Curse: «Hab‘ keine Angst vor dem, was du bist»

Buddhist, Systemischer Coach, Podcast-Betreiber und Rapper: Curse ist ein Multitalent. Auf seinem siebten Album „Die Farbe von Wasser“ spielt Sebastian Kurth erneut alle seine Trümpfe gekonnt aus. Was hinter dem Titel steckt und wie er die deutsche Rap-Szene sieht, verrät Curse im Interview.

Sebastian Kurth (39) alias Curse gilt als einer der einflussreichsten Rapper Deutschlands. Mit „Die Farbe von Wasser“ bringt der 39-Jährige nun sein mittlerweile siebtes Studioalbum heraus und gewährt darin einmal mehr einen intimen Einblick in seine Gedankenwelt. Welchen Einfluss sein buddhistischer Glaube auf seine Musik hat und warum er glaubt, sich heute nicht mehr beweisen zu müssen, verrät das Multitalent im Interview.

Sie sind Buddhist, Systemischer Coach und Lehrer für tibetisches Yoga – wie fliesst das alles in Ihre Musik ein?

Curse: Schon die ersten Songs, die ich als Teenager geschrieben habe, handelten von Themen wie Selbstfindung und Glaube. Es gibt Songs von mir, die heissen „Gleichgewicht“ und „Heilung“. Auf dem neuen Album geht es zum Teil auch um diese Themen. Die Leute, die meine Musik seit 20 Jahren hören, werden sich denken: Das ist Curse, wie wir ihn kennen. Die, die neu dazukommen, werden sagen: Das ist so ähnlich wie sein Podcast.

„Die Farbe von Wasser“ ist das zweite Album, das auf Ihrem eigenen Label „Indie Neue Welt“ erscheint. Was war der Beweggrund für Sie, ein eigenes Label zu gründen?

Curse: Nach dem Album von 2008 habe ich erst mal nichts mehr veröffentlicht. Ich hatte keine Verträge mehr mit Management, Label oder Agentur. Als ich mich dann entschieden habe, ein neues Album aufzunehmen, ist mir schnell klargeworden, dass ich damit nicht zu einer grossen Plattenfirma will. Ich wollte mich nicht mehr abhängig machen. Also habe ich es selbst versucht, habe mir Leute gesucht, die mir dabei helfen. Es war ein Experiment, das sich super entwickelt hat, mit tollen Geschäftspartnern und einem grossartigen Team. Es fühlt sich gut und richtig an.

Welche Bedeutung hat der Titel des neuen Albums?

Curse: Wasser hat an sich keine Farbe, es hat die Farbe von dem, was es reflektiert. Für mich ist Musik wie Wasser. Sie ist neutral, das was ich darin höre und sehe und wie ich mich darin spiegele, liegt an mir. Dieses Bild gefällt mir. Darüber hinaus hat „Die Farbe von Wasser“ keine Bedeutung.

Gibt es eine allumfassende Message auf dem Album?

Curse: Ich habe mir im Vorfeld nicht überlegt, was ich mit dem Album vermitteln will. Die Songs haben unterschiedliche Themen, einige sind einfach Geschichten oder Themen, die mich im Alltag beschäftigen. Es gibt zwei Songs, die etwas humorvoller sind. Mit der ersten Single „Was du bist“ oder „Bei mir“, der zweiten Auskopplung, will ich sagen: ‚Hab‘ keine Angst vor dem, was du bist!‘ Wir leben in einer Zeit, in der wir meinen, uns ständig vergleichen zu müssen. Oder das, was wir sind, mit möglichst vielen Instagram-Filtern optimieren zu müssen. Wir fokussieren uns zu sehr darauf, wie wir uns darstellen, statt darauf, wer wir sein könnten oder sind.

Wird die deutsche Rap-Szene vom Gangster-Rap dominiert?

Curse: Ich finde nicht. In den 2000er Jahren gab es eine Phase, in der die Szene dominiert war von Strassengangster-Rap. Das geht immer in Zyklen. Zurzeit ist zudem die Bandbreite im deutschen Rap grösser denn je. Es gab noch nie so viele qualitativ hochwertige, interessante Künstler. Nur der Fokus liegt eher auf den „bösen Rappern“. Nach den Leuten, die am lautesten schreien, dreht man sich eben um.

Rap hat auch viel mit Alphatier-Gehabe zu tun. „Ich bin der Beste“-Tracks gehören immer noch zum Standard-Repertoire vieler Künstler. Gab es das bei Ihnen auch?

Curse: Klar. Habe ich immer noch auf eine gewisse Weise. Hip-Hop-Kultur ist unter anderem daraus entstanden, dass man versucht hat, die Strassengangs, die sich gegenseitig umgebracht haben, zusammenzubringen. Ihre Energie sollte beispielsweise über Breakdance,- Graffiti,- oder Rap-Kämpfe in etwas Künstlerisches kanalisiert werden – um den echten Kampf gegen den Kampf von Kunst auszutauschen. Vergleich und Wettkampf sind also Teil der Hip-Hop-Kultur. Solange das auf einer Platte stattfindet und bestimmte Regeln nicht überschreitet, gehört es einfach dazu. Es ist ausserdem ein grosser Unterschied, ob ich sage: „Ich bin der Beste“ oder „Du bist scheisse“. „Ich bin der Beste“ ist 100 Prozent Hip-Hop. Früher hatte ich vielmehr diesen Wettbewerbsfilm, weil ich mich beweisen wollte. Das ist inzwischen nicht mehr so heftig. Diese Zeit nutze ich lieber, um etwas anderes zu erzählen. Etwas, das nicht mich, sondern viele andere Menschen besser dastehen lässt.

Rap ist auch heute noch ein von Männern dominiertes Feld und Gewalt gegen Frauen und deren Objektifizierung ist beinahe ein PR-Tool.

Curse: Ja und nein. Im Jazz der 30er und 40er Jahre gab es fast nur Männer. Im Rock’n’Roll haben wir die Stones, die Beatles, The Doors. Heavy Metal mit Slayer, Metallica ist ebenfalls eine Männerdomäne. Im Rap sind es auch fast nur Männer. Wenn man schon mal ehrlich ist, muss man sagen: Die gesamte Musikbranche ist von Männern dominiert und Sexismus und Objektifizierung von Frauen gab es auch im Rock’n’Roll – das ist nichts Neues, das hat Rap nicht erfunden. Musik ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft. Es gibt aber genauso Rapmusik von Frauen oder von Männern, die Frauen nicht objektifizieren.

Aber ja, Rap wird viel von jungen, Testosteron geladenen Männern gemacht, die sich gegenseitig aufputschen. Das ist nicht cool und nicht in Ordnung. Die Grenze zwischen Humor und Satire oder mal einen dummen Spruch zu Sexismus ist leider fliessend und sehr individuell zu definieren. Nur auf die „bösen Rapper“ zu zeigen, finde ich nicht richtig. Wir sollten darauf achten, dass Menschen nicht vorverurteilt und abgestempelt werden. Wir sollten genau hinsehen und aufmerksam sein, aber auch anderen zugestehen, dass sie sich weiterentwickeln können.

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