Aretha Franklin: Ein Geschenk des Himmels

Aretha Franklin war so viel mehr als „nur“ eine Sängerin. Sie war die „Queen of Soul“. Und sie ist ein Vorbild für andere Vorbilder – wie etwa Mary J. Blige.

„Man weiss, wenn etwas vom Himmel gesandt ist. Man weiss, wenn Gott seine Hand im Spiel hatte. Und Aretha ist ein Geschenk Gottes.“ Worte, wie in Stein gemeisselt? Man neigt meist zur Überschwänglichkeit, wenn von grossen Sängerinnen die Rede ist und dann das Göttliche mit ins Spiel kommt. Doch was die ebenfalls grosse Sängerin Mary J. Blige (47) in der Musik-Bibel „Rolling Stone“ über ihre verstorbene Kollegin Aretha Franklin (1942-2018) geschrieben hat, ist mehr als eine gefühlte Wahrheit. Blige spricht aus, was viele Millionen Menschen, die nun um Aretha Franklin trauern, für diese grandiose Künstlerin empfinden.

„First Lady of Soul“ hat man sie genannt, noch öfter: „Queen of Soul“. Und tatsächlich hatte sie bei ihren Auftritten etwas Königliches. Ihre prägnante Stimme, die würdevolle Gestik und ihre Songs, die Millionen Frauen aus der Seele sprachen, vermittelten das untrügliche Gefühl: Es gibt nur diese eine – die unerreichbare Nr. 1.

Ein Vorbild für Vorbilder

„Wenn es darum geht, sich mit jeder Faser in einen Song einzubringen, kann ihr niemand das Wasser reichen“, schreibt Mary J. Blige weiter. „Sie ist der Grund, warum Frauen singen wollen. Aretha hat alles – die Kraft, die Technik. Sie ist ehrlich in allem, was sie sagt. Alles was sie denkt oder tut, ist in ihrer Musik zu finden, von ‚Chain Of Fools‘ bis ‚Respect‘ und ihren Live-Auftritten. Und sie zweifelt keine Sekunde an sich.“

Aretha Franklin hat andere berühmte Weltstars der Musik wie Whitney Houston, Alicia Keys, Aaron Neville, Annie Lennox und eben Mary F. Blige inspiriert und geprägt. Die Songs „You Make Me Feel Like A Natural Woman,“ „Respect,“ „I Never Loved A Man (The Way I Love You),“ „Think“ und Chain Of Fools“ sind bereits Musikgeschichte.

18 Mal wurde sie mit dem Grammy, dem wichtigsten amerikanischen Musikpreis, ausgezeichnet. Damit gehört sie zu den Interpreten mit den meist verkauften Tonträgern (über 75 Millionen) weltweit. 1987 wurde sie als erste Frau in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen, 2005 bekam die vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush (72) die Freiheitsmedaille verliehen. Fünf Jahre später kürte sie das Musik-Magazin „Rolling Stone“ zur besten Sängerin aller Zeiten.

Sie konnte alles singen. Jazz, R&B, Pop und natürlich auch Soul, ihre Parade-Disziplin. Aber es ging noch so viel mehr: Sie sang wundervolle Weihnachtslieder oder 2009 bei der Amtseinführung von Präsident Barack Obama (57) vor fast zwei Millionen Menschen. Und 1998 sprang sie für den legendären Tenor Luciano Pavarotti (1935-2007) ein und sang völlig ungewöhnlich die berühmte Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper „Turandot“.

Mit Respekt zum Star

Ihre wahre Heimat war jedoch die amerikanische Kirchenmusik. Sie war schon eine Gospelgrösse, bevor sie den ersten weltlichen Hit hatte. Protegiert vom Pastorenvater Clarence LaVaughn Franklin, der nach Arethas Geburt in Memphis/Tennessee eine Stelle als Baptistenprediger in Detroit/Michigan antrat, und ihren musikalischen Ziehvater Reverend James Cleveland, sang sie schon als Kind in der New Bethel Baptist Church, bisweilen mit bekannten Musikern wie Mahalia Jackson, Sam Coode, Clara Ward und den Ward Sisters. Mit 14 erschien ihr erstes Gospel-Album, mit 18 nahm sie die erste Pop-Platte auf – danach wurde sie Clubsängerin.

