„Echte Sorgen“: Björn Both von Santiano sieht „die Freiheit gefährdet“

Björn Both (Mitte) und seine Santiano-Kollegen feiern Jubiläum.

Quelle: Christian Barz

Björn Both von Santiano macht sich „echte Sorgen“. In der aktuellen Zeit sieht er „die Freiheit gefährdet“, wie der Musiker betont. Wie der Schleswig-Holsteiner trotzdem seine Zuversicht behält, verrät er im Interview.

Björn Both macht sich angesichts des Kriegs in der Ukraine und weiterer aktueller Krisen „echte Sorgen“, wie er der Nachrichtenagentur spot on news erklärt. Der Musiker der Band Santiano aus dem hohen Norden sieht „die Freiheit gefährdet“, wie er betont. Im Interview spricht Both auch über Nachhaltigkeit bei Konzerttourneen sowie das zehnjährige Jubiläum und die Zukunft von Santiano.

Wie wichtig ist Ihnen Ihr politisches Engagement neben der Musik?

Björn Both: Ich persönlich kann das nur schwer voneinander trennen. All meine Musikprojekte in der Vergangenheit haben immer Politik und Gesellschaft beobachtet und dazu Stellung bezogen. Wir hätten das mit Santiano so nicht unbedingt erwartet oder es uns gar vorgenommen. Aber die Zeit hat uns überholt. Und als eine Band, die das Wort Freiheit so oft in den Mund nimmt wie wir, findet man sich angesichts der aktuellen Entwicklungen in einer Situation wieder, in der man sich erklären muss.

Die Freiheit ist ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt. Aktuell gibt es viele Entwicklungen, die diese einschränken. Was macht Ihnen derzeit Sorgen in Bezug auf Ihre Freiheit?

Both: Ich bin froh, dass Sie die Frage so stellen. Ich hätte sonst nicht gewusst, wo ich anfangen soll. „Meine“ Freiheit? Was ist das? Sie meinen dieses Missverständnis, diese eigene Freiheit rechtmässig einzufordern, während man im gleichen Atemzug bereit ist, sich von jeglicher gesellschaftlichen Verantwortung zu entkoppeln? Das ist etwas, was mir grosse Sorgen bereitet.

Das Phänomen tritt zu vielen Fragen in der Gesellschaft auf und wuchert seit Corona wie ein Geschwür. Auch weil Teile der Politik und der Medien immer wieder Benzin ins Feuer giessen. Darüber liegen Wirtschaft und die Protagonisten der Politik, die in der Vergangenheit rechtsstaatliche Prinzipien und Werte wie Menschenrechte auf dem Scheiterhaufen lukrativer Märkte, ausbeuterischer und umweltzerstörender Produktion und günstiger Beschaffung von Rohstoffen eingeäschert haben. Auf diese Weise wird die rechtsstaatliche Demokratie weltweit der Lächerlichkeit preisgegeben.

Wo das hinführt, sehen wir jetzt. Und auch in der Einschätzung eines Putins und seines Angriffskriegs auf die Ukraine sind Tendenzen und Stimmen unterwegs, die jegliche Orientierung in Richtung Freiheit verloren zu haben scheinen. Da sehe ich die Freiheit gefährdet und das macht mir echte Sorgen. Und ich spreche dann nicht von meiner persönlichen Freiheit.

Gaskrise, Krieg, Klimakatastrophe: Wie verlieren Sie bei all den grossen Problemen dieser Zeit nicht die Zuversicht?

Both: Indem ich mich auf die Menschen und Organisationen konzentriere, die unermüdlich für ein besseres Morgen arbeiten. Oft sind es Privatmenschen und NGOs, die sich der Probleme annehmen, denen sich Regierungen weltweit immer noch nicht stellen. Das sind meine Leuchtfeuer der Hoffnung. Zu finden sind solche grossartigen Menschen auch auf der „Leuchtfeuer“-Webseite von Santiano.

Sie machen sich gegen Ausgrenzung stark. Ein aktuelles Problem ist Cancel Culture. Haben Sie das selbst schon erlebt? Wie problematisch schätzen Sie die Entwicklung ein?

