„Nomadland“ feiert Free-TV-Premiere: Heimat ist überall und nirgendwo

Ferns Blick wandert immer wieder in die Ferne.

Quelle: Joshua Richards/Courtesy of Searchlight Pictures. © 2020 20th Century Studios All Rights Reserved

Bei der Oscarverleihung 2021 schnappte sich „Nomadland“ von Chloé Zhao drei der wichtigsten Academy Awards. Rund drei Jahre später feiert das Drama mit Frances McDormand endlich seine Free-TV-Premiere.

Das Drama „Nomadland“ sowie dessen Regisseurin Chloé Zhao (41) räumten bei den wegen Corona stark verkleinerten Academy Awards von 2021 drei Oscars (Film, Regie und Hauptdarstellerin) ab. Irgendwie passte diese unfreiwillig intime Zeremonie zur Grundstimmung des Films, der rund drei Jahre nach seinem Kinostart nun endlich Free-TV-Premiere feiert. Allerdings tut er das zur unchristlichen Zeit, in der Nacht von Freitag (29. März) auf Samstag um 1:40 Uhr im ZDF. Doch das Wachbleiben lohnt sich: Der einfühlsame Streifen mit einer herausragenden Frances McDormand (66) hat eine hoffnungsvolle wie melancholische Botschaft – frei nach dem Auge des Betrachters.

Nie wieder Wurzeln schlagen – darum geht es

Binnen kurzer Zeit verliert Fern (McDormand) sowohl ihren Job in der ausrangierten Bergbaustadt Empire im US-Bundesstaat Nevada als auch ihren Ehemann. Kurzum: Alles, wofür es sich vermeintlich lohnt, sesshaft zu sein, wurde ihr genommen. Also beschliesst die resolute Fern, das meiste ihres Hab und Guts zu verkaufen, sich einen Kleinbus anzuschaffen und als moderne Nomadin durch die Weiten der USA zu reisen. Stets auf der Suche nach dem nächsten Minijob, um sich irgendwie über Wasser zu halten, macht sie manch eine flüchtige Bekanntschaft mit nachhaltigem Eindruck.

Denn schnell stellt Fern am eigenen Leib fest, dass ein Leben auf vier Rädern alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Ob die mitleidigen und/oder abfälligen Kommentare ihrer Familie und Freunde, die harschen Bedingungen für Saisonarbeiter, oder die eisigen Temperaturen im Winter: Überall und nirgendwo zu Hause zu sein, das bedeutet, ein Leben der Extreme gewählt zu haben. Positiv wie negativ, körperlich wie emotional.

Für die einen Traum, für die anderen Albtraum

„Nomadland“ erzählt über seine rund 110 Minuten Laufzeit ein sehr persönliches Schicksal und tut dies beinahe wie eine Dokumentation. Auf dramaturgisch überspitzte Momente verzichtet Zhao dabei komplett, viele kleine, zuweilen auch banal erscheinende Höhe- wie Tiefpunkte bestimmen Ferns Alltag als Nomadin. Aber wenn sich deine komplette Welt plötzlich um einen baufälligen Wagen herum entspinnt, kann eben schon ein platter Reifen, der streikende Motor oder ein zerbrochener Teller zum Kollaps des fragilen neuen Lebensentwurfs führen.

Manch ein Zuschauer wird „Nomadland“ als todtraurigen, deprimierenden Film wahrnehmen. Andere als hoffnungsvolle und aufrüttelnde Botschaft verstehen. Denn je nach eigener Lebensphilosophie überwiegen für die einen die positiven, für die anderen die negativen Momente. Etwa, wenn Fern bei Eiseskälte bibbernd in ihrer viel zu dünnen Decke den Sonnenaufgang herbeisehnt oder schwitzend ihr Geschäft in einen Eimer verrichtet. Dem entgegen stehen kraftvolle Szenen wie jene, in der Fern ihre Geschichte mit einem anderen Nomaden teilt und er ihr erklärt, dass für sie fortan ein „Auf Wiedersehen“ nie mehr ein „Lebwohl“ sein wird – denn früher oder später begegnet man sich auf der Strasse immer wieder.

Sicherheit oder Freiheit? Routine oder Abenteuer? Beides ist gleichsam erstrebenswert wie abschreckend, hat Vorzüge und kostet zuweilen einen hohen Preis. „Nomadland“ zeigt diese Dualität unaufgeregt und entschleunigt, für manche Zuschauer aber wohl zu behäbig. Ein Kleinbus-Drama ist nun einmal kein erzählerischer Ferrari.

McDormands One-Woman-Show

Mal wieder über jeden Zweifel erhaben ist Hauptdarstellerin Frances McDormand. Folgerichtig gab es für sie gar zwei Oscars für „Nomadland“: Als „Beste Hauptdarstellerin“ triumphierte sie bereits zum dritten Mal in dieser Kategorie. Und weil sie den Film auch mitproduziert hat, folgte dank der Wahl zum „Besten Film“ gleich noch ein weiterer Goldjunge für sie.

Mit McDormand steht und fällt das gesamte Werk. Ihr Schauspiel ist so nuanciert und uneitel wie der Film selbst. Das kann ein verschmitztes Lächeln hier und ein sorgenvoller Blick da sein – oder beides gleichzeitig. „Nomadland“ ist ebenso eine Milieu- wie Charakterstudie über die freiwillig und unfreiwillig Vergessenen.

Fazit

Mit „Nomadland“ haben Chloé Zhao und Frances McDormand einen bittersüssen Film erschaffen. Auf sehr gemächliche Weise erzählt er von den Strapazen sowie den philosophischen Erkenntnissen, die mit einem Leben als moderner Nomade einhergehen können. Etwa, dass der schönste Fleck auf Erden immer jener ist, der hinter der nächsten Kurve auf einen wartet.

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