Evelyn Hamann: Die bessere Hälfte von Loriot

Vicco von Bülow und Evelyn Hamann.

Quelle: imago images/Eventpress

Schauspielerin Evelyn Hamann wäre am 6. August 80 Jahre alt geworden. Ein Rückblick auf ihre Karriere.

Eine Filmschönheit war sie nicht. Und erst recht keine strahlende Diva. Sie konnte griesgrämig und verhärmt dreinschauen, als wäre das ihre wahre Natur. In Erinnerung sind auch Bilder, die sie mit rat- und hilfloser Miene zeigen. Oder mit gepflegt adrettem, aber unendlich gelangweiltem Gesichtsausdruck.

In einem solchen Moment – es war in der 1980er Jahren – wollte sie der ZDF-Showmaster Wim Thoelke (1927-1995) in seiner Erfolgssendung „Der grosse Preis“ charmant umgarnen, als er zur Begrüssung im Brustton der Überzeugung loslegte: „Sie sind ja eine sehr schöne Frau ….“ Weiter kam er nicht, denn es war nur noch das schallende Gelächter seiner Gesprächpartnerin zu hören, und lachen konnte sie wie keine zweite.

So war sie, die Evelyn Hamann, diese begnadete Komödiantin, deren Selbstironie mehr Bissschärfe hatte als die Wortwitze zeitgemässer Comedians. Am 6. August wäre die grosse Schauspielerin, die 2007 einer Krebserkrankung erlegen ist, 80 Jahre alt geworden. Ihr ausdruckstarkes Charaktergesicht vermisst das Publikum bis heute.

Eine Mitschülerin, die mit ihr am Gynamsium Bondenwald in Hamburg das Abitur gemacht hat, beschrieb einmal das Talent ihrer Freundin, das bereits während der Schulzeit sichtbar war: „Wir fanden Evelyn nie besonders hübsch, aber sie konnte spielen, dass sie schön war.“

Am liebsten stellte sie Frauen dar, die von Leben, vom Schicksal oder von einer schrägen Situation gebeutelt wurden. Ihr war wichtig, „dass sich der Zuschauer denkt: Ja, so eine Frau kenne ich wirklich.“ Das gelang ihr am schönsten als kongeniale Partnerin des grossen Humoristen Loriot (1923-2011), der ebenfalls einzigartig war. An seiner Seite wurde sie zur Kultfigur.

Bis dahin war es für Evelyn Hamann kein leichter Weg, obwohl sie von Anfang an in künstlerisches Ambiente eingebettet war. Ihr Vater Bernhard Hamann war Geiger und Konzertmeister des NDR-Sinfonieorchesters, die Mutter Sängerin und Musikpädagogin. Ihr Bruder Gerhard Hamann war Professor für Violincello, ein Grossvater Konzertmeister in Berlin.

Karriere als Sängerin?

Auch Evelyn hätte eine Karriere als Sängerin machen können, denn sie hatte eine glockenklare Stimme, was ihr später auch als Schauspielerin zugute kam. Nach ihrer Ausbildung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in ihrer Heimatstadt Hamburg entschied sie sich jedoch für eine Berufslaufbahn am Theater. Einfach war das für sie nicht.

In einem ihrer seltenen Interviews sprach die medienscheue Hamann laut „NOZ“ selbst ihr „markantes Äusseres“ an, das dafür gesorgt habe, dass ihre Karriere nur „schleppend“ in Gang gekommen sei: „Ich war nun mal nicht der Prototyp des Gretchen, nicht im Mindesten hold und lieblich. Ich suchte verzweifelt nach Rollen.“

Und sie hatte Glück: Der Unterhaltungschef von Radio Bremen, Jürgen Breest, suchte für die TV-Produktionen von Loriot-Sketchen eine Schauspielerin. Am Theater Bremen wurde er fündig und entdeckte, wenn man so will, Evelyn Hamann. Sie wurde zum Vorspielen eingeladen.

