Anna Maria Mühe: «Wir waren hungrig auf das Leben»

Anna Maria Mühe ist in der Bauhaus-Serie „Die Neue Zeit“ als rebellische Künstlerin zu sehen. Im Interview verrät sie interessante Details vom Dreh.

Im Rahmen des 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums zeigt das ZDF die sehenswerte TV-Serie „Die Neue Zeit“. Ausgestrahlt werden die sechs Episoden in Doppelfolgen am heutigen Sonntag (15.9.), Montag (16.9.) und Dienstag (17.9.) ab jeweils 22:15 Uhr.

Alle Folgen umgibt eine Rahmenhandlung, die im Jahr 1963 in New York spielt. Der inzwischen 80-jährige Walter Gropius (1883-1969, gespielt von August Diehl), Bauhaus-Gründer und international gefeierter Architekt, gibt der Journalistin Stine Branderup (Trine Dyrholm) ein Interview. Das Thema: die Rolle der Frauen am Bauhaus. Branderup wirft Gropius vor, Frauen an seiner Schule zwar zugelassen, letztlich aber auch unterdrückt zu haben. Gropius wehrt sich und erzählt die Geschichte aus seiner Perspektive.

Und hier kommt auch die vielfach ausgezeichnete Berliner Schauspielerin Anna Maria Mühe (34) ins Spiel. Sie verkörpert die eingangs brave Kunststudentin Dörte Helm (1898-1941), aus der im Laufe der Zeit eine rebellische Künstlerin und Kämpferin für Gleichberechtigung wird. Im Interview erzählt Mühe von den aufwendigen Drehvorbereitungen. Dabei verrät sie auch, ob sie sich ein Leben in einer Landkommune vorstellen könnte und ob sie denkt, dass das Thema Gleichberechtigung heute noch aktuell ist.

Frau Mühe, Dörte Helm und Walter Gropius gab es wirklich. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden auch?

Anna Maria Mühe: Die Liebesgeschichte, die wir erzählen, ist fiktiv. Über Walter Gropius weiss man aber, dass er seinen Studentinnen gegenüber nicht abgeneigt war. Ob das aber nun auch mit Dörte so war oder nicht, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Viele andere Dinge, wie zum Beispiel das Ehrengericht, sind aber belegt.

Wie ist es für Sie als Künstlerin, sich so intensiv mit der Kunstgeschichte beschäftigen zu können?

Mühe: Das war natürlich sehr spannend. Ich hatte auch viel Zeit für die Vorbereitung. Die drei Monate waren tatsächlich auch nötig, weil es so viel Material gibt und ich auch viel selber machen wollte. In der Zeit hatte ich sehr viel Zeichenunterricht, habe Weben gelernt, hatte Tanzunterricht. Ich habe mich mit den Dingen beschäftigt, die Dörte auch innerhalb unserer Geschichte machen muss. Das war mir wichtig, um mich mit den Materialien anzufreunden, mit denen ich auch vor der Kamera gearbeitet habe.

Haben Sie dabei irgendetwas entdeckt, was Sie privat weitermachen möchten?

Mühe: Ich habe entdeckt, dass ich privat nicht weben würde, weil mir dazu die Ausdauer fehlt und mir der Rücken dabei wehtut. Aber ich war in einem tollen Webkurs und hatte sehr gute Lehrer. Es ist wirklich ein unfassbar schönes Handwerk, aber einfach nicht mein Hobby geworden. Dafür bin ich beim Malen mutiger geworden. Ich habe schon immer gerne gebastelt, als Kind bereits und auch jetzt als Mutter mit meiner Tochter. Aber ich habe immer wenig gezeichnet. Seit den Dreharbeiten traue ich mich, das einfach mal zu tun. Ich habe verstanden, dass man gerade beim Zeichnen natürlich ein gewisses Talent braucht, dass es aber auch einer Portion Mut bedarf, einfach loszulegen.

Dörte lebt vorübergehend in einer Landkommune. Könnten Sie sich sowas auch vorstellen?

Mühe: Schwierig. Ich bin ein sehr ordentlicher Mensch und brauche mein eigenes Badezimmer, ich tue mich schon mit Zelten schwer. Insofern ist eine Kommune wahrscheinlich nichts für mich. Das Landleben als solches empfinde ich aber als etwas sehr Schönes, auch weil meine Tochter dort zum Beispiel frei rauslaufen kann, ohne ständig auf Autos achten zu müssen. Das ist schon toll.

Auffallend sind die tollen Dialoge in der Serie. Sehen Sie das auch so?

Mühe: Das stimmt, es gibt viele besondere Dialoge, vor allem zwischen Dörte und Gropius. In den sechs Drehbüchern habe ich keine einzige Änderung vorgenommen. Das ist schon aussergewöhnlich. Das war ein Geschenk ohne Schleife, was da auf meinem Schreibtisch lag.

In der Serie geht es auch um Gleichberechtigung und an einer Stelle wird gefragt: „Was ist denn nur aus der tollen Idee der Gleichberechtigung geworden?“ – Was würden Sie da aus heutiger Sicht antworten, ist es noch ein Thema?

Mühe: Ja, das ist definitiv ein Thema. In unserer Serie wehrt sich Dörte dagegen, dass die Frauen in einer separaten Klasse an der Kunsthochschule nur weben dürfen, obwohl sie wie die Männer angetreten sind, Häuser zu bauen und einzurichten. Sie kämpft dabei nicht für sich selbst, sondern für die Gleichberechtigung, für alle Frauen und in diesem Sinne auch für die Gesellschaft. Das hat mir sehr imponiert. Heute kämpfen die Frauen dafür, genauso viel Geld zu verdienen für die gleiche Arbeit. Es ist leider immer noch ein sehr aktuelles Thema.

Warum ist es oft so, dass Leute, die Vorkämpfer sind und wichtige Dinge vorantreiben, eher schwer ihr persönliches Glück finden können?

Mühe: Weil sie manchmal vielleicht ein bisschen verquer im Kopf sind oder eben auf die verqueren Köpfe abfahren und das dann leider kein glückliches Ende nehmen kann… Wenn wir aber darüber reden, was am Ende übrigbleibt, muss ich sagen, dass ich Dörte Helm vor diesem Projekt nicht kannte. Gropius oder Kandinsky waren mir natürlich geläufig, ich kannte aber eigentlich keine Frauennamen. Insofern finde ich es toll, dass sie jetzt eine Plattform bekommen, indem wir die Geschichte über eine Frau erzählen und nicht über einen Mann, was beim Bauhaus ja einfach wäre.

Verraten Sie zum Schluss noch eine kleine, lustige Anekdote von hinter den Kulissen?

Mühe: Wir mussten sehr viel lachen und ich glaube, es gibt deswegen auch sehr, sehr viele Outtakes von mir aus diesem Dreh. Ich hatte einfach das Glück, mit sehr lustigen Kollegen arbeiten zu dürfen. Und das, was wir in der Geschichte erzählen, hat sich total auf uns übertragen. Wir waren mutig, neugierig, fantasievoll, hungrig auf das Leben, risikobereit, uneitel und sind da dann einfach durchmarschiert.

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