Interview mit Alan Bonner: «Niemand sagt, es wäre leicht und die Mühe immer wert»

Alan Bonner

Quelle: Andi Tajti

Der britische Singer-Songwriter Alan Bonner liefert mit seinem dritten Album „Night Music“ eine rauchige, lichtgedämmte Song-Kollektion, inspiriert von London und Londons Nachtaktiven. Im Interview mit dem TREND MAGAZIN spricht er über die Selbstvermarktung für Musiker ohne Plattenvertrag.

„Night Music“ wurde im Süden von London produziert und hat eine Kulisse aus intimen Klavierklängen, orchestralen Streichern und minimalistischem Schlagzeug, die den Albumtitel perfekt aufgreift. Im Mittelpunkt stehen persönliche Erzählungen von Fernbeziehungen, familiären Bindungen und Depressionen, sowie weltumspannende Themen der Liebe, Hoffnung und Sterblichkeit. Das neun Tracks umfassende Album enthält auch den Song „Heaven Knows“ aus der gleichnamigen Single, den Bonner als Hommage an die verstorbene Künstlerin Amy Winehouse schrieb, die er zu Beginn ihrer Karriere in London kennenlernte. Der als homosexuell geoutete Künstler lebt derzeit in Berlin und hat regelmässig mit gemeinnützigen LGBT-Organisationen gearbeitet, die für Institutionen und Themen einstehen, welche die Rechte, die Diskriminierung und die Verfolgung von Menschen aufgrund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identitäten umfasst. Alan Bonner gilt als überzeugter, unabhängiger Künstler und vermarktet sich und seine Musik ohne Plattenvertrag komplett eigenständig.

Als unabhängiger Musiker hast du in den vergangenen acht Jahren drei Alben veröffentlicht, die Welt bereist und dich an den Orten niedergelassen, wo dir Auftrittsmöglichkeiten geboten wurden. Erzähl uns mehr über dein Leben als freier Künstler.
Ich fühle mich wirklich gesegnet. Musik erlaubt mir, mich auszudrücken. Sie hat mir die Möglichkeit gegeben, viele Orte zu bereisen, viele verschiedene Menschen zu treffen und Erfahrungen zu sammeln, die ich ohne sie nie gemacht hätte. Es hat mein Leben in vielerlei Hinsicht bereichert. Das Leben als unabhängiger Künstler gibt dir viele Freiheiten. Du kannst die Dinge so umsetzen, wie du möchtest, ganz ohne Plattenlabel, das dir diktiert, wie du deine Musik zu gestalten oder zu promoten hast. Du hast die komplette kreative Freiheit und das ist wirklich toll.

Die Kehrseite ist die, dass es eine grosse Herausforderung ist, deine Musik ohne die finanzielle Unterstützung eines Labels zu fördern. Viele von uns müssen neben der Musik noch einem Job nachgehen, um die Miete bezahlen zu können. Es ist harte Arbeit, sich als Künstler selbst zu managen, einem täglichen Job nachzugehen und noch die Zeit zu finden, um kreativ zu sein. Aber es ist durchaus möglich.

«Es ist eine grosse Herausforderung, deine Musik
ohne die finanzielle Unterstützung eines Labels zu
fördern. Aber es ist durchaus möglich.»
Alan Bonner

Letzten Endes möchte ich meine Musik an so viele Menschen wie möglich herantragen und das ist ein laufender Prozess. Es ist nichts Falsches daran, bei einem Label zu unterschreiben und ich bin in keinster Weise dagegen, das zu tun. Aber es ist auch gut, so autark wie möglich zu sein, denn das ist der Weg, um die komplette kreative Kontrolle über deine Arbeit zu behalten. Auch geht jedes generierte Einkommen direkt an dich anstelle des Labels.

In den letzten Jahren boomen Online-Plattformen für die Musiker-Selbstvermarktung. Es scheint unheimlich viele Möglichkeiten für Künstler zu geben, vom Community-Aufbau bis hin zum Aufbau von Fan-Support, Eigenproduktion und -vertrieb und dem Crowdfunden von Alben. Welche Möglichkeiten nutzt du und wie sind deine Erfahrungen mit den Plattformen?
Ich vertreibe meine Musik digital über eine Firma, die sich A.W.A.L. (Artists Without A Label) nennt und die meine Musik weltweit auf allen digitalen Musikhandels- und Streaming-Seiten (iTunes, Amazon, Spotify usw.) verfügbar macht. Das ist toll, weil es bedeutet, dass man keinen Plattenvertrag mehr braucht, um seine Musik international zu vertreiben. Ich nutze Social Media-Seiten wie Twitter und Facebook für die Promotion. Aber nur weil du 1000 Facebook-Likes hast, bedeute das noch lange nicht, dass auch 1000 Personen zu deiner Show kommen oder dein Album kaufen. Bei der Veröffentlichung von Alben nutzte ich bisher den Support einer PR-Agentur, um eine Kampagne für den Release durchzuführen. Aber auch hier garantiert dir das keine Verkäufe oder Fans, ist aber gut, um ein wenig Hype um deine Musik zu kreieren, denn das kann auf eigene Faust sehr schwierig sein.