Erste Begegnung mit Loriot

Die erste Begegnung mit Loriot entwickelte sich wie ein Sketch, denn der Meister wollte „eine blonde, pummelige Hausfrau“, andererseits hatte ihn die brünette und ziemlich hagere Evelyn als Darstellerin überzeugt. Also schlug er ihr vor: „Liebe Frau Hamann, wenn Sie auf unsere Kosten mehrere Wochen täglich Schweinshaxen essen, meinen Sie, Sie werden dann fülliger?“ Nachdem sie diesen Plan höflich abgelehnt hatte, entschied Loriot: „Gut, dann eben nicht pummelig!“

So wurde Evelyn Hamann ab 1976 die Partnerin von Loriot, eine Rolle, die sie zum Star gemacht hat. Das Publikum nahm sie bei allen unterschiedlichen Rollen als Loriots bessere Hälfte wahr, etwa als Haus- und Ehefrau Lieselotte Hoppenstedt, die einen feierlichen Heiligabend organisieren will – „Und jetzt machen wir es uns gemütlich“ – , was freilich in einem herrlichen Chaos endet. Oder die ein Jodel-Diplom erwirbt, denn „da hab ich was in der Hand, wenn die Kinder aus dem Haus sind – da hab ich was Eigenes!“ und sich mit einem Vertreter der Staubsaugerfirma Heinzelmann beballert und dann im Weinrausch glückselig säuselt: „Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann.“

„So wurde sie zur weiblichen Hauptperson in Loriots fein gezeichneten Sittengemälden bundesdeutscher Spiessigkeit“, schrieb der „Spiegel“. Diesen Frauenfiguren verlieh sie andererseits eine herrliche Verschrobenheit mit einer Neigung zum Chaos und zur Anarchie, z.B. als „Fräulein Dinkel“ im Sessel ihres liebestollen Chefs oder im Sketch „Die Nudel“, in dem sie von einem Verehrer angebaggert wird, der darauf dringt: „Bitte sagen Sie jetzt nichts, Hildegard!“ Und: „Sie machen mich ganz verrückt!“ Dabei will sie dem Mann nur klarmachen, dass ihm ein Stück Spaghetti im Gesicht herumwandert…

Der nackte Wahnsinn tritt in ihrer Solo-Nummer „Die Inhaltsangabe“ zutage: Evelyn Hamann kündigt als Fernsehansagerin eine englische Krimiserie an, in der sich die Protagonisten – u.a. Lord und Lady Hesketh-Fortescue, Lord Molesworth-Houghton, die Cousinen Priscilla und Gwyneth Molesworth – zwischen den Ortschaften Middle Fritham, Nether Addlethorpe und North Cothelstone Hall bewegen und die arme Frau wegen der vielen th-Laute an den Rand eines Nerven(th)zusammenbruchs(th) bringen. Als dann noch von einem Schlipth, sorry Schlips, der nachth (nachts) verloren geht, die Rede ist, bricht sie ratlos ab…

Evelyn Hamanns berühmteste Rollen

Sie wirkte mit in den beiden Loriot-Kinofilmen „Ödipussi“ (1988) und „Pappa ante portas“ (1991), trat aber auch in der berühmten „Schwarzwaldklinik“ als herbe Haushälterin Carsta Michaelis auf und hatte die Titelrollen in den TV-Serien „Evelyn Hamanns Geschichten aus dem Leben“ (1993-2005) sowie „Adelheid und ihre Mörder“ (1993-2007).

Allein die Begegnung mit Loriot bezeichnete sie mal als „Geschenk des Himmels“. Bei ihm habe sie jene Detailversessenheit gelernt, die für wirkliche Komik unerlässlich sei, denn „die Inszenierung von Humor erfordert Strenge, Kunstfertigkeit und Disziplin.“ Und Loriot schwärmte von der „wunderbaren Schauspielerin, der es immer gelang, die heiklen Seiten des Lebens durch Komik zu überwinden.“

Die berufliche Beziehung der beiden war so eng, dass man sie oft als Ehefrau von Loriot gehalten hat. Dabei war Evelyn Hamann von 1964 bis 1976 mit Hans Walter Braun verheiratet, den sie am Theater kennengelernt hatte. Nach ihrer Scheidung lebte sie mit ihren Katzen und zeitweilig mit ihrem späteren Lebensgefährten, dem Schauspieler Stefan Behrens (80), in einer Dachgeschosswohnung im Hamburger Nobelviertel Harvestehude. Am 28. Oktober 2007 starb sie an Lymphdrüsenkrebs, der zehn Monate vorher festgestellt worden war.

Nach ihrem Tod sagte Loriot, wie sehr er ihre Begabung vermisse, die Komik bestimmter Situationen besonders schnell zu erfassen. „Wenn sie das merkte, hatte sie ein Lachen, was ich von keinem anderen Menschen bis dahin gehört habe“, sagte er. Dieses Lachen könne er nie vergessen. Und das Publikum wohl auch nicht.

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