„Tatort: Angst im Dunkeln“: Gibt es wirklich Teenager-„Droppings“?

"Tatort: Angst im Dunkeln: Helikoptermuttis werden von ihren Zöglingen in den Forst geführt

Quelle: Radio Bremen/Claudia Konerding

Der neue Bremen-„Tatort“ dreht sich um die angeblich in Holland weit verbreitete Erziehungs-Tradition, Teenager nachts allein im Wald auszusetzen. Gibt es diese sogenannten „Droppings“ wirklich?

Im „Tatort: Angst im Dunkeln“ wollen drei Mütter ihre Teenagerkinder einem pädagogisch wertvollen Initiationsritual unterziehen: Bei dem angeblich in Holland weit verbreiteten Erziehungstrend des „Droppings“ werden Gruppen von Jugendlichen vorm Eintritt ins Erwachsenenalter mit verbundenen Augen mitten im Wald ausgesetzt, nur ausgestattet mit einer Landkarte, einem Kompass, einigen Campingutensilien und Proviant. Von dort aus müssen sie gemeinsam und ohne jegliche GPS-Elektronik ihren Weg zurück nach Hause finden und dabei als Team zusammenarbeiten.

Als eingefleischte Helikoptermuttis spielen die drei Freundinnen diesen Survivaltrip vorsichtshalber erst einmal selbst durch – wie sich bald zeigt, mit tödlichen Folgen, die den Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, 35) und Linda Selb (Luise Wolfram, 36) prompt ihren nächsten Fall bescheren.

„Dropping“ als bizarres Erziehungsritual

Genau wie Kommissarin Moormann werden viele „Tatort“-Fans noch nie von einem Erziehungstrend namens „Dropping“ gehört haben – was daran liegt, dass es einen solchen auch nicht gibt. Die Inspiration für das Drehbuch könnte „Tatort“-Autorin Kirsten Peters über einen Artikel der „New York Times“ aus dem Jahr 2019 gekommen sein, in dem unter der Überschrift „Ein eigenartiger holländischer Sommerritus: Kinder in nächtlichen Wäldern aussetzen“ über die angeblich in den Niederlanden systematisch praktizierte Erziehungspraxis des „Droppings“ berichtet wird.

Auch wenn das „Dropping“ in diesem Report zutreffend als alte „Pfadfindertradition“ bezeichnet wird, suggeriert der Text etwas sensationsheischend, dass es zudem als Ausdruck einer generellen Erziehungsphilosophie zu verstehen ist, mit der Holländer an die Charakterformung ihres Nachwuchses herangehen.

„Die Niederländer“, so heisst es darin, „gehen mit der Kindheit anders um. Kindern wird beigebracht, sich nicht zu sehr von Erwachsenen abhängig zu machen, und Erwachsenen wird beigebracht, dass Kinder ihre Probleme selbst lösen können. Droppings destillieren diese Prinzipien in eine extreme Form und setzen auf die Idee, dass es selbst für Kinder, die müde, hungrig und desorientiert sind, einen kompensatorischen Nervenkitzel gibt, wenn sie die Verantwortung tragen.“

Auf Plattformen wie Twitter schlug dieser Bericht seinerzeit einige Wellen und wurde ausgiebig von Erziehungsberechtigten aus aller Welt diskutiert. Kinder ohne Aufsicht, Mobiltelefon und Handfeuerwaffen nachts in Wäldern auszusetzen, erschien vor allem US-Bürgern als völlig bizarrer und verantwortungsloser Irrsinn.

Team-Events im Komfort-Dschungel

Wie eine tiefergehende Recherche ergibt, handelt es sich bei „Droppings“ auch in Holland nicht um ein allgemeines Initiationsritual, das jeder Jugendliche in seinem Leben unausweichlich zu absolvieren hat. Zutreffend ist hingegen, dass sich „Droppings“ in den Niederlanden seit Jahren als Freizeit- und Teamevent einer sehr grossen Beliebtheit erfreuen.

Im Gegensatz zu Deutschland finden sich dort viele Anbieter wie dropping.nl, bei denen man – auch als Erwachsener – solche Outdoor-Spektakel buchen kann. Je nach Vorliebe und Geldbeutel können sich actionaffine Gruppen per Armeelaster, Schlauchboot, Helikopter oder Flugzeug im holländischen Dschungel aussetzen lassen. Um ihr Leben müssen sie auf solchen Survivaltrips nicht fürchten, im Notfall können sie die Organisatoren auf elektronischem Wege jederzeit über ihr Schicksal informieren und sich wieder einsammeln lassen. Auch für gut gekühlte Getränke ist bei solchen Events in der Regel bestens gesorgt.

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