Heike Makatsch: Von „Me Too“ zur Meinungsdiktatur?

Heike Makatsch hat die grosse Sorge, dass sich die „Me Too“-Bewegung immer mehr in die verkehrte Richtung bewegt. Droht gar eine undifferenzierte Meinungsdiktatur?

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht unter dem mahnenden Begriff „Me Too“ ein neuer Fall, neue grausige Details, vermeintliche Opfer und vermeintliche Täter an die Öffentlichkeit kommen. Die deutsche Schauspielerin und Sängerin Heike Makatsch (46, „Die schönsten Kinderlieder“) blickt im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ durchaus sorgenvoll auf die aktuellen Entwicklungen. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass etwaige Verbrechen aufgeklärt und die Täter ihre gerechte Strafe erhalten. Sie warnt aber auch vor einer Vorverurteilung.

Sie fürchte, „dass gerade ein Klima entsteht, das fast so besorgniserregend ist wie das, was angeprangert wird.“ Dies habe sie bereits schon in ihrem Privatleben feststellen müssen: „Wenn ich mit Freundinnen spreche und sie ein Unverständnis über zum Beispiel den neuesten ‚Me Too‘-Skandal verlauten lassen, kommt jedes Mal der Zusatz: Das ist jetzt aber nur unter uns, das würde ich niemals laut sagen.“

Mit anderen Worten: Wer nicht bedingungslos für die eine Seite ist, muss zwangsläufig für die Gegenseite sein – Graustufen in diesem Schwarz-Weiss-Denken scheint nicht mehr erlaubt. „Es kommt mir so vor, dass gerade jeder differenzierte Gedanke zum Thema, der vielleicht auch mal eine Ambivalenz benennt oder sogar eine Lanze bricht für die Gegenseite, so an den Pranger gestellt wird, dass es fast schon etwas von einer Meinungsdiktatur hat“, so Makatsch.

Ein Gericht hat zu entscheiden

Dementsprechend will sie sich auch kein Urteil über den deutschen Filmemacher Dieter Wedel (76) erlauben, gegen den in den vergangenen Wochen Missbrauchsvorwürfe erhoben wurden. „Ihn anklagen oder entlasten, das sollte eine juristische Instanz tun.“ Es stehe ihr schlicht und ergreifend nicht zu, über Wedel zu richten. Persönlich kennengelernt hat sie den Filmemacher sogar – 2001 spielte sie in seinem Film „Die Affäre Semmeling“ mit.

In der Zwischenzeit hat der Sender ZDF das Ergebnis einer internen Untersuchung zu den Vorwürfen gegen Dieter Wedel bekanntgegeben. Es wurden demnach sämtliche ZDF-Produktionen überprüft, bei denen Wedel als Autor und/oder Regisseur tätig war, auch die involvierten Mitarbeiter wurden befragt. So sei man dabei auf „keine Hinweise zu möglichen sexuellen Übergriffen von Dieter Wedel“ gestossen. Und weiter: „Über die erhobenen Vorwürfe der Schauspielerinnen und der an der Produktion Beteiligten im Zusammenhang mit den Produktionen ‚Der grosse Bellheim‘, ‚Der Schattenmann‘ und ‚Die Affäre Semmeling‘ konnten zudem keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden.“

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