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Wie Charles Manson zum „Teufel von Hollywood“ wurde

Der „Teufel von Hollywood“ ist tot. Charles Manson ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Ein Blick zurück auf das Leben eines Rassenfanatikers.

Graue Haare, wild wuchernder Bart, eingefallene Augen, wächserne Gesichtshaut. Eigentlich ein erbarmungswürdiges Bild – wäre da nicht das Hakenkreuz, das sich der Mann vor Jahrzehnten auf die Stirn oberhalb der Nasenwurzel geritzt hatte.

Das Gesicht gehörte einem der grausamsten Verbrecher der amerikanischen Kriminalgeschichte. Der mit 83 Jahren am Sonntagabend verstorbene Charles Manson war verantwortlich für das Gemetzel an Hollywood-Star Sharon Tate (1943-1969), der hochschwangeren Ehefrau von Regisseur Roman Polanski (84), und zwei ihrer besten Freunde.

Manson hatte sich nicht selbst die Hände blutig gemacht. Er hatte seine ihm hündisch ergebenen Killer losgeschickt und wurde für insgesamt sieben Morde verurteilt. Er sass über 47 Jahren hinter Gittern bis zu seinem Tod.

Der „Teufel von Hollywood“ war eine klassische Horror-Figur, die seit Jahrzehnten Autoren und Filmemacher beschäftigt. Ein wirrer Rassenfanatiker, der mit absurden Theorien seine „Jünger“ zu nur schwer begreifbaren Bluttaten anstiftete und sich wie einen finsteren Messias feiern liess.

Alles beginnt mit der Karriere eines Kleinkriminellen

Mit 16 kommt er zum ersten Mal wegen Diebstahl, Scheckkartenbetrug und Zuhälterei in Haft. Nach seiner Entlassung (auf Bewährung) 1954 heiratet er eine Kellnerin, wird Vater eines Sohnes – und klaut weiter. Die Bewährung wird wiederrufen, erneut Knast, diesmal bis 1958.

Im Anschluss betätigt sich Manson als Zuhälter – bis der Vater einer Frau, die er geschwängert hatte, sich an die Bewährungshelfer wendet: Am 23. Juni 1960 wird Manson wegen Verstosses gegen Bewährungsauflagen sowie Förderung der Prostitution und Scheckbetruges zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt – und am 21. März 1967 mit 35 Dollar Handgeld auf Bewährung entlassen. Hätte er seine Strafe absitzen müssen, könnte Sharon Tate heute noch leben…

So aber geht Manson als Strassenmusiker nach San Francisco, dem Mekka junger Leute, die gegen die Welt der Erwachsenen rebellieren und sich ihren Träumen hingeben. Er gründet eine Art Hippie-Kommune, die Gruppe besteht überwiegend aus jungen Frauen und nennt sich „Manson Family“. Alle bekommen Spitznamen, Manson heisst Charly.

Frauen als Dienerinnen des Mannes

Er ist der unumstrittene Anführer. Ein nur 1,57 Meter hoher Gnom mit wildem Bart- und Haarwuchs und einem stechenden Blick, mit dem er seine Schützlinge bis ins Mark verunsichert. Ein Hippie ist dieser Mann keineswegs, mit Flower Power hat er nichts im Sinn. Vielmehr propagiert er eine krude Denkweise: Nur Weisse sind als Familienmitglieder erwünscht. Und obwohl er verkündet, dass Frauen keine Seelen hätten und lediglich als Dienerinnen des Mannes eine Daseinsberechtigung besässen, sind es besonders junge Mädchen, die kommen und mit Drogen zum Gruppensex gefügig gemacht werden. Teilweise ist der Andrang so gross, dass Manson per Los entscheidet, wer bleiben darf oder zu gehen hat.

Manson hat diesen Zulauf nicht zuletzt seinem musikalischen Talent zu verdanken. Er spielt ziemlich gut Gitarre, singt eigene Songs. Man schart sich um ihn. Da will es der Zufall, dass zwei seiner Jüngerinnen per Anhalter unterwegs sind und von Dennis Wilson mitgenommen werden. Wilson ist weltberühmt, er ist Mitglied der Beach Boys, eine der bekanntesten Bands der damaligen Zeit.

Die Mädchen machen Wilson mit Manson bekannt, es entwickelt sich eine Freundschaft auf Basis der Musik. Die beiden musizieren zusammen, rauchen Marihuana, schreiben neue Songs. Mansons Lied „Cease to Exist“ schaffte es 1969 sogar unter dem Titel „Never Learn Not to Love“ als B-Seite auf eine Beach-Boys-Single.

