Uwe Seeler: Das Herz von „Uns Uwe“ schlug immer für den HSV

Uwe Seeler feierte im vergangenen November seinen 85. Geburtstag. Im Juli 2022 ist er im Kreise seiner Familie verstorben.

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Der deutsche Fussball trauert um eines seiner grössten Idole: Uwe Seeler ist im Alter von 85 Jahren gestorben. So wurde „Uns Uwe“, der „grösste HSVer aller Zeiten“, zur Ikone.

„Ich finde das Schönste im Leben, normal zu sein. So bin ich und so will ich auch bleiben.“ Das sagte einer über sich, dessen enorme Beliebtheit auf genau dieser Haltung fusste: normal zu sein. Uwe Seeler (1936-2022), der die deutsche Fussball-Nationalmannschaft 1966 als Kapitän in das legendäre WM-Endspiel auf den Rasen von Wembley geführt hatte, ist nun im Alter von 85 Jahren gestorben, wie der Hamburger SV nach ersten Medienberichten bestätigt hat. Er sei der „grösste HSVer aller Zeiten“.

„Uns Uwe“ kam am 5. November 1936 zur Welt, sein fussballerisches Talent dürfte ihm der Vater in die Wiege gelegt haben: Erwin Seeler (1910-1997) war ebenfalls Stürmer und bis in die 1940er-Jahre einer der populärsten Fussballer Hamburgs – die ganz grossen Erfolge blieben allerdings aus. Dafür dürften er und Mutter Anny (1913-1994) spätestens ab 1954 vor Stolz geplatzt sein. Der 17-jährige Uwe spielte bereits seit acht Jahren in der Jugend des Hamburger Sport-Vereins, ehe sein Förderer Günter Mahlmann (1908-1975) ihn zu HSV-Cheftrainer Martin Wilke (95) schickte.

Er lieferte von Anfang an

Seeler nutzte seine Chance sofort: In seinem ersten Oberliga-Spiel, die Bundesliga gab es damals noch nicht, schoss er beim 3:0 gegen den VfB Oldenburg das zwischenzeitliche 2:0. Drei Wochen zuvor empfahl er sich beim 8:2-Pokalderby-Erfolg gegen Holstein Kiel bereits mit vier Toren. Dieser Trend sollte anhalten: In den folgenden Oberliga-Jahren hörte Seeler nicht auf zu treffen, zwischen 1954 und 1962 erzielte er 267 Tore in 237 Einsätzen.

Einer, der dieses Potenzial früh erkannt hat, war Bundestrainer-Ikone Sepp Herberger (1897-1977). Direkt nach dem WM-Triumph von Bern 1954 nominierte Herberger den 17-jährigen Seeler für die A-Nationalmannschaft. Beim Debüt im Oktober 1954 blieb er beim 1:3 gegen Frankreich allerdings torlos. Seinen Durchbruch schaffte der junge Stürmer während der WM 1958 in Schweden: Gemeinsam mit den DFB-Legenden Helmut Rahn (1929-2003) und Hans Schäfer (1927-2017) bildete Seeler den Angriff. In den Gruppenspielen gegen Argentinien und Nordirland gelang ihm jeweils ein Treffer, allerdings verletzte er sich beim Halbfinal-Aus gegen Gastgeber Schweden, weshalb er am Spiel um Platz drei gegen Frankreich nicht teilnehmen konnte.

Er hatte das Vertrauen des Bundestrainers

Doch Uwe Seeler, der sich auf und neben dem Platz immer durch seinen Kampfgeist ausgezeichnet hatte, erholte sich bald und traf wieder, wie er wollte. Bundestrainer Herberger setzte weiterhin auf den jungen Angreifer, über den er einmal sagte: „Es gibt zweifellos spielerisch weitaus bessere Spieler. Aber keiner besitzt das Talent wie Uwe Seeler, auf engstem Raum gegen die stärkste Bewachung so viel Wirkung zu erzielen.“ Das entging auch den Fachleuten in Italien nicht, die Serie A war damals die erste Liga, die internationale Stars mit viel Geld lockte. Dass Seeler das 1,2-Millionen-D-Mark-Angebot von Inter Mailand 1961 ablehnte und sich für „unser Häuschen, unsere Familien und unsere sichere Zukunft“ entschied, machte ihn endgültig zum Volkshelden. So war es nur konsequent, dass Seeler 1961 ersatzweise erstmals als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft auflief. In seinem ersten Spiel mit der Binde am Arm traf Seeler beim 5:1 gegen Dänemark dreifach – alle drei Tore machte der 1,68 Meter grosse Stürmer mit dem Kopf.

