Interview mit The Baseballs: Rock’n’Roll als Erfolgsrezept

The Baseballs

Quelle: Warner Music

The Baseballs sind mehrheitlich bekannt für ihre Rock’n’Roll-Covers, haben aber durchaus auch ein grosses Talent für Eigenkompositionen. Mit bisher vier Studioalben und mehreren Tourneen haben sie sich sowohl national als auch international viele Fans erspielt und beweisen mit ihrem neuesten Album „Hit me Baby“, dass die Musik der 90er Jahre auch heute noch Erfolg hat. Das TREND MAGAZIN traf die drei Senkrechtstarter zum Interview.

Basti (Sebastian Raetzel), Sam (Sven Budja) und Digger (Rüdiger Brans) lernten sich in der Gemeinschaftsküche eines Proberaumkomplexes in Berlin kennen und gründeten wenig später die Band The Baseballs. Mit ihren Coverversionen bekannter Hits im Stil des Rock’n’Roll, erreichen sie bis heute alle Altersklassen von jung bis alt. Bereits mit dem ersten Album „Strike“ gelang ihnen der internationale Durchbruch. Für diese Leistung wurden sie mit dem Echo in der Kategorie „Newcomer National“ geehrt. Auch mit ihrem zweiten Studioalbum konnten sie nahtlos an diesen Erfolg anknüpfen. „Strings’n’Stripes“ erreichte in der Schweiz Platz eins der Charts und bescherte ihnen den zweiten Echo in der Kategorie „Bester Nationaler Act im Ausland“. Für ihr letztes Album „Game Day“ schrieben The Baseballs zum ersten Mal auch eigene Songs und bewiesen, dass sie weit mehr können, als nur Hits zu covern. Bei ihren Eigenkompositionen begeisterten sie mit der klassischen 50’s Instrumentalisierung, einem Gespür für eingängige Melodien und ihren einzigartigen Stimmen. Für ihr neuestes Album „Hit me Baby“ haben sie sich zum ersten Mal auf eine bestimmte Dekade beschränkt und ausschliesslich Songs der 90er Jahre neu interpretiert. Entstanden ist ein kunterbunter Mix aus unterschiedlichen Songs. Obwohl alle Stücke dem Rock’n’Roll entsprechen, kann man die Originale noch immer unschwer erkennen. Alles in allem ein absolut gelungenes Werk.

Eure Musik gefällt allen Altersklassen von jung bis alt. Was denkt ihr, wieso ist das so?
Digger: Rock’n’Roll ist jetzt nicht so die Art von Musik, mit der man eine besondere Message an die Leute herantragen will. Jungen Leuten ist es egal, ob da jemand Tuttifrutti oder irgendetwas über die Geschichte der 50er singt. Die Hauptsache ist, dass sie dazu tanzen können. Und das etwas ältere Publikum kennt die Songs noch von früher und fühlt sich dadurch vielleicht so ein bisschen in die Zeit von damals zurückversetzt. So können wir einerseits die junge Generation ansprechen, die einfach nur tanzen will und gleichzeitig auch das ältere Publikum, das sich durch unsere Songs wieder an ihre Jugend erinnert.

Auf dem letzten Album „Game Day“ finden sich viele Songs, die von euch selbst geschrieben wurden. Warum habt ihr euch entschieden, für „Hit me Baby“ erneut nur Coverversionen aufzunehmen?
Sam: Wir werden oft gefragt, ob unseren Entscheidungen immer ein konzeptionelles Denken zugrunde liegt. Aber dem ist nicht so. Bei „Game Day“ war es für uns wichtig, ein Album mit eigenen Songs herauszubringen, weil uns das auch als Band weiter bringen sollte. Davor sind wir immer mit dem gleichen Schema an die Songs herangegangen: Wir haben ein Original aus den 50ern gewählt und dies neu interpretiert. Um das Ganze auch für uns ein bisschen frisch zu halten, war es nötig, ein paar eigene Songs zu schreiben. Das hat uns unheimlich viel Spass gemacht. Trotzdem fehlte uns in manchen Situationen einfach so das gewisse Augenzwinkern. Sobald man eigene Songs schreibt, wird man automatisch ein Stück ernster. Deshalb waren wir uns einig, dass es bei diesem Album wieder an der Zeit ist, ein bisschen mehr zu unserem Ursprung zurück zu kehren. Die Leute verbinden uns auch einfach mit der Covermusik. Das war eigentlich der einzige Grund, warum wir uns wieder für die Covers entscheiden haben. Nicht, weil wir jetzt unsere Eigenkomposition als gescheitert empfunden haben, sondern einfach, weil uns bewusst wurde, dass es The Baseballs eigentlich nur wegen diesen Covergeschichten gibt.

