„Official Secrets“: Reden, wenn alle schweigen

Die Justiz verfolgte sie dafür, dass sie den Irak-Krieg verhindern wollte: Katharine Gun leakte 2003 ein Geheimdienstdokument an die britische Zeitung „The Observer“. Der Film „Official Secrets“ zeigt ihre Geschichte.

Wenn man an das Wort Whistleblower denkt, fallen einem spontan Julian Assange oder Edward Snowden ein. Aber Katharine Gun? Eher nicht. Dabei gehört die Britin zu den wohl spektakulärsten Whistleblowerinnen unserer Zeit: Vor 16 Jahren riskierte sie alles, um die US-Invasion in den Irak abzuwenden. Als Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst beschloss sie, ein streng geheimes Memo zu leaken – mit weitreichenden Konsequenzen. „Official Secrets“ (dt. Filmstart: 21. November) nimmt sich nun ihrer Geschichte an – mit Keira Knightley (34, „Fluch der Karibik“) in der Hauptrolle.

Darum geht’s

Kurz vor Beginn des Irak-Kriegs 2003 gelangt Katharine Gun als Übersetzerin des britischen Geheimdienstes an ein schockierendes Memo der NSA, in dem es heisst, die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sollten erpresst werden, um für eine Invasion zu stimmen. Da sich Gun nicht an einem unter falschem Vorwand angezettelten Krieg beteiligen will, leitet sie die Informationen an die Presse weiter. Obwohl die der Labour-Partei nahestehende Zeitung „The Observer“ sich zunächst pro Irak-Krieg positioniert hat, druckt sie – nicht ohne Risiko – die von Martin Bright (Matt Smith, 37) verfasste Titelstory.

Von ihrer Regierung aufgrund des „Official Secrets Act“ als Verräterin angeklagt, wird sie inhaftiert. Auch Bright gerät plötzlich in Lebensgefahr. Der Druck wächst unaufhörlich, sodass Guns kurdischem Mann Yasar (Adam Bakri, 31) sogar die Abschiebung droht. Katharines letzte Hoffnung scheint der Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes, 56) zu sein, der vielleicht ein Schlupfloch finden kann…

Die Story ist aktueller denn je

„Nur weil du Premierminister bist, kannst du doch nicht deine eigenen Fakten erfinden.“ Der Satz von Katharine Gun in einer der ersten Szenen des Politkrimis wirkt angesichts der aktuellen politischen Lage auf unbehagliche Weise aktuell. Doch Gun bezieht sich damals noch auf Tony Blair.

Ob man die Schauspielerin mag oder nicht: Als Katharine Gun, die eigentlich Gün heisst, ist sie die perfekte Besetzung. Sie spielt die unscheinbare, britische Whistleblowerin absolut überzeugend. Guns moralische Verbohrtheit ist manchmal fast nervig, doch bald sympathisiert man mit der mutigen Frau.

Neben dem charismatischen „The Crown“-Star Matt Smith in der Rolle des ambitionierten Journalisten Bright und Ralph Fiennes („Grand Budapest Hotel“) gefallen ausserdem „Notting Hill“-Star Rhys Ifans (52) als Kriegsreporter Ed Vulliamy und Conleth Hill (54), Lord Varys aus der Kultserie „Game of Thrones“, als Chefredakteur Roger Alton.

Politik zum Anfassen

Selbst Politik-scheue Zuschauer dürften sich von „Official Secrets“ dank seiner gut aufbereiteten Story angenehm unterhalten fühlen. Der Stoff, inklusive seines höchst kontroversen Ausgangs, hätte ebenso gut als Miniserie herhalten können, fast schade scheint an manchen Stellen die Komprimierung der zeitlichen Abfolge. Plötzliche Gefängnisaufenthalte, zum Zerreissen gespannte Aufregung, als Gun das entscheidende Dokument ausdruckt und die erfolgreiche Verifizierung des höchst brisanten Memos schaffen spannende Eckpfeiler der Geschichte.

Der Haken

Etwas schade ist einzig, dass sich der Film im zweiten Drittel fast zu einem Anwaltsfilm wandelt und Fiennes der eigentlichen Hauptdarstellerin ihren Platz streitig macht. Der grosse Anwalt, der die prinzipientreue Bürgerin mit einem fast schon irrwitzigen Kniff aus der Patsche hilft: Dieses Klischee hätte es wirklich nicht gebraucht.

Fazit

Der südafrikanische Regisseur Gavin Hood (56, „X-Men Origins: Wolverine“) inszeniert die spannende Geschichte um Katharine Gun als ruhigen, unglamourösen Politkrimi ohne Brimborium. In knapp zwei Stunden zeigt „Official Secrets“ eine kompakte Version der Ereignisse und schafft den Spagat zwischen Polit-Thriller und nacherzählten Geschehnissen. Das ist als Film zwar nicht aussergewöhnlich spektakulär, aber dennoch kurzweilig und sehenswert.

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