Die Manson Family als dreiste Gäste

Die Manson Family zieht in die Wilson-Villa am Sunset Boulevard 14400 in Los Angeles. Es sind dreiste Gäste, die sich da einquartiert haben. Ungeniert bedienen sie sich der Garderobe und vor allem der Kreditkarte des Gastgebers, sie klauen seine Klamotten und zehn Goldene Schallplatten, die sie verhökern. Später schätzt Dennis Wilson, dass ihn die Mansons Family locker 100.000 Dollar gekostet hat.

Manson wird immer besitzergreifender. Er bedroht Wilson mit dem Messer und droht, dessen Sohn Scott zu entführen. Das geht soweit, dass der Villenbesitzer aus seinem eigenen Haus flieht – und die Manson Family schliesslich auch die Lust verliert und weiter zieht.

Drogen und Gruppensex waren Pflicht

Man findet Mitte 1968 auf der Spahn Ranch eine neue Bleibe. Es handelt sich um ein legendäres Filmgelände bei Los Angeles, auf dem unzählige Western und Serien wie „Bonanza“ gedreht wurden. Hier macht sich nun Manson als gewalttätiger Guru breit, der seine Familie wie ein Despot führt. „Negermusik“ wie die von Jimi Hendrix, dem grossen Musikstar jener Zeit, ist strengstens untersagt, ebenso das Tragen von Brillen und der Verzehr von Fleisch. Drogen und Gruppensex sind Pflicht für die Frauen, die Manson auch mit bewusstseinsändernden Drogen wie LSD willenlos macht.

Er prophezeit seinen „Jüngern“ den Weltuntergang der weissen Rasse. 1969 würden die schwarzen Amerikaner rebellieren und grausame Morde in den Villen reicher weisser Amerikaner begehen. Die Folge wäre ein Rassenkrieg, den die Afroamerikaner gewinnen und alle weissen Amerikaner ermorden würden. Überleben könnte man das nur, wenn man sich ihm und seiner Family anschlösse. Die siegreichen Schwarzen wären, so Manson, aufgrund der „sklavischen Natur ihrer Rasse“ nicht in der Lage, sich selbst zu führen. Deshalb würden sie ihn zu ihrem Anführer wählen und zum Herrscher über die Welt machen.

Die Family war von Mansons verrückten Gedanken beseelt

So irre das alles auch klingen mag – die Family war von Mansons verrückten Gedanken regelrecht beseelt. Die glaubte sogar seine Ankündigung, dass sich unter dem Tal des Todes in der Mojave-Wüste eine riesige Höhle als Eingang zum Paradies befände. Nur dort könne man überleben, nur dort würde man Jesus und seine vier Engel antreffen. Diese Engel seien die Beatles, aus deren Song „Helter Skelter“ hatte Manson geheime Botschaften herausgelesen. (Dabei hatten die Musiker nur eine besonders lange Londoner Rutschbahn besungen.)

Später verkündete „Charly“, dass er selbst der Satan und die Wiedergeburt Jesu in einer Person sei, und weil seine prophezeiten Unruhen im Jahr 1969 nicht einsetzten, meinte er, man müsse nun „den dummen Schwarzen zeigen, wie man Weisse tötet.“ Die Berühmten von Bel Air waren nun seine konkreten Ziele. Wenn man sie ermorde, könne man den Krieg zwischen Weiss und Schwarz auslösen.

Die bestialischen Morde

Am 1. Juli 1969 schoss Manson einem schwarzen Drogendealer in den Bauch und verletzte ihn schwer. Ende Juli tötete die Family den Musiklehrer Gary Hinman, der zeitweise Manson und seine Truppe in seinem Haus beherbergt hatte. Weil er weitere finanzielle Zuwendungen verweigerte, schnitt ihm Manson ein Ohr ab, danach erstach das Gruppenmitglied Bobby Beausoleil (damals 22) Hinman in Mansons Anwesenheit. Mit seinem Blut schrieben die Mörder „political piggy“ an die Wände. Beausoleil setzte sich mit blutverschmierter Kleidung in Hinmans Auto und schlief ein. So fand ihn die Polizei.