Both: Nein. Persönlich habe ich das noch nicht erlebt. Und generell finde ich sehr in Ordnung, dass wir Sprache überprüfen und sie von unnötiger Verletzung befreien, so wir denn wollen und können. Wie so oft neigen zu sehr engagierte Menschen dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Daher gibt es sicherlich auch hier Fliehkräfte, die wir im Auge behalten müssen. Solange sich aber jemand sprachlich an die Regeln hält und sich in einem nicht verletzenden Bereich bewegt, sollte jeder inhaltlich das sagen dürfen, was er denkt. Und ich denke, dass das hierzulande – entgegen aller Unkenrufe – gegeben ist.

Sie standen 2022 endlich wieder auf vielen Bühnen. Wie haben Sie die Konzerte nach den langen Lockdowns erlebt?

Both: Als befreiend und als die Bestätigung unserer kühnsten Hoffnungen. Wir haben fast 40 Konzerte gespielt und es waren alle da. Die Häuser waren voll als wäre nichts geschehen und wir konnten praktisch da anknüpfen, wo wir zwei Jahre zuvor aufgehört hatten. Ein unfassbares Glück, das so nicht zu erwarten war.

Grosse Tourneen werden oft als nicht nachhaltig kritisiert. Was unternehmen Sie, damit Ihr CO2-Fussabdruck nicht zu gross ist bzw. um diesen auszugleichen?

Both: Da das letzte Album und auch die dazugehörige Konzertreihe sich dieses Themas annimmt – wir sind ja in der Arktis unterwegs – sind wir da natürlich auch konsequent: Die komplette CO2-Bilanz der „Wenn Die Kälte Kommt“-Tournee wurde umfänglich erfasst und auch die Fanströme, die wir draussen auslösen, wurden über eine freiwillige Umfrage bei den Fans ermittelt.

Das gehört sozusagen gerade zum Gesamtpaket. Die Auswertung läuft gerade jetzt und wir sind selbst sehr gespannt, was dabei herauskommt. Dass die gesamte Branche Verbesserungspotential hat, steht ausser Frage.

Sie haben Ihren Hit „Santiano“ gemeinsam mit Nathan Evans aufgenommen. Sie haben nun schon öfter zusammengearbeitet. Ist mit ihm inzwischen eine Art Freundschaft entstanden? Können Sie von einem so jungen Künstler noch etwas lernen?

Both: Freundschaft, soweit das in diesem Business möglich ist. Wir mögen uns und das ist das, was zählt. Und lernen können wir sicher alle von jedem. Ich weiss gerade nur nicht genau, was. (lacht)

Zehn Jahre ist ein Zeitpunkt, um zurückzublicken: Gibt es Dinge, die Sie in Ihrer Karriere gerne anders gemacht hätten?

Both: Im Grossen und Ganzen nicht. Natürlich reflektieren wir uns und was wir auf welche Weise tun. Da wir aber nicht bewusstlos und zufallsgesteuert durch die Gegend irren, können wir ziemlich gut zu dem stehen, was wir bisher getan oder gesagt haben. Es waren immer Entscheidungen. Und für die gab es immer Gründe, die für uns heute noch gelten. Insofern bringt es nichts, die Dinge nachträglich aus dem Kontext zu reissen und neu zu bewerten.

An welche Höhepunkte der gemeinsamen Zeit denken Sie besonders gerne zurück? Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Santiano-Jahre?

Both: Mir fallen ehrlich gesagt jetzt nicht die alles entscheidenden Höhepunkte ein. Vielleicht gibt es sie. Vielleicht waren aber die letzten zehn Jahre auch nur eine lange Aneinanderreihung von Höhepunkten, dass wir sie als einzelnes Ereignis gar nicht mehr wahrgenommen haben. Und auf die nächsten zehn Jahre wollen wir mal lieber nur schrittweise schauen. Zunächst mal gilt es, die nächsten zwei bis drei Jahre gut zu überstehen und vor allem gesund zu bleiben. Dann lässt sich über alles weitere auch verhandeln.

Wie schwierig war es, die Titel für Ihr Best-of-Album einzugrenzen?

Both: Selbst, wenn wir uns als Band einig gewesen wären, hätte es den Rahmen gesprengt. Da wir auch noch unterschiedliche Songs präferieren, war es fast unmöglich. Am Ende haben wir schlicht gewürfelt. (lacht)

Das Best-of-Album „Die Sehnsucht ist mein Steuermann – Das Beste aus 10 Jahren“ von Santiano ist am 7. Oktober erschienen. 2023 geht die Band auf grosse Jubiläums-Tournee: Von Mai bis September sind die Musiker in vielen deutschen Städten zu Gast.

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