the_baseballs_hit_me_baby

Für „Hit me Baby“ habt ihr euch vor allem auf Hits der 90er fokussiert. Warum genau diese Dekade?
Basti: Wir wollten uns auch mal wieder jung fühlen (alle lachen)! Nein, ersthaft. Die Songs der 90er haben wir gehört, als wir das erste Mal in die Disco gingen oder irgendwelche Schulpartys feierten. Es ist nicht so, dass wir die Musik von dazumal so wahnsinnig toll fanden, sondern man konnte ihr ganz einfach gar nicht entkommen.
Sam: Man muss dazu vielleicht noch sagen, es sind auch grossartige Kompositionen gewesen, egal ob man jetzt diese Musikrichtung gut findet oder nicht. Und deswegen waren wir der Meinung, dass diese Songs sich optimal anbieten, um daraus Rockabillyoder Rock’n’Roll-Versionen zu machen, um sie so zu präsentieren, wie wir sie vielleicht damals gerne gehört hätten.

Was ist eigentlich das Schwierigste, wenn ihr einen Song neu interpretiert?
Sam: Das Schwierigste ist es, den Leuten zu beweisen, dass wir uns damit nicht lustig machen wollen. Wir versuchen immer, professionell an das Ganze heran zu gehen. Wir wollen das Original schlussendlich einfach so präsentieren, wie wir den Song gerne hören würden. Ich kann mich erinnern, als wir „Chasing Cars“ von Snow Patrol gemacht haben, dass ganz viele Fans unter das Youtube-Video geschrieben haben: Ihr macht den Song, diese Stimmung und dieses Herzschmerzding kaputt. Und genau das wollen wir ja gar nicht.
Basti: Aber es ist spannend. Wenn so eine negative Reaktion kommt, dann eher von den Fans, als tatsächlich von den Künstlern selber.
Sam: Ja, das kommt eigentlich immer von den Hardcore-Fans, die den Originalsong natürlich absolut toll finden.
Basti: Irgendwie ist es auch verständlich, wenn man mit einem Song eine persönliche oder vielleicht auch traurige Geschichte verbindet und dann kommt einfach eine Band daher und macht daraus einen „Happy-Song“. Da ist man vielleicht schon etwas irritiert. Aber wir haben noch nie Probleme mit einem Originalinterpreten bekommen. Das liegt sicher daran, dass die Leute merken, dass wir respektvoll mit ihren Songs umgehen und einfach nur etwas anderes daraus machen wollen.

The Baseballs

Wie ist das, braucht ihr eine Einwilligung vom Künstler oder dem Label, damit ihr einen Song neu interpretieren könnt?
Basti: Ja, genau. Das war jetzt bei diesem Album relativ einfach, weil in den 90er und frühen 2000er fast nur Songs von Max Martin veröffentlicht wurden. Deswegen konnten wir das relativ einfach und schnell klären (lacht). Aber ja, sonst ist es teilweise recht schwierig. Nicht, weil die Künstler keine Lust haben, die Versionen freizugeben, sondern überhaupt eine Antwort zu kriegen. Die bekommen permanent solche Anfragen aus aller Welt. Und es ist ja nicht so, dass sie zu Hause sitzen und darauf warten, dass wir ihnen schreiben.
Digger: Wenn es dann aber mal so weit ist, dann holen wir uns die Swiss Music Awards ab (alle lachen).