Wer weiss, wie ihr Leben – und die amerikanische Musikkultur -verlaufen wäre, ohne jenen Song, den der „King of Soul“ Otis Redding (1941-1967) geschrieben hat: 1967 nahm sie dessen Werk „Respect“ auf. Bei dem Lied geht es um eine Frau, die Sozialhilfe bezieht und sie ihrem Mann überlässt, wenn er nach Hause kommt. Alles, was sie erwartet, ist ein wenig Respekt.

Der Song geht nicht nur um die Welt. Er wird zur Hymne für Toleranz und Gleichberechtigung – und die Sängerin „zur Ikone der schwarzen Bürgerrechtler“ („Bild“) und der amerikanischen Frauenbewegung. „Ein Manifest des schwarzen Befreiungskampfes“ urteilt die „Zeit“. „Respect“ macht Aretha Franklin endgültig zum Weltstar.

Gerüchte kommen auf

Die zauberhafte Gospel-Elfe hatte sich in der Folgezeit sehr verändert, doch nur körperlich. Die ehemals so zierliche Frau hatte stark an Gewicht zugenommen. Diese äusserliche Behäbigkeit stand jedoch im krassen Gegensatz zu Arethas hellwachem Geist und der einmaligen Lebendigkeit ihrer Stimme. 2015 sah man sie noch unverändert bei den Kennedy Center Honors auf der Bühne, wenig später nahm das Publikum bei einem Konzert in Philadelphia eine andere Aretha Franklin wahr: das Gewicht fast halbiert, die kurzen Haare in eine lange Mähne verwandelt.

Immer wieder tauchten Gerüchte einer Darmkrebserkrankung auf, zu denen sich Aretha jedoch nie richtig äusserte, doch jetzt wurde klar: Sie litt seit 2010 tatsächlich an Krebs. An der gleichen Krankheit war ihr Freund Luciano Pavarotti 2007 gestorben. Acht Jahre hat die Mutter von vier Kindern (zwei Ehen) dagegen angekämpft. Angehörige und Freunde wachten bis zuletzt an ihrem Krankenbett. Die Familie bat die Fans um Gebete. Für die grosse Sängerin.

Zu einem geplanten Album mit Stevie Wonder (68) ist es nicht mehr gekommen. Vergangenes Jahr, als irrtümlich ihr Tod gemeldet wurde, erschien mit „A Brand New Me“ ihre letzte Aufnahme, danach verkündete die todkranke Frau ihren Ruhestand mit bemerkenswerten Worten: ,“Ich fühle mich sehr, sehr glücklich mit dem, was ich in meiner Karriere erreicht hatte, und mit dem, wo ich jetzt stehe.“

Mary F. Bliges erinnert sich an eine Zusammenarbeit mit Aretha Franklin vor über 20 Jahren: „Als wir ‚Don’t Waste Your Time‘ für mein Album ‚Mary‘ aufnahmen, marschierte sie einfach rein und verputzte die Platte wie Pac-Man. Sie konnte eine Gospel-Phrase singen, und es wurde etwas Spacig-Jazziges draus, das ich noch nie gehört hatte: Wo kam das denn jetzt her? Wo hat sie denn den Ton gefunden? Es ist wunderbar, so etwas zu erleben, weil es Menschen hilft, die nicht so recht an ihr Talent glauben mögen, so wie ich. Ich schaue sie an und denke: Davon brauche ich auch ein Stück. Was immer es ist.“

Kann sein, dass sie Arethas Unsterblichkeit gesehen hat.

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