Jackson und die Vorwürfe: Eine Never-Ending-Story?

In „Leaving Neverland“ wird die Geschichte um den angeblichen Kindesmissbrauch von Michael Jackson neu erzählt – mit neuen Aussagen und neuen vermeintlichen Opfern. Doch so ganz neu sind die Vorwürfe nicht…

Michael Jackson (1958-2009) und der angebliche Kindesmissbrauch. Wie ein Damoklesschwert schwebten die schweren Vorwürfe über weite Teile seiner erfolgreichen Karriere. Obwohl die Gerüchte, Anklagen und Ermittlungsverfahren tiefe Schrammen am Image des Künstlers hinterliessen, blieb Michael Jackson bis zuletzt von Millionen Fans auf der ganzen Welt geliebt – und bis zu seinem Tode auch offiziell unschuldig.

In der skandalträchtigen Dokumentation „Leaving Neverland“, die am Samstag, den 6. April ab 20:15 Uhr auf ProSieben zum ersten Mal in den deutschsprachigen Ländern ausgestrahlt wird, werden alte Vorwürfe mit neuen Details und Aussagen von vermeintlichen Opfern angereichert, um angeblich neue Beweise zu liefern, dass Michael Jackson zahlreiche Kinder missbraucht haben soll. Doch ist daran wirklich etwas neu?

Erste Vorwürfe tauchten 1993 auf

Die ersten Anschuldigungen in diese Richtung haben bereits ein paar Jahre auf dem Buckel: Los ging alles im August 1993, als erste Vorwürfe gegen Michael Jackson laut wurden. Evan Chandler, Vater des Michael-Jackson-Freundes Jordan, erhob damals öffentlich Anklage, sein minderjähriger Sohn sei von Jackson sexuell missbraucht worden.

Nach ersten Ermittlungen der Polizei, die allerdings keine Beweise finden konnte, einigten sich die beiden Parteien auf eine Zahlung von angeblich rund 22 Millionen US-Dollar an Chandler. Die Versicherung von Michael Jackson wollte offenbar einem langwierigen Prozess aus dem Weg gehen, der zu weitaus höheren Verlusten hätte führen können, hiess es damals. Ausserdem sollte ein schwerer Image-Schaden abgewendet werden.

Chandler verzichtete aufgrund der Zahlungen auf die Erhebung einer Klage, die damals für einen Prozess in Kalifornien noch notwendig gewesen wäre. Somit hatte diese Geschichte zunächst kein juristisches Nachspiel und wurde zum damaligen Zeitpunkt nie verhandelt. Evan Chandlers Anwalt erklärte öffentlich, dass sich Michael Jackson und auch sonst „niemand Schweigen erkauft habe“.

Ausserdem hiess es in der aussergerichtlichen Einigung, dass die Zahlung keinerlei Schuldeingeständnis sei. Es wurde ausdrücklich festgehalten, dass Jackson kein Fehlverhalten begangen habe. Man wolle die Sache einfach nur vom Tisch haben.

Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte, Evan Chandler habe aus reiner Geldgier gehandelt. Tonbandaufzeichnungen, die Jahre später an die Öffentlichkeit kamen, untermauerten die Theorie. Jordan Chandler lebt heute unter einem Decknamen zurückgezogen in der Nähe von New York City. Nach dem Selbstmord seines Vaters im Jahre 2009 habe er laut Jermaine Jackson, dem Bruder von Michael, die Vorwürfe fernab der Öffentlichkeit zurückgenommen.

Ausserdem erwiesen sich seine detailreichen Beschreibungen des Genitals von Michael Jackson als nachweislich falsch. Bis heute konnte nie abschliessend geklärt werden, inwieweit die Anschuldigungen Realität oder nur die Erfindung eines raffgierigen Vaters waren. Michael Jackson beteuerte jedoch Zeit seines Lebens seine Unschuld. Er habe Evan niemals unsittlich berührt.

Anklage im Jahr 2003

Nachdem die Gerüchteküche um Jackson auch in den folgenden Jahren weiter brodelte, kam es erst im Jahr 2003 zu neuen, handfesten Aussagen. In der TV-Doku „Living with Michael Jackson“ erzählte ein krebskranker Junge, dass er durch Jackson geheilt wurde und er immer bei ihm schlafe – zwar nicht im selben Bett, aber im selben Zimmer.

Ein Skandal! Ein Staatsanwalt erhob daraufhin Anklage gegen Jackson. Die Familie des Jungen stritt jedoch zunächst vehement ab – ebenso wie natürlich Jackson selbst -, dass es zu Übergriffen gekommen sei. Im Gegenteil: In einem Interview sprachen sie sogar davon, Michael sei der netteste Mensch, den sie jemals kennengelernt hätten.

Erst später drehte sich der Wind. Die Arvizos, so der Name der Familie, wandten sich zufälligerweise an den gleichen Anwalt wie zuvor schon Chandler und behaupteten nun, dass es doch zu Missbrauch gekommen sei. In einem spektakulären Prozess im Jahr 2005 verstrickten sie sich jedoch in zahlreichen widersprüchlichen Aussagen. Ausserdem kam heraus, dass man bereits in einem anderen Prozess 145’000 US-Dollar erschlich, weil man unter Eid falsch aussagte.

Auch Promis wie Macaulay Culkin (38) sagten damals in dem Prozess für Jackson aus, in dem im Übrigen auch die Vorwürfe aus dem Jahr 1993 mitverhandelt wurden, obwohl Chandler die Aussage verweigerte. Am 13. Juni 2005 wurde Jackson allerdings in sämtlichen Anklagepunkten von den Geschworenen einstimmig freigesprochen. Der Richter sagte damals, dass Jacko „vollständig rehabilitiert sei“. Es blieb kein Restzweifel übrig, dass Michael Jackson nicht doch schuldig gewesen sein könnte.

„Sie sind ein freier Mann“, wandte sich der Richter bei der Urteilsverkündung damals an Jackson, „diese Worte werden von nun an bestimmt zu vielen Anlässen zitiert und wiederholt werden, Worte für die Ewigkeit“. Wohl wahr. Die klagende Familie Arvizo lebt heute völlig zurückgezogen in der Nähe von Los Angeles. Kurzzeitig machte sie aufgrund einer Verurteilung wegen Sozialhilfebetrugs von sich reden.

Neue Vorwürfe in „Leaving Neverland“

Jetzt – also rund 15 Jahre nach dem Freispruch und zehn Jahre nach dem Tod der Pop-Ikone – sind die Vorwürfe allerdings wieder aktueller denn je. In der Dokumentation „Leaving Neverland“ kommen vor allem Wade Robson und James Safechuck zu Wort, die behaupten, dass Jackson sie jahrelang sexuell missbraucht habe. Die Aussagen sind jedoch äusserst umstritten. Robson zum Beispiel sagte in dem 2005er-Prozess unter Eid sogar für Jackson aus.

Auch dem Macher der Doku, Dan Reed, wurde von Seiten der Hinterbliebenen vorgeworfen, aus reiner Geldgier und Sensationslust zu handeln. Abschliessend aufgeklärt werden die Vorwürfe gegen Michael Jackson wohl nie, ein Medien-Spektakel bleiben sie jedoch weiterhin.

Sein Verhalten gegenüber Kindern, mit denen er sich sehr oft zeigte, zu sich einlud und die bei ihm übernachteten, bleibt natürlich äusserst skurril und lässt sämtliche Alarmglocken schrillen. Ob sich daraus jedoch auch strafbares Verhalten von Michael Jackson entwickelte, bleibt wohl für immer ungeklärt und reine Spekulation.

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