Bald geht ihr wieder auf Tour. Was mich interessieren würde: Verhält sich das Schweizer Publikum anders als beispielsweise das deutsche?
Digger: Das Problem ist, wir sind immer so besoffen auf der Bühne (alle lachen).
Basti: Es gibt ja dieses Klischee, dass die Schweizer nicht so euphorisch sind, sondern eher ruhigere Gemüter.
Digger: Gesetzter, trifft es wohl eher.
Basti: Gesetzter (amüsiert). Aber das können wir überhaupt nicht bestätigen. Klar, bei der Art von Musik, die wir machen, kann man eigentlich auch gar nicht ruhig bleiben. Die Schweizer feiern genau so mit, wie alle anderen, wenn nicht sogar noch mehr. Gerade im Sommer, wenn wir auf Openairs spielen, was ja hier in der Schweiz eine grosse Kultur ist, sieht man, dass die Schweizer diesbezüglich sehr partyerprobt sind. Und das ist ganz cool. Sie haben eine grosse Affinität zur Livemusik und deshalb freut es uns auch immer ganz besonders, hier spielen zu dürfen.

Und was macht ihr zwischen den Konzerten um wieder Energie zu tanken?
Sam: So ganz normale Sachen, wie jeder andere Mensch auch. Einkaufen…
Digger: Saufen (scherzhaft).
Sam: Mir mein Handy klauen lassen…
Digger: Also wenn wir auf Tour sind, geben wir meistens vier Tage nacheinander Konzerte und haben dann einen Off-Day. Den braucht wir auch, damit sich unsere Stimmen ein bisschen erholen können. Und dann steht halt so der normale Kumpelkram auf dem Programm, wie zusammen ins Kino gehen oder der Sam schleppt uns dann auch ab und zu mal ins Fitnessstudio.
Basti: Am meisten freuen wir uns aber, dass wir am Off-Day ein richtiges Hotelzimmer haben, so dass man auch mal ein bisschen Privatsphäre hat, was in der engen Kabine im Bus unmöglich ist.
Sam: Ich glaube, im ersten Moment freut sich jeder darauf, ein bisschen für sich alleine zu sein. Auf Tour hängt man ja eigentlich permanent auf einem Haufen rum. Darum ist es auch nicht so, dass wir immer gleich etwas zusammen unternehmen.
Digger: Unsere Band geht meistens ins Puff (alle lachen).
Basti: Ja, und kommen dann sehr unzufrieden zurück.
Digger: Und sagen: zu teuer, das können wir uns gar nicht leisten.

The Baseballs
TREND-MAGAZIN-Redakteurin Corinne Kirchhofer traf Basti, Sam und Digger in Zürich (v.l.n.r).

Gibt es in der Schweiz einen Ort, der euch besonders gut gefällt?
Digger: Also ich freue mich tatsächlich immer, wenn ich am Flughafen Zürich lande. Es ist irgendwie so ein lustiges Gefühl von „Ankommen“. Wenn ich aus Düsseldorf anreise, muss ich zuerst gefühlte 18 Kilometer auf dem Rollband zur Gepäckausgabe laufen und habe währenddessen immer so meine zehn Minuten, um anzukommen und zu denken: Cool, wieder in der Schweiz.
Sam: Und dann läuft man da an diesem „Welcome to Switzerland“-Wasserfall vorbei – der ist echt toll.
Digger: Irgendwie total unsexy, nur vom Flughafen zu erzählen.
Basti: Also für mich ist es die Hardbrücke in Zürich. Dort sind wir unterwegs gewesen, als wir zum ersten Mal in der Schweiz waren. Der erste Showcase, die ersten Auftritte, das erste Konzert in der Maag Halle – alles war in dieser Ecke. Da kennen wir uns wahrscheinlich auch am besten aus. Auch haben wir da die Entwicklung gesehen. Als wir das erste Mal dort waren, war da eine grosse Baustelle und so war es dann auch vor einem Jahr noch immer (lacht). Aber trotzdem ist es irgendwie so vertraut, auch wenn es etwas seltsam ist, das über ein Industriegebiet zu sagen.
Sam: Wir sind der Schweiz auch sehr dankbar. Dass wir auch nach zehn Jahren immer noch die Möglichkeit haben, hier her zu kommen, ist schon sehr cool.
Basti: Mittlerweile haben wir so viele Ecken von der Schweiz gesehen. Dieses Jahr waren wir zum Beispiel schon zum zweiten Mal am SummersDays Festival in Arbon. Dort waren wir den ganzen Tag im Freibad und haben uns von da aus die anderen Bands angehört. Es gibt also immer wieder schöne Erinnerungen. Wir haben so viel mit und in der Schweiz erlebt, dass wir gar nicht alles auf einmal zusammen kriegen. Wir sollten es mal aufschreiben – so quasi ein The-Baseballs-Buch über die Schweiz.