Zur WM 1962 in Chile kehrte jedoch der etatmässige Kapitän Hans Schäfer zurück in die Mannschaft. Erst nach der WM, bei der Seeler erneut zwei Tore in der Gruppenphase schoss, aber das 0:1 im Viertelfinale gegen Jugoslawien nicht verhindern konnte, wurde Seeler endgültig Spielführer des Nationalteams. Und als solcher führte er das deutsche Team in eines der legendärsten Spiele der deutschen Fussball-Geschichte: Das Endspiel der WM 1966 in England ist bis heute unvergessen, der Ausgang bekannt. Dank des Wembley-Tors, mit dem sich in Grossbritannien Geoff Hurst (80) unsterblich gemacht hat, blieb Uwe Seeler der WM-Titel verwehrt.

„Ich bereue nichts im Leben“

Zeitgleich war Seeler im Liga-Alltag so treffsicher wie eh und je. In der 1963 neu gegründeten Bundesliga kam er mit seinem HSV zwar nicht über enttäuschende Plätze im Mittelfeld hinaus, sicherte sich aber mit 30 Toren die erste Torjägerkanone der neu gegründeten Liga. 1966 wollte Seeler das erste Mal aus der Nationalmannschaft zurücktreten, doch auf Drängen von Bundestrainer Helmut Schön (1915-1996) hing er noch einige Jahre dran. Am 9. September 1970 wurde er mit seinem letzten Länderspiel deutscher Rekord-Nationalspieler – es war sein 72. Einsatz für den DFB. Drei Jahre später überholte ihn Franz Beckenbauer (76), den heutigen Rekord hält Lothar Matthäus (61) mit 150 Spielen im DFB-Dress. Im Mai 1972 verabschiedete sich Seeler mit einer Partie gegen eine Weltauswahl dann auch vom Klub-Fussball. Unter „Uwe! Uwe! Uwe!“-Rufen wurde er auf Schultern aus dem Hamburger Volksparkstadion getragen. Seine Bilanz für den Hamburger SV: 404 Tore in 476 Spielen.

Uwe Seeler zog sich anschliessend vom Fussball zurück und gründete das Unternehmen Seeler-Moden, in dem er Sportartikel verkaufte. Gut 20 Jahre nach seinem Karriere-Ende liess er sich zu einem HSV-Comeback überreden und wurde Präsident seines Herzensvereins. Zwischen 1995 und 1998 hatte er das Amt inne, eine der wenigen Entscheidungen, auf die er wenig glücklich zurückblickt: „Ich bereue nichts im Leben, aber ein-, zweimal hätte ich auf meine Frau hören sollen: Wir hätten tatsächlich kein Schwimmbad bei uns im Haus bauen müssen; und Ilka hat mir damals auch davon abgeraten, das Präsidentenamt anzunehmen.“

„Bodenständigkeit, Loyalität, Lebensfreude“

Uwe Seeler konnte so auf ein Leben zurückblicken, das ihn national und international zu einem Idol gemacht hatte. Nicht allein wegen seiner Tore wurde „Uns Uwe“ 1972 zum zweiten Ehrenspielführer des DFB und 2003 zum Ehrenbürger Hamburgs, sondern wegen seiner bodenständigen Art und seiner Haltung. „Uwe Seeler steht für alles, was einen guten Menschen auszeichnet: Bodenständigkeit, Loyalität, Lebensfreude, zudem war er stets nahbar. Er ist der Inbegriff des HSV“, erklärt Vorstand Jonas Boldt (40) nun in einem Statement. Dazu verliere der Klub „den grössten Sportler seiner Vereinsgeschichte“, heisst es in einer Mitteilung des HSV weiter.

Seine Gesundheit machte Seeler seit mehreren Jahren zu schaffen. So musste er auch in seiner Geburtstagswoche sämtliche Termine absagen, wie seine Ehefrau Ilka, mit der er seit 1959 verheiratet war, dem Sportinformationsdienst mitteilte. Der Arzt habe ihm damals „eindringlich geraten, sich zu schonen“.

Das Erste und das NDR Fernsehen präsentierten damals anlässlich seines Ehrentages die Dokumentation „Uwe Seeler – Einer von uns: Die Fussball-Legende wird 85“. Darin zeigte sich Seeler zuletzt dankbar und zufrieden über sein Leben: „Ich glaube, wir sollten ruhig und gelassen sein und das geniessen, was wir haben. Und wie lange, das steht in den Sternen. Das weiss keiner.“

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