Deshalb ist unser Bauchgefühl so wichtig

Die Macht der Intuition“ heisst das neue Buch von Dr. Florian Ilgen. Was es bringt, auf sein Bauchgefühl zu hören, erklärt der Autor hier.

Warum tun wir uns so schwer damit, auf unsere innere Stimme zu hören? Dieser Frage geht Dr. Florian Ilgen in seinem neuen Buch „Die Macht der Intuition“ (Komplett Media) nach. Der promovierte Chemiker, Mentalist und Keynote Speaker erklärt darin, welche Voraussetzungen man schaffen muss, um auf sein Bauchgefühl hören zu können. Im Interview verrät Ilgen, wie viel Einfluss die innere Stimme auf unser Leben hat.

Wie viel Macht hat unser Bauchgefühl über uns?

Dr. Florian Ilgen: Das entscheiden wir tatsächlich selber, wenn wir uns des Gefühls bewusst werden. Jeder kennt Situationen, in denen wir zu einer Entscheidung oder Person ein gewisses Bauchgefühl haben. Dieses kann positiv oder negativ sein, wir entscheiden dann, ob wir diesem nachgehen wollen oder nicht. Vorausgesetzt natürlich, wir beginnen so reflektiert und achtsam zu sein, dass wir dieses auch tatsächlich wahrnehmen.

Ich empfehle allen, auf das Bauchgefühl zu hören und sehr stark zwischen anderen Gefühlen wie Liebe, Gier, Angst etc. zu unterscheiden. Solche Emotionen „übertönen“ unsere Intuition und erschweren es uns sinnvoll auf diese zu hören. Dann entstehen Situationen, die wir lieber vermeiden sollten.

In Ihrem Buch heisst es, dass es sich bei der Intuition noch um eine Art Tabuthema handele, „das viele völlig zu Unrecht in die Esoterik-Ecke schieben möchten“. Woher kommt dieser schlechte Ruf?

Ilgen: Wir leben in einer technokratischen und Zahlen, Daten, Fakten getriebenen Gesellschaft. Das ist per se nicht schlecht, hat aber seinen Preis. Wir lieben es, Dinge erklären zu wollen, sonst sind sie gefühlt für uns weniger wert. Somit haben wir verlernt, auf unsere Emotionen zu hören, was ungeschickt ist, da sie unser grösster Motor sind. Gerade wir Männer haben anscheinend das ständige Bedürfnis, Sachverhalte rational und logisch erklären zu wollen. Dabei räume ich an der Stelle auch gerne mit dem Mythos auf, dass Frauen mehr Intuition besässen als Männer: Männer und Frauen haben eine vergleichbar starke Intuition, Frauen vertrauen ihr und argumentieren mit ihr aber mehr.

Das „Mysterium“ Intuition lässt sich mittlerweile sehr gut wissenschaftlich erklären, wie in meinem Buch mehrfach angeführt, und hat sich darum zum Glück sehr gut aus der Esoterik-Ecke verabschiedet. Das sehe ich zum Beispiel auch in Gesprächen mit Geschäftsführern und Top-Managern, die ihre Entscheidungen zunehmend mit der eigenen Intuition begründen. Das ist ein sehr gutes Zeichen, welches schon längst überfällig war.

Wie kann ich meine Intuition schärfen?

Ilgen: Intuition ist wie ein Muskel, tägliches Training lässt unsere Intuition konstant wachsen. Wichtig ist jedoch ein ausschlaggebendes Kriterium: Selbstbewusstsein! Wir benötigen ein ausgeprägtes Selbstvertrauen, um auf die leise Stimme unserer Intuition zu hören und vor allem diese dann auch vor anderen als Entscheidungsgrundlage zu behaupten! 72% aller Befragten verleugnen in einer Umfrage, dass ihre Entscheidung auf der eigenen Intuition beruht. Das müssen wir ändern! Darum macht es sehr viel Sinn, dass wir uns bei zukünftigen Entscheidungen erinnern, wie es sich anfühlte, als wir schon mal erfolgreich eine intuitive Entscheidung getroffen haben.

Als ich mein Buch geschrieben habe, traf ich viel mehr intuitive Entscheidungen als früher und erinnerte mich an die gute Wahl der Vergangenheit. So trainieren wie den Muskel des Selbstvertrauens und damit gleichzeitig unsere Intuition. Zusätzlich empfehle ich immer unsere Intuition in alltäglichen Situationen zu testen, um sie zu schärfen. In einer Unterhaltung schaue ich der Person teilweise auf den Mund, höre weniger zu und erahne, was als nächstes Thema angesprochen wird. Wenn ich Kommentare unter meinen Posts bei Instagram oder Facebook lese, überlege ich mir, wie die Person wohl ist, wie sie sich in den Sozialen Medien gibt und klicke dann erst das Profil an, um meine Intuition zu überprüfen. Umso stärker mein Selbstbewusstsein, desto besser meine Intuition. Es ist ein Kreislauf, den wir täglich trainieren können und sollten.