Das Major-Label Universal Music hat seine eigene Crowdfunding-Plattform „Musicstarter“ ins Leben gerufen, bei der Musiker eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich abschliessen müssen, um einen Plattenvertrag zu bekommen. Die Einnahmen decken dann die zukünftigen Investitionen von Universal. Hast du davon gehört und was ist deine Meinunge dazu?
Ich weiss darüber nicht wirklich genug, um etwas sagen zu können. Aber ich weiss auch nicht, wie gut ich mich dabei fühlen würde, wenn das Label die gesamten Einnahmen aus dem Crowdfunding übernimmt. Aber wie gesagt, ich müsste mehr erfahren, um mir eine richtige Meinung bilden zu können.

Die Philosophie der berühmten Musik-Crowdfunderin Amanda Palmer liegt in „The Art of Asking“, bei der sie im Grunde herausfand, dass man nur zu fragen bräuchte und die Menschen dann bereit wären, Geld für Kunst zu spenden. In ihrem Fall war das sogar eine ganze Menge Geld.
Dazu habe ich gemischte Gefühle. Zuallererst möchte ich festhalten, dass ich Amanda Palmer eine grossartige Künstlerin finde und denke, dass ihre Message, die Eier zu haben und einfach um Support zu bitten, insgesamt eine sehr positive ist. Künstler sind oft schüchtern und unbeholfen wenn es um Geld geht oder darum, um Hilfe zu bitten – ich kenne das von mir selbst. Ich glaube auch grundsätzlich daran, dass Menschen, die die Musik lieben, dich auch wirklich unterstützen wollen. Meine einzigen Bedenken sind aber, dass Amanda Palmer schon eine unglaublich grosse Fan-Base vorzuweisen hat. Also wird es darunter ganz bestimmt Menschen geben, die sie finanziell unterstützen. Wenn du aber ein Künstler bist, der seine Fangemeinde erst noch bilden muss, dann wird ein Crowdfunding-Projekt mit Sicherheit nicht funktionieren. Denn da musst du zuerst einmal dein Kernpublikum finden und aufbauen, und das braucht seine Zeit. Nach drei Alben und einigen guten Jahren in meiner Laufbahn, habe ich zum Beispiel heute noch immer nicht das Gefühl, dass ich die benötigte Fan-Base schon habe. Aber wenn man das vorweisen kann, ist es theoretisch eine gute Idee, ihr zu folgen. Jedoch finde ich persönlich, dass man nicht nach mehr fragen sollte, als man wirklich braucht.

Was ich hingegen regelmässig mache, ist, um einen Gefallen bei anderen zu bitten. Wenn ich meine Musikvideos produziere, hole ich meine kreativen Freunde dazu, um sie gemeinsam umzusetzen, oder ich hole sie dazu, um das Cover des Albums zu gestalten. Ich schlafe auch auf ihrem Sofa, wenn ich auf Tour bin. Ich bezahle sie, wenn es mir möglich ist und sie dürfen natürlich die Arbeiten auch als Referenzarbeiten verwenden. Ich denke, als unabhängiger Künstler muss man sehr findig sein und ja, manchmal bedeutet das auch, die Leute um dich herum um Hilfe zu bitten.

Du hast eine Open-Stage-Eventreihe gestartet. Was sind die Vorteile, eine Community so aufzubauen?
Ich arbeite nebenbei in der Bar Laksmi in Berlin, um meine musikalischen Aktivitäten zu subventionieren. Dort betreibe ich wöchentlich eine offene Bühne und lade Musiker ein, um zu spielen, sich zu treffen und auszutauschen. Es fängt an, richtig gut besucht zu sein, das ist toll. Ich wollte einen Ort schaffen, bei dem Musiker zusammenkommen und sich gegenseitig inspirieren, ohne dass ihre Fähigkeiten beurteilt werden. Es ist eine gute Möglichkeit, andere Musiker zu treffen und Networking zu betreiben, sowie auch ein grossartiger Ort, um Freunde zu finden. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob man Anfänger oder Profi ist. Jeder wird mit Respekt und Freundlichkeit behandelt und alle sind herzlich willkommen.

Was sind deine persönlichen Empfehlungen für Künstler, die heutzutage von ihrer Musik leben wollen?
Glaube an dich und sei flexibel. Manchmal wird es schwierig sein und ermüdend und wenn es dich überwältigt, erlaube dir dann eine Pause einzulegen, wenn du sie brauchst. Niemand sagt, es wäre leicht und die Mühe immer wert. Sei bereit, neue Dinge auszuprobieren und etwas Neues zu versuchen. Sei immer nett zu den Leuten und versuche Ablehnung nicht persönlich zu nehmen, denn es ist nunmal ein toughes Spiel. Am wichtigsten ist es aber, dabei Spass zu haben. Versuche den Weg so gut es geht zu geniessen, ohne dich darum zu kümmern, wie erfolgreich du bist. Wenn es sich gut anfühlt, werden sich die Türen für dich öffnen.

Über sein Album „Night Music“ sagt Alan Bonner:
„Es sind Lieder, die inspiriert sind von Trinkern, Dieben, Prostituierten, verschmähten Liebhabern, gefallenen Rockstars und zufälligen Begegnungen mit Fremden in Nachtbussen. Es sind Lieder, die inspiriert sind von unzufriedenen Kreaturen, die die Strassen und Bars der Stadt erobern wenn die Sonne untergeht.“
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