Katerina Jacob: «Das Sterbefasten meiner Mutter war okay für uns alle»

Gerade sind mit „Dich hat der Esel im Galopp verloren“ die Lebenserinnerungen von Ellen Schwiers erschienen. Hier erklärt Katerina Jacob, wie sie die Entscheidung ihrer Mutter für das Sterbefasten aufgenommen hat.

Im April ist die deutsche Schauspielerin Ellen Schwiers gestorben (1930-2019). Mit „Dich hat der Esel im Galopp verloren“ (Neues Leben) sind nun ihre Lebenserinnerungen erschienen, die Schwiers zusammen mit Marte von Have niedergeschrieben hat. Diese erzählt zu Beginn des Buchs, dass Ellen Schwiers in den letzten Jahren ihres Lebens zunehmend unter grossen Schmerzen gelitten habe: „Die Schmerzen zermürbten sie und nahmen ihr den Lebenswillen. Daher befürwortete sie eine assistierte Sterbehilfe, denn sie wünschte sich einen würdevollen, selbstbestimmten Tod.“

Schwiers wollte kein Pflegefall sein, heisst es weiter. „So beschloss sie, mit Sterbefasten anzufangen. Konsequent stellte sie das Essen und nach und nach auch das Trinken ein.“ Sie sei zudem palliativ betreut worden. „Sie wartete noch, bis ihre Enkelin Josephine aus Kanada angereist war, um sich von ihrer Grossmutter zu verabschieden. Danach konnte sie das Leben loslassen. Wie sie es sich gewünscht hat, ist sie im Kreis ihrer Familie, in ihrem Haus am Starnberger See, friedlich eingeschlafen.“ Im Interview berichtet Schwiers‘ Tochter Katerina Jacob (61), wie sie die Entscheidung ihrer Mutter für das Sterbefasten aufgenommen hat.

Wie war es für Sie, jetzt die Lebenserinnerungen Ihrer Mutter zu lesen?

Katerina Jacob: Ich kannte das Buch bereits, ich hatte es schon vor mehreren Wochen gelesen. Allerdings hatte ich selbst damit nicht viel zu tun, es ist das Buch meiner Cousine. Es gibt für mich nichts Neues darin, ich war nur überrascht, dass viele für mich sehr prägnante Geschichten und Anekdoten fehlen. Da wo Martes Buch aufhört, fängt meines eigentlich an. In „Alles nur Theater“ erzähle ich viele lustige Anekdoten. Meine Cousine ist etwas trockener, sie schildert eher die Fakten.

Ihre Mutter beschreibt ihre Beziehung zu Fred Haltiner Anfang der 70er Jahre, für den sie Ihren Vater verlassen hatte. Der Schauspieler beging später Suizid. „In mir war nur noch nackte Einsamkeit, am liebsten wäre auch ich gestorben“, heisst es im Buch Ihrer Cousine. Haben Sie damals gewusst, wie schlecht es Ihrer Mutter ging?

Katerina Jacob: Ja, ich weiss wirklich alles von meiner Mutter. Wir haben das damals komplett mitbekommen. Das war eine sehr schlimme Zeit für die gesamte Familie.

1985 starb Ihr Bruder Daniel mit 21 Jahren, nachdem ein Tumor in seiner Leber entdeckt worden war. „Wir haben es geschafft, nicht auseinanderzubrechen. Meine Familie und auch mein Beruf gaben mir Halt“, erzählt Ihre Mutter. Wie hat es Ihre Familie damals geschafft, nach dem Tod von Daniel weiterzubestehen?

Katerina Jacob: Wir waren alle sehr miteinander verwoben, auch beruflich. Da geht man nicht so einfach. Mein Vater war 22 Jahre älter als meine Mutter – wo hätte er hingehen sollen? Es war eine gewisse Notsituation. Als das passiert ist, war meine Tochter gerade drei Jahre alt, sie hat damals teilweise bei meinen Eltern gelebt, da wir alle gearbeitet haben.

Über Ihre Kindheit sagte Ellen Schwiers, dass sie ständig unterwegs gewesen sei und Sie „eigentlich immer Haushälterinnen überlassen“ worden seien. So gesehen sei Ihre Kindheit „kein Honigschlecken“ gewesen. Sehen Sie das rückblickend auch so?

Katerina Jacob: Ja. Ich bin von Kindermädchen grossgezogen worden, die nicht immer sehr nett waren. Bei meiner eigenen Tochter habe ich dann versucht, nette Kindermädchen zu finden.

In Ihrem Vorwort zu „Dich hat der Esel im Galopp verloren“ schreiben Sie an Ihre Mutter: „Du hast alles richtig gemacht.“ Was bewunderten und liebten Sie am meisten an Ihrer Mutter?

Katerina Jacob: Sie war ein Mensch mit einer sehr grossen Lebenserfahrung. Sie hat immer gesagt: „Ich lasse mir durch schlechte Menschen meinen Charakter nicht verderben.“ Diesen Satz von ihr mochte ich sehr gerne. Sie war zudem eine extrem grosszügige Person, die immer geholfen hat und die die Nöte ihrer Schauspieler kannte. Sie hat diese beispielsweise freiwillig weiterversichert. Im „Ensemble“ spielen zu dürfen, war eigentlich immer ein bisschen wie ein Ritterschlag.

Marte von Have erklärt in der Einleitung des Buchs: „Ellen Schwiers wollte kein Pflegefall sein. So beschloss sie, mit Sterbefasten anzufangen.“ Wie haben Sie diese Entscheidung Ihrer Mutter aufgenommen?

Katerina Jacob: Es war für mich absolut nachvollziehbar. In einem Interview hatte sie davor schlecht formuliert und gesagt, ich würde ihr Sterbehilfe verweigern. Das stimmt nicht, das wusste sie auch. Die Diskussion, die dadurch entstand, fand ich aber wichtig. Ich bin sehr für assistierte Sterbehilfe, nicht für aktive. Sie hat sich dann für das Sterbefasten entschieden, was okay war für uns alle. Es ging ihr ja zum Schluss körperlich sehr schlecht. Im Kopf war sie aber fit bis zum Ende.

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