Könnt ihr überhaupt noch unerkannt auf die Strasse?
Digger: Das geht mittlerweile wieder (lacht). Man muss aber dazu sagen, dass wir uns nach dem letzten Album auch wirklich eine lange Auszeit gegönnt haben. Auch hat sich die Musikbranche sehr verändert. Die Leute haben heute ihre Playlists auf Spotify und es ist nicht mehr so wie in den 90er Jahren, wo man sich die Musik hauptsächlich über VIVA TV oder MTV reinzog und gleich ein Gesicht zu den Songs geliefert bekam. Da wir heute so viele unterschiedliche Musikstücke hören, ist das irgendwie anders geworden. Auch ich höre viele Bands, die ich dann per Zufall irgendwo bei einem Auftritt sehe und mir denke: Ach so sehen die aus, das passt ja irgendwie gar nicht zu den Stimmen (lacht). Deshalb ist es heute auch für uns viel entspannter geworden. Vor zehn Jahren war es aber teilweise schon echt krass. Wir konnten kaum irgendwo landen, ohne dass wir das Gefühl hatten, die absoluten Megastars zu sein. Auch wenn das heute nicht mehr ganz so extrem ist, stört uns das nicht im geringsten, denn darauf haben wir es nie angelegt. Sobald wir aber zu dritt unterwegs sind, werden wir auch heute noch relativ schnell erkannt.
Sam: Es fällt ja auch ein bisschen auf, wenn drei Typen mit Tolle die Strasse entlang kommen (lacht).
Digger: Ja und wenn einen die Leute dann so anstarren weiss man oft nicht genau: Sitzen jetzt meine Haare scheisse oder habe ich einen Popel im Auge?

Die Tolle ist euer Markenzeichen. Wie lange braucht ihr am Morgen bis die sitzt?
Sam: Och, nicht so lange. Vielleicht zehn Minuten.
Digger: Joaaaa, Sam ist ein Perfektionist. Der rüttelt da mal gerne an jeder Strähne rum. Oft guckt er auch in den Spiegel und sagt: Ach Mist, ich muss nochmal ins Bad. Dann kommt er nach einer halben Stunde wieder raus und sieht genau so aus, wie davor. Aber ist zufrieden. Und bei unserem Bassisten verstehe ich gar nicht, was der eigentlich vor dem Spiegel macht. Der sieht mit seinen vier Haaren auf dem Kopf, egal ob er sich eine Tolle macht oder nicht, immer genau gleich aus (lacht). Wir haben ja schon vor The Baseballs immer eine Tolle getragen. Schlussendlich ist aber immer der Haarschnitt entscheidend, wie schnell es dann wirklich geht.
Basti: Ich muss auf jeden Fall demnächst wieder zum Haareschneiden.
Sam: Ja, du siehst aus wie ein Hippie – echt schlimm (lacht).

The Baseballs

Vorheriger ArtikelDave Gahan ist fit wie ein Turnschuh
Nächster ArtikelTrauer um Pete Burns