Was gewinnt man, wenn man seinem Bauchgefühl mehr Raum gibt?

Ilgen: Überdurchschnittlich viel! Unsere Intuition denkt schneller und besser als unsere Ratio – der „Kopf“. Alle Erlebnisse, Informationen und Erkenntnisse sind unterbewusst abgespeichert. Klar, bewusst könnten wir so viel Information ja gar nicht speichern. Wenn es um wichtige, dringende Entscheidungen geht, greift unsere Intuition auf unser Wissens- und Erkenntnisarchiv in einem Bruchteil einer Sekunde zu und spielt uns genau das richtige Stück Information zu, welches wir in der Situation für eine Entscheidung benötigen. So weiss ein Feuerwehrmann intuitiv, wie lange er noch in einem brennenden Haus verweilen kann. Bewusst könnte er das gar nicht in der kurzen Zeit errechnen.

Auch bekannte Persönlichkeiten wie Jennifer Lopez oder Craig David erzielen starke Ergebnisse, indem sie ihrer Intuition vertrauen. J.Lo erklärt zum Beispiel, sich für ihre Rolle für „Shades of Blue“ intuitiv entschieden zu haben. Auch anderen Rollen erteilte sie dank ihrer Intuition ihre Zusage. Der britische Sänger Craig David zeigte nicht nur Flagge, indem er eines seiner Alben „Following My Intuition“ nannte, sondern sich sehr oft gegen den Kopf entscheidet, um auf das Bauchgefühl zu hören. Die Qualität der Entscheidungen der beiden können sich sehen lassen, meine ich.

Den grössten Nutzen, den wir als Menschen jedoch haben können, ist die Tatsache, dass unsere Intuition ganz genau weiss, in welche Richtung unser Leben gehen soll. Um also der Mensch zu werden, der wir sein wollen, sollten wir wieder mehr auf unseren besten Kompass hören: unsere Intuition.

Gibt es Situationen, in denen es generell besser ist, seiner Intuition nachzugehen statt dem Kopf zu folgen?

Ilgen: In den meisten Situationen ist das meine wärmste Empfehlung, die durch einschlägige Ergebnisse untermauert wird. Unsere Intuition kann in weniger Zeit auf mehr Informationen, Erkenntnisse und Wissen zugreifen, als es unserem Verstand, unserem „Kopf“, möglich ist. Das sollten wir uns stets vor Augen führen. Wichtig ist nur, dass wir das Gefühl unserer Intuition nicht mit starken Emotionen wie Liebe, Gier oder Angst verwechseln. Dann kann es dadurch zu ungünstigen Entscheidungen kommen, da wir quasi „blind“ navigieren.

Was raten Sie Menschen, die Angst davor haben, Ihrer Intuition zu folgen und Ihr Leben zu ändern?

Ilgen: Als rationaler Menschen mit starkem wissenschaftlichem Hintergrund, der früher selber immer alles sicher erklärt haben wollte, stelle ich allen Menschen, die Angst vor ihrer Intuition und Veränderung haben, nur eine Frage: Wer willst Du sein? Wollen wir der Mensch sein, der am Ende unserer Tage reumütig auf unsere Vergangenheit zurückblickt. Auf all die Ideen, Wünsche und Vorhaben, die wir nicht kommuniziert haben, die wir nicht angegangen sind, weil wir Angst vor dem Unbekannten hatten? Oder wollen wir der Mensch sein, der ein erfülltes Leben gelebt und Lebensfreude wirklich selber gespürt hat.

Ich bin schon lange genug selbständig, habe schon viele Fehlentscheidungen getroffen, es hat schon öfters weh getan, um zu wissen, dass es nicht konventionell, einfach und von den anders Denkenden geschätzt wird. Aus dem gleichen Grund weiss ich aber auch, dass es sich allemal lohnt, das Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Wer willst Du sein? Was möchtest Du über Dich und Dein Leben denken, wenn die Zeit dafür gekommen ist? Nimm Dein Leben jetzt in die Hand und triff die intuitiv richtigen Entscheidungen für Dich. Just do it!

Wie treffen Sie persönlich wichtige Entscheidungen?

Ilgen: Wenn wenig Zeit ist: schnell und sehr intuitiv. Habe ich jedoch mehr Planungsspielraum, erstelle ich eine Pro-Kontra-Liste und wäge im Anschluss ab, welche Seite mich mehr anspricht. Spannend ist aber die Tatsache, dass wir ja alleine schon beim Erstellen der Liste intuitiv gewisse Themen als erste aufschreiben und andere sogar komplett (intuitiv) vergessen. Am Ende gewichten wir die Punkte, wägen sie gegeneinander auf. Auch dieser Prozess ist nicht 100% rational und wird zu einem sehr hohen Anteil durch unsere Intuition gesteuert. Darum bin ich der festen Überzeugung, dass rein rationale Entscheidungen qualitativ niemals an eine Kombination aus rationalem und intuitivem Vorgehen heranreichen.

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