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Tochter mit Angelman-Syndrom: So ging es André Dietz nach der Diagnose

TV-Star André Dietz und seine Frau Shari berichten in „Alles Liebe“ über das Leben mit einem behinderten Kind. Im Interview erzählen sie, wie sie die Diagnose erlebt haben.

„Alles was zählt“-Star André Dietz (43) und seine Frau Shari (32) haben vier Kinder. Nach jahrelanger Ärzteodyssee wurde bei ihrem zweiten Kind das seltene Angelman-Syndrom diagnostiziert. In ihrem Buch „Alles Liebe: Familienleben mit einem Gendefekt“ (Edel Books) sprechen sie über die Behinderung ihrer Tochter, die unter Schlafproblemen und schweren epileptischen Anfällen leidet. Sie haben aufgeschrieben, wie schlecht es ihnen zwischenzeitlich ergangen war, und auch, wie sie es geschafft haben, wieder glücklich zu werden. Im Interview verraten die beiden, wie sie den Moment der Diagnose erlebt haben.

Sie schreiben in „Alles Liebe“ über Ihren Familienalltag. Wie kam es zu Ihrem Buch-Projekt?

Shari Dietz: Wir sind auf Social Media sehr aktiv, ich schreibe zudem einen Blog. Sehr viele Leute haben uns daraufhin gefragt, ob wir nicht mal ein Buch veröffentlichen wollen.

André Dietz: Mit unserem ersten Blog-Eintrag sind wir mit der Diagnose von Mari an die Öffentlichkeit gegangen. Wir wollten den Leuten zeigen, dass es einen positiven Umgang damit geben und man wieder auf die Beine kommen kann – so wie wir das auch geschafft haben. Der Beitrag war ein grosser Erfolg, sehr viele Menschen haben das gelesen. Die Idee mit dem Buch stand bereits länger im Raum – und dann haben wir das umgesetzt.

Shari, Sie haben vier Kinder, Hund und Haus. Was lieben Sie am meisten an Ihrem Alltag?

Shari Dietz: Ich wollte wirklich schon immer Kinder haben und bin selbst mit einer Mutter aufgewachsen, die zuhause war. Das hat mir sehr viel gegeben. Der Gedanke, daheim mein eigener Chef zu sein, war für mich sehr verlockend. Wir haben dann vier Kinder in fünf Jahren bekommen – und es macht mir wahnsinnig viel Spass. Diese bedingungslose Liebe, die man von Kindern erfährt, ist etwas Grossartiges und gibt uns sehr viel. Ich lebe meinen Traum!

Ihr erstes Kind kam mit einer Analatresie zur Welt. Mari hat das Angelman-Syndrom. Sind Sie dadurch ängstlich geworden in den weiteren Schwangerschaften?

André Dietz: Wir haben abklären lassen, ob unsere genetische Kombination so schlecht ist. Dem ist nicht so, es war wirklich reiner Zufall. Die Analatresie und der Gendefekt haben nichts miteinander zu tun. Rein rechnerisch hätte es sein können, dass noch ein Kind eine Analatresie bekommt. Es hätte nicht passieren können, dass noch ein Kind mit Angelman zur Welt kommt. Bei Mari gab es eine Deletion, das heisst, es ist ein Stück abgebrochen bei der Zellteilung im Körper. Der Zufall ist bei uns allerdings so gross mit diesen beiden seltenen Erkrankungen, dass wir am Ende gesagt haben: Wir nehmen, was kommt!

Shari Dietz: Bei den ersten beiden Schwangerschaften war ich sehr jung. Ich habe gemacht, was die Frauenärztin empfohlen hat. Alle Tests waren unauffällig. Diese ganzen Untersuchungen haben am Ende also nichts über das Kind sagen können. Die Pränataldiagnostik ist da oft irreführend. Bei den anderen beiden Schwangerschaften haben wir dann fast gar nichts mehr machen lassen.

Gab es nach Maris Diagnose Momente, in denen Sie sich gefragt haben: Warum wir?

Shari Dietz: Bei mir sehr oft, ich habe mich das immer wieder gefragt. Wir sind als Paar so glücklich und bei mir kamen dann Gedanken auf wie: Kann es das nicht geben, dass wir einfach nur glücklich sind? Muss immer etwas sein, das doof läuft? Am Ende hatte André aber einfach eine gute Antwort.

