„Nocturnal Animals“: Auch für tagaktive Thriller-Fans empfehlenswert

Am 22. Dezember kommt mit „Nocturnal Animals“ Tom Fords zweiter Film in die Schweizer Kinos. Und wie „A Single Man“ liebt man ihn entweder, oder kann herzlich wenig damit anfangen.

Nein, über einen zu penetranten Output von Filmemacher Tom Ford darf man sich nicht beschweren. Tatsächlich kommt „Nocturnal Animals“ nach dem melancholischen „A Single Man“ von 2009 erst als das zweite Kinowerk des einstigen Modeschöpfers daher. Und wie sein Debüt ist der Thriller mit Amy Adams und Jake Gyllenhaal nicht nur wunderschön inszeniert, sondern wird auch ähnlich stark die Gemüter scheiden. Und das buchstäblich ab der ersten Sekunde.

Von der Vergangenheit eingeholt

Die Galeristin Susan (Adams) und ihr Mann Hutton (Armie Hammer) leben ein gesichertes, aber nicht sonderlich spannendes Leben. Vor allem Susan fällt in den vielen Tagen, die sie alleine in den eigenen vier Wänden verbringen muss, die Decke auf den Kopf. Doch das soll sich ändern, als sie eines Tages Post von ihrem Ex Edward (Gyllenhaal) bekommt. Als sie ihm das Herz brach, war er noch ein junger, aufstrebender Schriftsteller. 20 Jahre ist das nun bereits her, warum also schickt er ihr ein Manuskript mit dem Titel „Nocturnal Animals“ („Nachtaktive Tiere“)? Als sie beginnt, sich Schritt für Schritt durch das gewalttätige Buch zu wühlen, wird ihr allmählich klar, wieso ausgerechnet sie ein Exemplar erhalten hat. Denn die Geschichte scheint zumindest symbolisch eng mit ihrer einstigen Beziehung zu Edward verknüpft zu sein – und die endete nicht gut…

Ist das Kunst oder kann das weg?

Übergewichtige Burlesque-Tänzerinnen schwabbeln in Zeitlupe durch das Bild. Der Auftakt von „Nocturnal Animals“ könnte grotesker nicht sein. Er lässt einen entweder spontan auflachen, verdutzt glotzen oder den kürzesten Weg zum Notausgang ausloten. Welch verstörende Sinneseindrücke wird Ford den Zuschauern in den kommenden zwei Stunden noch präsentieren? Doch entpuppt sich die aufdringliche Leibesfülle rasch als eine Kunstinstallation der weiblichen Hauptfigur Susan. Auch wenn der Beginn somit der schrägste Teil des Films ist, so stimmt er doch gleich darauf ein, was die Kinogänger erwartet: traum- und alptraumhafte Schauwerte, die egal ob Liebesakt oder Gräueltat schlicht atemberaubend von Ford eingefangen wurden.

Nicht ganz zu Unrecht kann da der Vorwurf laut werden, Ford habe ähnlich zu „A Single Man“ wieder die Form dem Inhalt vorgezogen. Dennoch ist „Nocturnal Animals“ kein klassischer Fall von „Style over Substance“. Vielmehr nutzt Ford gerade den Beginn des Films als klare Kritik an der Oberflächlichkeit und Scheinheiligkeit der Kunstszene. Und auch wenn der Streifen keine durch und durch stringente Handlung eines herkömmlichen Thrillers aufweist, so bietet diese mehr als genug Fleisch am Knochen. Und das auf insgesamt drei Erzählebenen.

Das Buch zum Film

Innerhalb der Rahmenhandlung über Susan, die das Buch ihres Ex liest, springt die Erzählung in Rückblenden auch zurück zu der Zeit, als sie und Edward zusammen waren – und er schliesslich wegen seiner zu unmännlichen Art von ihr in den Wind geschossen wurde. Seine düsterste Seite zeigt der Film hingegen immer dann, wenn man die Story des Manuskripts von Edward visualisiert bekommt. So entpuppt sich der Roman schnell als eine Rache-Geschichte – mit sehr schwer zu verdauender Handlung, die den ein oder anderen Exploitation-Horrorfan vielleicht an „Das letzte Haus links“ erinnern könnte.

Glänzen darf bei alledem neben Adams natürlich Gyllenhaal – und das gleich doppelt. Denn auch den Part als Familienvater im Roman übernimmt der Mime ausgesprochen sehenswert, auch wenn das Gezeigte mitunter sehr brutale Kost ist. Unbedingt erwähnt werden muss auch die Darbietung von Charakterdarsteller Michael Shannon („Midnight Special“). Die Szenen, in denen er zu sehen ist, weiss er ausnahmslos zu stehlen.

Der interessanteste Punkt bei alledem ist, wie die drei Handlungsstränge nach und nach miteinander verwoben werden. Ohne darüber zu viel verraten zu wollen, so kulminiert Vergangenheit, Gegenwart und fiktive Buchhandlung in einem Finale, das die Zuschauerschaft stark entzweien wird – und genau damit ist der Kreisschluss zum Anfang des Films perfekt.

Fazit:

„Nocturnal Animals“ erzählt auf insgesamt drei Erzählebenen eine Geschichte über Liebe, Vergeltung und Sühne. Egal wie düster das Gezeigte dabei wird, sehenswerter wie Ford kann man es kaum einfangen. Auch wenn das Zuschauer, die eher auf klassische Thriller-Kost stehen, vielleicht anders empfinden.

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