Tim Lobinger: Der Krebs ist zurück

Es ist eine Nachricht, die alles verändert: Der Krebs ist wieder da. Ein bewegendes Gespräch mit dem ehemaligen Leichtathletikstar Tim Lobinger.

Tim Lobinger (45), einst Pop-Star und Sonnyboy unter den deutschen Leichtathleten, erlebt die schwerste Zeit seines Lebens: Seine Krebserkrankung ist wieder zurückgekehrt. Der frühere Stabhochspringer von Weltklasse (Silber bei der EM 2006, Bronze bei der EM 2002 und der Hallen-WM 2006) sagte dem Magazin „stern“: „Nach dieser Nachricht war ich knapp eine Woche in einem Zustand, den man nicht allzu oft erleben sollte. Furchtbar. Eine grosse Leere war in mir, ein Loch. Trauer legte sich über die ganze Familie.“

„Ich habe viel geweint“

Bereits im März 2017 war bei dem Ausnahmesportler Leukämie festgestellt worden. Eine Diagnose wie „ein Schock. Ich habe viel geweint. Komischerweise konnte ich nachts gut schlafen. Am nächsten Tag bin ich aufgestanden, habe noch mal geweint, aber dann habe ich gesagt: Okay, ist jetzt so.“

Es folgte eine Behandlung, die an die körperliche und seelische Substanz des Patienten ging: fünf Chemotherapien, eine Stammzelltransplantation, Bestrahlungen. Ausserdem hatte Lobinger noch einen Tumor in der Schulter, „die Krebszellen hatten sich auch im Knochen angesiedelt und drohten ihn zu zerfressen.“

Die Nebenwirkungen der Therapien machten ihm schwer zu schaffen. Die Haare fielen aus, bis ich sie abrasierte. Mein Mund war so entzündet, dass ich kaum essen konnte. Dann die Schmerzen in der Schulter. Ich habe mehrere Wochen nur im Sitzen schlafen können, trotz stärkster Schmerztabletten… Mein Körper war bleiern müde, aber mein Kopf kam nicht zur Ruhe. Die Symmetrie aus Körper und Geist war aufgehoben.“

Neue Hoffnung

Die schlauchende Behandlung schien anzuschlagen, denn die Haare wuchsen wieder und Tim Lobinger, der im vergangenen Jahr nur noch 71 Kilo bei einer Körpergrösse von 1,93 Meter wog, konnte sogar wieder trainieren.

Dann im Januar der nächste Tiefschlag: Der Krebs ist wieder zurück, aber: „Die zwei Krebszellenarten, die vergangenes Jahr erkannt wurden und vernichtet werden konnten, sind nicht mehr nachgewiesen worden. Dafür ist eine leicht mutierte Form zurückgekehrt. Die Blutwerte sind erst einmal nicht schlechter geworden. Zumindest bis heute nicht.“

Tim Lobinger hat den Kampf gegen die Krankheit erneut aufgenommen. „Mithilfe meines Stammzellenspenders werden mir aktuell dessen Lymphzellen infiltriert. Wie ein Booster für das Immunsystem soll das wirken. Die Ärzte wollen, dass es die alten Tim Lobinger-Krebszellen noch einmal jagt, die die Chemos und die Stammzelltransplantation nicht ganz ausradieren konnten.“

„Ein bis zwei Jahre gewonnen“

Auch diese Therapie hat massive Nebenwirkungen. Schlimme Hautreaktionen, hohes Fieber, Durchfall. „Die Schuhgrösse geht manchmal von 43 auf 47 hoch, wegen der geschwollenen Füsse. Entscheidender ist für mich aber, dass der Arzt gesagt hat: Jetzt haben wir wieder ein bis zwei Jahre gewonnen, um zu sehen, was es an neuen medizinischen Therapieoptionen gibt. Das hört sich anders an, als Woche für Woche zu bangen.“

In dem bewegenden „stern“-Gespräch, bei dem er mehrmals in Tränen ausbricht, spricht Tim Lobinger auch über seine Kinder. Er hat drei: Tochter Fee (23) und Sohn Tyger (19) aus seiner Ehe mit der Dreispringerin Petra Laux (1994-2003) und Sohn Okkert (2) aus seiner zweiten Ehe mit der Fernsehmoderatorin Alina Baumann (Hochzeit 2011).

„Auch wenn ich mir sage: Du hattest ein Leben, einen Grad an Zufriedenheit erreicht, du kannst loslassen – was ein langer Prozess war mit vielen Tränen -, aber das Leid, das man hinterlässt, das ist brutal… Da schreit es dann schon eher mal Ungerechtigkeit aus meinem Bauch heraus. Warum müssen meine Kinder diese Scheisse miterleben? Warum meine Partnerin Alina? Warum die ganze Familie? Es reicht ja schon, dass ich die Krankheit habe.“

Die Ehe mit Alina ist in die Brüche gegangen, was jedoch nicht an Lobingers Krankheit liegt. „Nach 15 Jahren Beziehung sind genügend Dinge passiert, die leider dazu geführt haben, dass wir bereits vor der Diagnose kein Paar mehr waren. Es ehrt Alina sehr, dass sie trotzdem ihre ganze Kraft mobilisiert hat und für mich immer da war… Sie macht die Maloche. Die schwierige emotionale Arbeit, sie ist das Auffangbecken. Das ist Schwerstarbeit.“ Er trage immer noch den Ehering als „ein Zeichen von Dankbarkeit und Anerkennung.“

Er möchte die nächsten Jahre seiner Kinder „nicht verpassen. Ich will bei den Menschen sein, die mir viel bedeuten und mir täglich geholfen haben, und etwas zurückgeben. Man wird genügsam. Ich möchte lieber beruflich noch etwas bewegen, um meinen Kindern etwas zu hinterlassen. Etwas, das sie weiterführen können.“

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