbt und dann nie wieder»

Zum Kinostart ihres neuen Films „Ma“ spricht Oscar-Preisträgerin Octavia Spencer im Interview über Mobbing, Rachegelüste – und warum der Dreh eines Horrorfilms ziemlich viel Spass bringen kann.

Die alleinstehende Sue Ann (Octavia Spencer) ist unzufrieden mit ihrem Job als Tierarzthelferin in einem Kaff in Ohio und auch sonst ziemlich einsam. Darum freundet sie sich mit einer Gruppe Teenager rund um Maggie (Diana Silvers) an, besorgt ihnen Alkohol und bietet der jungen Clique ihren eigenen Keller als Rückzugsort für ausschweifende Partys an. Doch gerade als die Jugendlichen denken, dass „Ma“ die wohl coolste Lady der Gegend ist, zeigt Sue Ann ihr wahres Gesicht. Der neue Psycho-Horrorthriller von Tate Taylor (49, „Girl on the Train“) hat viele Facetten und blickt in die Abgründe von Mobbing und blutigen Rachefantasien.

Warum sich Oscar-Preisträgerin Octavia Spencer (47, „The Help“) ausgerechnet „Ma“ für ihren ersten grossen Horrorfilm ausgesucht hat, wie sie selbst mit dem Thema Mobbing umgeht und was für sie die ultimative Rache darstellt, verrät die Schauspielerin im Interview.

In „Ma“ spielen Sie zum ersten Mal die Hauptrolle in einem Horrorfilm. Was hat Sie an dem Projekt gereizt?

Octavia Spencer: Die Rolle der Sue Ann ist anders als alles, was ich bisher gemacht habe. Ich wähle mir immer Projekte aus, die etwas zu sagen haben und mich bis aufs Letzte herausfordern. Ursprünglich war „Ma“ für eine weisse Frau geschrieben, aber dadurch, dass ich nun Sue Ann gespielt habe, sende ich eine Botschaft. Ausserdem müssen mir neue Rollen vor allem viel Spass bereiten.

Aber ein gruseliger Psychothriller und Spass? Geht das überhaupt zusammen?

Spencer: Mit meinem langjährigen Freund Tate Taylor und all den anderen grossartigen Co-Stars zu drehen, hat tatsächlich unheimlichen Spass gebracht. Generell war es eigentlich überhaupt nicht so gruselig einen Horrorfilm zu drehen, wie alle immer denken – im Gegenteil. Es war ein bisschen wie in einem Schullandheim zu sein. Nach dem Dreh sassen wir wie in einem Camp auf Taylors Ranch in Mississippi zusammen und haben in einer grossen Gruppe zu Abend gegessen. Ich glaube es hat auch geholfen, dass wir uns die blutigen Szenen bis ganz zum Schluss aufgehoben haben.

Sind Sie denn selbst ein Fan von Horrorfilmen?

Spencer: Oh ja, ich mochte Horrorfilme schon immer unheimlich gerne. Tate Taylor und ich kennen uns seit knapp 24 Jahren, er wusste um meine Vorliebe für Profiling-Geschichten und Psychothriller. Er hat das Drehbuch gesehen und mich auch unter anderem deswegen mit an Bord geholt.

Haben Sie einen Lieblingshorrorfilm?

Spencer: Puh, es ist schwierig sich bei so vielen tollen Streifen einzuschränken. Wenn ich wählen müsste, wären auf meiner Liste aber definitiv „Psycho“, „Paranormal Activity“ und „Get Out“. Ach und ganz besonders liebe ich „Rosemaries Baby“.

Ihr Rolle Sue Ann ist einerseits eine sehr fürsorgliche Person, andererseits ein zutiefst traumatisierter Charakter, der irgendwann förmlich aus ihr ausbricht. Wie bereitet man sich auf so eine ambivalente Rolle vor?

Spencer: Sue Ann ist eine Soziopathin, die erst durch das, was sie erlebt hat, so spezifisch gestört wurde. Also bin ich der Ursache für ihren Gemütszustand, ihre schnellen Stimmungsschwankungen und ihrer fehlenden Empathie, auf den Grund gegangen, um mich in sie hinein versetzen zu können. Ich habe viel gelesen und genau recherchiert. Wenn man ihren „Kern“ verstanden hat, ist alles – so grausam es auch sein mag – auf ihre Art ziemlich plausibel.

Plausibel? Als Sue Ann haben Sie auch eine blutige Nacktszene mit Co-Star Luke Evans…

Spencer: Ja! Von allen Drehtagen war das wohl meine liebste Szene. Wie man so schön sagt: Wir haben jetzt keine Geheimnisse mehr voreinander (lacht). Aber ernsthaft: Es war ganz grossartig, mit Luke zu arbeiten. Es ist einfach himmlisch. Und es stimmt: Auch in dieser Situation handelt Sue Ann für sie vollkommen konsequent.

„Ma“ hat sich vor allem wegen zahlreicher Mobbing-Attacken so verändert. Haben Sie damit auch bereits Erfahrungen machen müssen?

Spencer: Ja tatsächlich, das habe ich. Aber nur einmal und dann nie wieder.

Das müssen Sie genauer erklären: Wieso wurden Sie nur ein einziges Mal in Ihrem Leben gemobbt?

Spencer: Weil ich mich immer laut und stark dagegen gewehrt habe und schon die kleinste Beleidigung im Keim erstickt habe. Ich bin einfach nicht so die Person, die man mobben kann.

Was würden Sie jungen Leuten raten, die sich gerade mit dem Thema Mobbing auseinandersetzen müssen?

Spencer: Wenn Kinder gemobbt werden, ist es denke ich wichtig, sich zuerst an die Eltern zu wenden, die dann zusammen einen Weg finden, damit ihr Kind sich für sich selbst stark machen kann. Wenn Teenager belästigt werden, ist das eine ganz andere Sache. Ich würde ihnen raten, zu sich zu stehen und sich zu trauen, selbstbewusst zu sein. Der Grund, warum so viele Angst haben, ist weil sie nicht wissen, was passiert, wenn man sich gegen die Peiniger behauptet.

Behaupten? Meinen Sie damit körperlich auszuteilen?

Spencer: Nein, ganz und gar nicht. Schläge auszuteilen, ist niemals die Lösung. Es geht darum deutlich zu sagen, was gesagt werden muss und zu wissen, dass einem die Unterstützung der Eltern gesichert ist.

Ihr Charakter Sue Ann ist entgegen Ihres Ratschlags auf absolut tödlicher Rachemission. Wenn Sie könnten, an wem würden Sie sich gerne mal rächen?

Spencer: Ich habe die Rolle der Sue Ann so geliebt, gerade weil ich dank ihr mörderisch und verrückt und wild und irre bis zum Exzess und darüber hinaus sein durfte – aber eben nur auf der Leinwand. Ich bin nicht einer dieser Menschen, die sich verrückte Rachegelüste an anderen Personen vorstellen. Ich finde Erfolg ist von allen die beste Art der Rache.

Vorheriger ArtikelSo sieht das Memorial für Karl Lagerfeld aus
Nächster ArtikelZum Thema sexueller Missbrauch: Bully dreht einen Thriller