André Dietz: Ich habe meine Antwort nicht in der Religion oder in Gesundheitsthesen gefunden. Die Dinge sind so, wie sie sind. Was wir geschafft haben, ist, unser Glück wieder zu formen. Demut haben wir bereits bei unserem erstgeborenen Sohn gelernt, der vier Monate auf der Intensivstation lag. Da haben wir gesehen, was andere Familien zu tragen haben. Viele Elternpaare trennen sich, weil sie den Druck nicht aushalten mit einem behinderten Kind. Wir haben das hingekriegt, wir nehmen die Probleme, wie sie kommen.

In Ihrem Buch heisst es über Maris Gendefekt: „Shari vergleicht den Moment der Diagnose oft mit der Nachricht vom Tod eines nahestehenden Menschen. Ich habe lange gesagt, dass man das nicht vergleichen kann. Aber sie hat recht.“ Was bedeutet das?

André Dietz: Man verabschiedet sich von einem Leben, das man sich erträumt hat. Deswegen kann man das so ein bisschen gleichsetzen, auch wenn es sich eigenartig anhört. In dem Moment der Diagnose wirkte es so, weil wir nicht damit gerechnet haben. Wir haben zwar damit gerechnet, dass da was ist, aber nicht, dass es so krass ist. Zu dem Zeitpunkt wussten wir auch nicht, was wir heute wissen: dass sie laufen lernt, dass sie toll kommunizieren kann, wie fröhlich sie ist und wie sie unser Leben bereichert.

Shari Dietz: Dieses Vorhersehbare war mit der Diagnose weg. Irgendwann sind drei unserer Kinder aus dem Haus. Mari wird in diesem Sinne nicht gross. Wir haben für den Rest unseres Lebens ein zweijähriges Kind. Das ist sehr endgültig. Man muss sich von einem Lebensentwurf trennen und für mich war das damals vergleichbar mit diesem endgültigen Abschied. Aber Mari ist da und wir sind sehr glücklich.

Sie erzählen im Buch von einer Begegnung mit einer Nachbarin, die gefragt hat, ob es sich nicht um einen Impfschaden handeln könne. Gibt es Kommentare, die Sie wütend machen?

Shari Dietz: Am Anfang meinten einige Menschen aus unserem Umfeld, wir sollten mal abwarten, vielleicht werde das alles gar nicht so… Wir hatten aber eine Diagnose und wussten, was Mari kann und was nicht. Das sagen die Leute aber nicht, weil sie uns was Böses wollen, sondern weil sie uns Mut machen wollen. Darüber waren wir nicht sauer. Ein User hat bezüglich des Buchs aber gerade geschrieben, wir würden auf Kosten unseres kranken Kindes Profit machen. Das hat uns schon wütend gemacht.

André Dietz: Es gibt auch viele Scharlatane und das hat uns anfangs aufgeregt. Auf Facebook und Instagram versuchen wir aber zu diskutieren und klarzumachen, dass es kein Impfschaden ist und meiner Tochter nicht mit Gravitationswellen geholfen werden kann.

Es gibt nur wenige Ärzte, die sich mit dem Angelman-Syndrom auskennen. Wie wichtig ist der Kontakt zu anderen betroffenen Eltern?

Shari Dietz: Sehr wichtig! 99 Prozent unseres Wissens, gerade was die Medikamente angeht, haben wir von anderen Eltern oder dem Angelman-Verein. Ich empfehle auch jedem, der so eine Diagnose hat, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen. Die wissen zum Beispiel, welche Ärzte sich auskennen – das ist wahnsinnig bedeutsam. Wir pflegen bisher aber nur den Austausch mit den Eltern. Ich habe noch etwas Panik davor, mich mit anderen Angelman-Kindern auseinanderzusetzen.

Shari, wie kommen Sie bei Maris Pflege klar, wenn Ihr Ehemann arbeiten ist?

