Minimalismus-Expertin Lina Jachmann: «Aussortieren kann jeder lernen»

Ein Minimalismus-Fan zu werden ist leicht – doch wie lässt sich das Prinzip richtig im Alltag anwenden? Expertin und Autorin Lina Jachmann hat im Interview Übungen, Tipps und Inspiration parat.

Minimalismus ist – einfach mal den Kleiderschrank ausmisten? Falsch gedacht, hinter dem Konzept steckt viel mehr. Wer sich wirklich damit befasst, merkt schnell, dass sich das Prinzip auf das komplette Leben anwenden lässt. Wie das funktioniert, hat Autorin Lina Jachmann im Interview erklärt. In ihrem neuen Buch „Einfach leben. Der Praxis-Coach“ gibt die gebürtige Hamburgerin ihren Lesern eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für Minimalismus und mehr Achtsamkeit an die Hand.

In einem der ersten Kapitel von „Einfach leben“ ist ein Zitat von Hape Kerkeling zu lesen: „Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen.“ Woher kommt diese Sehnsucht, minimalistisch zu leben?

Lina Jachmann: Das Zitat von Hape Kerkeling entstand, nachdem er den Jakobsweg gepilgert ist – mit allen Habseligkeiten auf dem Rücken. Auf den ersten Blick klingt es paradox, „Halt“ und „Loslassen“ scheinen einander zu widersprechen. Tatsächlich erleben viele von uns einen materiellen Reichtum oder sogar Überfluss, der bis hin zum achtlosen Verschwenden von Ressourcen reichen kann. Die Gegenbewegung ist der grüne, nachhaltige Minimalismus basierend auf einer einfachen Erkenntnis: Die wichtigen Dinge im Leben sind keine Dinge.

Nun gibt es den Praxis-Coach zum Buch: Wie unterscheidet er sich zu „Einfach leben“?

Jachmann: „Einfach leben“ ist der Inspirationsgeber – randvoll mit Interviews, Homestorys, Anregungen und Tipps. Der Praxis-Coach nimmt die Leser und Leserinnen in kleinen Schritten an die Hand und hilft dabei, das Thema Minimalismus konkret umzusetzen und ins Handeln zu kommen. Der Coach ist das Workbook, mit dem die Leser_innen sich das Thema ganz individuell erschliessen können. Er hilft dabei, das eigene „Warum“ zu finden, Klarheit zu bekommen und bei der Stange zu bleiben. Ich wurde oft gefragt: „Kannst du nicht zu mir nach Hause kommen und mich bei meinem Minimalismus-Prozess begleiten?“. Natürlich möchte ich gerne persönlich coachen – damit das zeitlich klappt, habe ich den „Einfach leben – Praxis-Coach“ geschrieben.

Was hat Ihnen persönlich auf dem Weg zum Minimalismus geholfen?

Jachmann: Die inspirierenden Begegnungen mit den Minimalisten, die ich für „Einfach leben“ treffen durfte. Zu sehen, welche Leichtigkeit und Freiheit sie mit wenigen Dingen im Leben erleben, hat mich fasziniert.

Welche Fragen sollte man sich stellen, wenn man sein Leben entrümpeln möchte?

Jachmann: Die wichtigste Frage lautet: Bereichert das mein Leben? Unterstützend können wir uns fragen: Welche Gefühle löst dieser Gegenstand bei mir aus?

Welche Tipps haben Sie für jemanden, der sich schwer tut, Dinge auszusortieren bzw. loszulassen?

Jachmann: Die gute Nachricht zuerst: Aussortieren kann jede_r lernen. Hier ist es wie mit allen anderen Dingen – mit regelmässiger Übung wird es leichter. Ich empfehle immer, da anzufangen, „wo es weh tut“. Also bei den Themen, die am meisten belasten. Das kann zum Beispiel der überquellende Kleiderschrank sein oder der volle Badezimmerschrank mit Plastikflaschen und Mikroplastik.

Manche Dinge haben zwar einen emotionalen Wert, nutzen aber in keinster Weise. Wie geht man mit solchen Gegenständen um?

Jachmann: Es hilft vielen, ein Foto davon zu machen. Dann kann der Gegenstand weggegeben werden – aber die emotionale Stütze bleibt.

Wir sammeln nicht nur in unseren Wohnungen unendlich viele Dinge an, sondern auch digital. Was kann ich gegen riesige Datenberge tun?

Jachmann: Immer auf das Positive konzentrieren. Die schönsten Fotos auswählen und die anderen löschen. Überflüssige Newsletter, Dienste und Apps abbestellen. E-Mails konsequent bearbeiten. Das Ziel sollte es sein, immer ein leeres Postfach zu haben. Dazu empfehle ich, sich mit jeder E-Mail immer nur einmal zu beschäftigen und gleich zu entscheiden: beantworten, wegsortieren oder löschen.

Ein Kapitel behandelt unter anderem auch unsere alltägliche Sprache. Warum ist es im Zuge mit Minimalismus wichtig, sich mit seinem täglichen Sprachgebrauch auseinanderzusetzen?

Jachmann: Minimalismus ist ein Tool, dass auf alle Lebensbereiche angewendet werden darf. Wir können uns fragen, ob uns unser Wortschatz und die Art und Weise, wie wir mit uns selbst und anderen sprechen, gefällt.

Im Grunde steckt hinter dem Prinzip Minimalismus mehr, als nur die Wohnung zu entrümpeln. Welches „Mehr“ erwartet uns, wenn man das Prinzip ganzheitlich auf das Leben anwendet?

Jachmann: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Glück, mehr Freiheit – einfach einmal ausprobieren.

Vorheriger Artikel„She Is Coming“: Miley Cyrus veröffentlicht gleich drei neue EPs
Nächster ArtikelBritney Spears befindet sich weiterhin in Therapie