„Maria Stuart – Königin von Schottland“: Halbherzige Historie

Theaterkennerin Josie Rourke nimmt sich in „Maria Stuart – Königin von Schottland“ dem Zwist der zwei berühmten Herrscherinnen an. Doch ähnlich wie ihre Titelfigur verliert sie auf dem Weg irgendwie den Kopf.

Ab dem 17. Januar bauscht sich erneut der Chiffon unter seinen Charakteren, wenn Margot Robbie als Königin Elisabeth I. und Saoirse Ronan als „Maria Stuart – Königin von Schottland“ unter Fanfaren und mit wehenden roten Haaren über die Leinwand stolzieren. Doch an den Fehltritten ihrer Regisseurin können die beiden leider auch nichts mehr kitten. Aber immer der Reihe nach.

Rivalität und Herrschaft – Darum geht es in „Maria Stuart“

Mit 16 Jahren Königin von Frankreich und mit 18 blutjung verwitwet, kehrt die zügellose Maria Stuart (Saoirse Ronan) 1561 in ihre Heimat Schottland zurück. Sie ist jung, klug, katholisch und als Tudor-Ahnin will sie nicht nur den schottischen, sondern auch den britischen Thron beanspruchen. Doch auf diesem Platz sitzt die Grossnichte ihres Vaters: die einstmals illegitime Tochter von Heinrich VIII. und Anne Boleyn, die protestantische Königin Elisabeth I. (Margot Robbie).

Jene junge Königin betrachtet ihre „Schwester“ zunächst im Geiste vereint, immer mehr mit Angst und Rivalität. Als weibliche Regenten in einer maskulinen Welt müssen die beiden entscheiden, wie sie das tödliche Spiel um die Krone austragen. Verrat, Rebellion und Verschwörungen an jedem Hof gefährden beide – und verändern den Lauf der Geschichte.

Bekannte Geschichte, löchrige Umsetzung

Achtung, Spoiler: Maria Stuart verliert – wohl als kleinen Anreiz, die 26 Jahre geballte Geschichte in 125 Minuten zu meistern – schon in der ersten Szene wegen Hochverrats an der Krone ihren Kopf. Der Historienfilm erzählt also den Weg von 1561, als Maria Stuart zum ersten Mal wieder schottischen Boden betritt, bis zu ihrer Hinrichtung 1587.

Wie zu erwarten düster, folgt Regisseurin Josie Rourke ihrem Ziel, ein bildgewaltiges Drama über das Nebeneinander dieser beiden mächtigen Frauen zu drehen. Die Königinnen selbst wirken dabei wie Schwarz und Weiss. Marias fast kindliche Masslosigkeit, sich einfach alles zu nehmen, was sie will, verkörpert Saoirse Ronan grossartig mit eindringlichen Augen und einer zügellosen Entschlossenheit. Elisabeths unantastbare Würde und Grandezza dagegen, versteckt unter einer viel zu schweren Maske, wirkt dazu wie ein ausgleichendes Gewicht. Wo die eine bewusst natürlich, fast zu unschuldig inszeniert wird (Ronan), legt Robbie in ihre sehr auffällige Rolle viel Exzentrik.

Doch trotz zweier Königinnen innerhalb eines unheimlich spannenden Zeitalters, einem monumentalen Soundtrack von Symphonie-Genius Max Richter, detailverliebten Kostümen und den unendlichen Weiten Grossbritanniens hilft selbst das Schönste drum-herum nichts. Denn das laxe Drehbuch dieses Films fühlt sich zuweilen nun einmal an wie ein wirklich staubtrockener Geschichtsunterricht.

Den Unterschied zwischen Film und Theater hat Rourke nicht verstanden

Zuerst möchte man die fehlende Finesse der Theaterregisseurin noch leugnen. Dafür reitet Maria Stuart auch zu schön von einem filmisch etwas zu genau erzählten Unglück ins Nächste. Die Geschichte gleitet dahin, passiert den Ehebruch des zweiten Ehemannes Lord Henry Darnley, den grausamen Mord im Beisein der schwangeren Maria Stuart an Berater David Rizzio, die Geburt des Thronfolgers Jakob, die Liaison mit James Hepburn, Earl of Bothwell – und wird immer länger.

Der Showdown mit Elisabeth I. in einer Scheune scheint dagegen wie ein knackiger Weckruf. Maria und Elisabeth, die sich jedoch im wahren Leben nie sahen, wird wie schon in früheren Werken ein Treffen angedichtet, in einer Gardinenscheune. Diese Szene wirkt mitunter wie direkt von der Bühne gesprungen, wobei sich der Film einen Gefallen getan hätte, würde mehr Wert auf Echtheit gelegt werden. Bei diesem allem Anschein nach finalem Gespräch lechzt der Zuschauer danach, dass nicht nur die Gardinen, sondern auch der filmische Vorhang fällt. Doch, nein.

Für die zwei möglichen Mordkomplotte Maria Stuarts an ihrer Königin und zehn Jahre ihrer verbleibenden Historie bleibt nach den ganzen Irrungen und Wirrungen ihrer Ehen keine Zeit mehr. Ein Kameraschnitt, eine kurze Zusammenfassung und schon ist das dramaturgische Restpotenzial Maria Stuarts vergeudet und der Film treibt auf die verhängnisvolle Hinrichtungsszene zu. Doch wie so oft im Theater Rourkes bleibt noch nicht einmal das wie überliefert.

Also schreitet Saoirse Ronan nach mehrjähriger Gefangenschaft wie aus dem Ei gepellt in Richtung Schafott. Eigentlich wäre sie nun 44 Jahre alt, doch im Sinne der konsequenten Ungenauigkeiten ist das ja auch schon egal. Die Zofen entblössen mit einem Ruck jenes tatsächlich blutrote Kleid, Maria bettet ihren Kopf auf den Schemel und der Henker holt aus. Die Leinwand wird schwarz und anstatt drei misslichen Schlägen mit der Axt und einem Blutbad, dass laut historischer Überlieferung eines der übelsten in der Henkersgeschichte Englands war, bleibt es auch hier dem Zuschauer überlassen, sich das fehlende Surren des Beils vorzustellen. Das Licht geht an, das Theater ist vorbei – doch so richtig Vergnügen hatten wir trotz einer protzigen Produktion leider keine.

Fazit

Josie Rourke hat sich, um im Unterrichtsjargon zu bleiben, wohl redlich bemüht. Die Geschichte von geteilten Loyalitäten und duellierenden Herrscherinnen hätten wir allein wegen der Ausstattung, des Soundtracks und der königlichen Darsteller nur zu gerne gemocht. Die Sets sind durchdacht und die Kostüme mit ihren Stickereien, Manschetten, Epauletten und Brustpanzern hätten eine grandiose Ergänzung einer runden Geschichte werden können. Doch bei so viel Theater und so wenig Spannungsbogen sollte man dieses historische Korsett wohl ein für alle Mal einmotten.

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