Shari Dietz: Theoretisch würde ich alleine klarkommen, wenn ich nicht noch drei andere Kinder hätte. Wenn André nachmittags arbeitet, ist immer noch jemand bei mir. Mari schlägt beispielsweise beim Wickeln mit den Beinen, sie hat unglaublich starke Muskeln. Sie ist jetzt fünf Jahre alt, ihr Bruder ist zwei Jahre älter, und sie ist so gross wie er und hat sicher mehr Kraft. Mit Hilfe ist es da auf jeden Fall einfacher. Mari ist zudem sehr schnell, da ist es schwierig hinterherzukommen – vor allem wenn noch die zweijährige Schwester an der Strasse steht. Ich habe darüber hinaus einen grossen Anspruch an unser Zuhause, was Sauberkeit angeht. Allein ist das nicht realisierbar. Aber in Deutschland wird einem Hilfe ermöglicht.

André Dietz: Als Shari schwanger war und Mari noch nicht laufen konnte, haben wir lange auf den Reha-Buggy warten müssen. Diese Zeit war sehr hart. Ich hatte wirklich Probleme, arbeiten zu fahren.

Machen Sie sich Gedanken darüber, wie es wird, wenn Mari erwachsen ist?

Shari Dietz: Als wir die Diagnose hatten, habe ich immer gesagt: Ich gebe das Kind nie ab, das würde ich ihr niemals antun. Heute denke ich, dass es für sie sehr wichtig ist, irgendwann auszuziehen. Ich glaube, dass sie irgendwann selbstständig sein möchte. Wir überlegen, eine Initiative ins Leben zu rufen oder eine Stiftung zu gründen. Vielleicht werden wir in der Nachbarschaft ein Grundstück kaufen, ein Haus darauf bauen und eine Behinderten-WG daraus machen. Wir haben einige schöne Ideen und es gibt unglaublich viele Möglichkeiten.

Wie halten Sie mit vier Kindern Ihre Beziehung frisch?

André Dietz: Bei uns funktioniert das durch unfassbare Offenheit und dadurch, dass wir in jeder Situation ein Team sind.

Shari Dietz: Und wir nehmen uns bewusst Zeit füreinander. Wir wissen, unsere Familie kann nur funktionieren, wenn wir als Paar funktionieren. Und das klappt nur, wenn wir Zeit haben, miteinander zu reden und uns auszutauschen.

Über eine Phase, in der Mari viele epileptische Anfälle hatte, haben Sie auch sehr offen geredet – und es aufgeschrieben. Einer Ihrer Gedanken lautete: „Wäre es besser, ein Anfall würde sie mitnehmen?“

Shari Dietz: Das haben wir inzwischen aufgearbeitet – indem wir diesen Gedanken offen geäussert haben. Wir haben uns damit auseinandergesetzt. Nachdem ich das ausgesprochen hatte, habe ich darüber nachgedacht, was das heissen würde. Dabei hat mich am meisten bewegt, was es für Maris Geschwister bedeuten würde. Wie erkläre ich ihrem Bruder, wenn sie nicht mehr da wäre? Das hat mich sehr mitgenommen und dadurch ist uns nochmal bewusst geworden, wie wichtig sie für uns und die Familie ist.

André Dietz: Ich kann immer noch verstehen, warum wir das in dieser Situation gesagt haben. Wir haben das aufgeschrieben, weil wir zeigen wollen, dass diese Gedanken kommen. Die gibt es in jedem. Und es ist ganz wichtig, das auszusprechen. Shari war die Mutigere von uns beiden und hat das getan. Und obwohl ich es auch gedacht habe, habe ich sie und mich das erste Mal belogen und ihr an den Kopf geworfen: „Wie kannst du so etwas sagen?“ Aber diese Wahrheit musste raus. Alleine wird man mit diesen Gedanken einfach verrückt. Denn es ist ganz klar: Es wäre die Hölle auf Erden gewesen, wenn Mari wirklich etwas zugestossen wäre. Sie bereichert alles ungemein – genau wie alle unsere Kinder. Wir wollen sie auch nicht in den Vordergrund rücken: Alle sollen gleich sein.

Wie ist es derzeit mit der Epilepsie?

Shari Dietz: Wir hatten eine lange Phase ohne Anfälle, dann von August bis Oktober im letzten Jahr eine sehr schlimme Zeit. Jetzt ist sie gerade wieder gut eingestellt. Wie lange das hält, wissen wir leider nicht. Nach dieser harten Phase haben wir nun einfach auch wieder Zeit zum Durchatmen.

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