Am 9. August 1969 schickte Manson seine „Jünger“ Charles Watson (damals 24), Susan Atkins (21), Patricia Krenwinkel (21) und Linda Kasabian (20) los, um reiche Weisse zu töten. Ihr Ziel: eine Villa am Cielo Drive. Das Haus hatte das Ehepaar Sharon Tate und Roman Polanski gemietet. Polanski befand sich gerade auf einer Europareise.

Sharon Tate (26), Tochter eines amerikanischen Geheimdienstoffiziers, galt als eine der schönsten Frauen der Welt. Sie hatte in Polanskis Erfolgsfilm „Tanz der Vampire“ die weibliche Hauptrolle gespielt und dabei ihren späteren Mann kennengelernt. Tate war im achten Monat mit ihrem ersten Kind schwanger. Das Haus am Cielo Drive nannte sie „my love house“.

An diesem späten Abend war sie mit ihrem Ex-Verlobten, dem bekannten Hollywood-Stylisten Jay Sebring (35), sowie ihrer Freundin, der Kaffeekonzern-Erbin Abigail Folger (26) und deren Lebensgefährten Wojciech Frykowski (32), nach einem Restaurantbesuch in der Villa, als die Mord-Family eindrang. Charles Watson hatte draussen zuvor den jungen Hausmeister Steven Parent (18), der in seinem Auto sass, mit vier Schüssen umgebracht.

Die Mörder schrieben mit Sharons Blut „pig“ an die Tür

Im späteren Prozess wurde protokolliert, dass Watson, Atkins und Krenwinkel (Kasabian passte draussen auf) die Schlafenden weckten, sie fesselten und ins Wohnzimmer trieben. Dort mussten sie sich auf den Bauch legen, während Watson schrie: „Ich bin der Teufel, ich bin hier, um die Arbeit des Teufels zu erledigen.“ Als Sebring auf Sharon Tate deutete und sagte „Siehst du nicht, dass sie schwanger ist? Lass sie sich hinsetzen“, schoss Watson auf ihn und stach wie wild auf den Sterbenden ein.

Auch Sharon Tate (16 Messerstiche), Abigail Folger (28 Stiche) und Wojciech Frykowski (51 Stiche) wurde erbarmungslos abgeschlachtet. Draussen stand Linda Kasabian und hörte wie die Schreie verstummten. Die Mörder schrieben mit Sharons Blut „pig“ an die Tür und verschwanden.

Am nächsten Abend schickte Manson die Mörder erneut los. Diesmal waren Leno LaBianca (44), Besitzer einer Supermarktkette, und seine Ehefrau Rosemarie LaBianca (38), eine erfolgreiche Boutiquenbesitzerin, die Opfer. Das Paar lebte im Hollywood-Viertel Los Feliz. Rosemarie LaBianca wurde im Schlafzimmer mit dem Messer massakriert, ihr Mann lag blutüberströmt im Wohnzimmer. In seiner aufgeschlitzten Kehle steckte ein Brotmesser, in seinem Bauch eine Gabel.

Manson überlebte im Gefängnis zwei Attentate

Diverse Zeugenaussagen führten im Oktober 1969 zu den Tätern und ihrem Einflüsterer: Susan Atkins hatte sich mit dem Mord an Sharon Tate gebrüstet. Am 29. März 1971 wurden die Angeklagten zum Tod in der Gaskammer verurteilt. 1972 erklärte der Oberste Gerichtshof von Kalifornien die Todesstrafe für verfassungswidrig. Alle Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.

Susan Atkins starb 2009 in der Haft an Krebs. Charles Watson sagte sich von Manson los und bekennt sich nun zum Christentum. Er sitzt immer noch. Patrizia Krenwinkel distanzierte sich ebenfalls von Manson. Auch sie ist noch in Haft. Linda Kasabian wurde als Kronzeugin der Staatsanwaltschaft auf Bewährung entlassen.

Charles Manson brannte sich während des Prozesses das Hakenkreuz in die Stirn. Er überlebte in der Haft zwei Attentate. 1972 wurde ein Giftanschlag auf ihn verübt, 1984 überschüttete ihn ein Mithäftling mit einer Nitroverdünnung und zündete ihn an. Manson erlitt schwere Verbrennungen. Seine zwölf Bewährungsgesuche wurden alle abgelehnt. Am Sonntagabend starb er in einem Krankenhaus in Kern County (Kalifornien) eines natürlichen Todes, wie die kalifornische Gefängnisbehörde mitteilte. Manson wurde 83 Jahre alt.

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