Quelle: BFA/Action Press
Leonardo DiCaprio wird am 11. November 50 Jahre alt. Dass er davon 42 ohne Oscar fristen musste, grenzt geradezu an einen Skandal.
Wäre es am 21. März 1994 nach dem Willen zahlreicher Filmkritiker gegangen, so dürfte sich Schauspieler Leonardo DiCaprio nun schon seit über 30 Jahren Oscarpreisträger nennen. Doch obwohl der Star, der am 11. November seinen 50. Geburtstag feiert, im Coming-of-Age-Drama „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“ eine unfassbare Leistung ablieferte, reichte es damals nicht: Tommy Lee Jones (78) schnappte dem damals 19-Jährigen den Academy Award in der Nebendarsteller-Kategorie für „Auf der Flucht“ vor der Nase weg. Und so begann DiCaprios lange währender Status als Hollywoods Goldjunge ohne Goldjunge.
Seine schwerste Rolle spielte er gleich zu Beginn
Bevor er in „Gilbert Grape“ an der Seite von Johnny Depp (61) seinen Durchbruch feierte, hatte DiCaprio seine Karriere im Horrorfilm „Critters 3 – Die Kuschelkiller kommen“ und der TV-Serie „Unser lautes Heim“ ins Rollen gebracht. Diffiziler hätte die Rolle, die ihm seine erste von bislang sechs Oscarnominierungen als Schauspieler einbringen sollte, nicht sein können: In der Romanverfilmung verkörpert er den geistig beeinträchtigten jüngeren Bruder der Titelfigur Gilbert Grape. Schnell hätte das zur beschämenden Farce verkommen können. Doch der junge DiCaprio bewies beeindruckendes Feingefühl in seiner Darbietung und liess zugleich anklingen: Da könnte der nächste Charaktermime der Traumfabrik auf uns warten.
Zwar verfestigte er diesen Eindruck umgehend mit dem Drogendrama „Jim Carroll – In den Strassen von New York“ (1995), bei den gängigen Preisverleihungen wurde die Verfilmung der Biografie des Schriftstellers und Musikers Jim Carroll (1949-2009) aber quasi gar nicht bedacht.
1997 folgte schliesslich die Rolle, die ihn endgültig zum Megastar reifen liess – jedoch auch für viele Jahre auf eine Weise definieren sollte, die ihm mitunter unangenehm war: Die Rede ist natürlich von James Camerons (70) „Titanic“, durch den er zum schmächtigen Schmachtobjekt aufgestiegen war. Manch böse Zunge würde sagen: degradiert wurde.
In dieser Phase seines Schaffens erhielt DiCaprio sogar die erste und bislang einzige Anti-Auszeichnung seiner Karriere – die aber sogleich in zweifacher Ausführung: In der Neuverfilmung von „Der Mann in der eisernen Maske“ wurde seine Doppelrolle als Zwillingsbrüder zur „Schlechtesten Filmpaarung“ mit der Goldenden Himbeere bedacht.
Nach der Karriere-Delle startete er wieder durch
Ob ihn dieser Dämpfer dazu motivierte, noch härter zu arbeiten? Vier Jahre nach „Der Mann in der eisernen Maske“ ging er jedenfalls eine bis heute fruchtbare Symbiose mit einem Star-Regisseur ein: In „Gangs of New York“ wirkte er erstmals in einem Martin-Scorsese-Film mit, bislang folgten fünf weitere gemeinsame Spielfilme. Der zweite davon, die Filmbiografie „Aviator“ über den Flugpionier Howard Hughes (1905-1976), verhalf ihm zu seiner zweiten Nominierung (die erste als Hauptdarsteller) für einen Academy Award. Doch 2005 hatte Jamie Foxx (56) etwas dagegen, der als Ray Charles (1930-2004) in „Ray“ an seiner Stelle ausgezeichnet wurde.
Im Grunde hätte DiCaprio 2007 sogar zwei Chancen auf einen Oscar verdient gehabt. Neben dem Drama „Blood Diamond“, für das er nominiert war, ging er für seine Hauptrolle in Scorseses „The Departed – Unter Feinden“ überraschend leer aus. Am Ende triumphierte Forest Whitaker (63) für „Der letzte König von Schottland“ und allmählich wurde bei DiCaprio von einem Oscar-Fluch gesprochen.
An starken Leinwand-Auftritten mangelte es daraufhin zwar nicht – es folgten unter anderem „Shutter Island“ (Scorsese), „Inception“ (Christopher Nolan, 54) und „Django Unchained“ (Quentin Tarantino, 61). Bis zu seiner nächsten Nominierung sollten aber dennoch sieben Jahre ins Land ziehen. Wieder war diese Scorsese und dessen Film „The Wolf of Wall Street“ zu verdanken. Und weil DiCaprio den Film auch mitproduziert hatte, war er dafür 2014 neben der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ auch bei „Bester Film“ in der Vergabe. Doch als Film wurde „12 Years a Slave“ gekürt – und als Hauptdarsteller Matthew McConaughey (55, „Dallas Buyers Club“).
Ein Oscar dank einer Konzessionsentscheidung?
Selbst der Academy schienen diese Snubs zunehmend unangenehm zu werden. Die Unkenrufe, dass im Jahr 2016 nur eine Konzessionsentscheidung für DiCaprios ersten Triumph bei den Oscars sorgte, waren jedoch nicht gerechtfertigt. Für Alejandro G. Iñárritus (61) „The Revenant: Der Rückkehrer“ war der Schauspieler an seine körperliche Grenze und darüber hinaus gegangen. Ja, es handelte sich bei der Rolle um sogenannte „Oscar-Bait“ in Reinkultur. Daran findet man in der Traumfabrik aber in der Regel nichts Verwerfliches.
Mit 42 Jahren war der Bann also endlich gebrochen und Leonardo DiCaprio in den illustren Kreis der Oscarpreisträger aufgestiegen. Doch auch in den vergangenen acht Jahren hat sich diesbezüglich wieder einiges getan: Zunächst hatte er 2020 die Chance auf einen weiteren Goldjungen für Tarantinos „Once Upon a Time… in Hollywood“. Den schnappte ihm aber Joaquin Phoenix (50) als „Joker“ weg. Und erst bei der diesjährigen Verleihung rieben sich viele seiner Fans verwundert die Augen, weil er es für seinen Part in „Killers of the Flower Moon“ noch nicht einmal auf die Nominierungsliste geschafft hatte.
Seit seinem Jubel vor acht Jahren hat er also schon wieder zwei Oscar-Enttäuschungen einstecken müssen. Vielleicht darf er aber schon bald auf den nächsten Anlauf hoffen: Einer der Filme in seiner Pipeline ist das biografische Drama „Roosevelt“, in dem DiCaprio den 26. Präsidenten der USA verkörpern wird. Auf dem Regiestuhl, wie könnte es anders sein, sitzt wieder einmal Martin Scorsese.