Jürgen Drews: «Ich war ein halber Autist und verabscheute Schlager»

Jürgen Drews ist längst eine Schlager-Legende. Doch beinahe wäre es nie so weit gekommen. Er hat diese Art von Musik nicht nur gehasst, sondern wäre ohne seinen Vater auch nie auf die Bühne gegangen.

Seit vergangener Woche ist Jürgen Drews (72, „Es war alles am besten“) wieder auf Tour. Es ist eine musikalische Zeitreise durch sein Leben. Auf eine solche hat er auch unsere Redaktion im Interview mitgenommen und dabei verraten, dass er als Jugendlicher nicht nur deutschen Schlager verabscheute, sondern auch autistische Züge hatte.

Herr Drews, Sie sind seit dem 8. März auf Ihrer „Es war alles am besten“-Tour. Dort nehmen Sie Ihr Publikum auf eine musikalische Zeitreise durch Ihr Leben mit.

Jürgen Drews: Genau, und dabei werde ich viele sicher überraschen, dass der Schlager eigentlich nie mein Traum war. Als Jugendlicher hatte ich sogar grosse Vorurteile gegen deutschen Schlager. Den habe ich gehasst, ich fand den fürchterlich. Der war ja völlig ohne Sinngehalt. Ich hatte das damals nicht verstanden, dass diese Musik den Menschen nach der Kalamität des Zweiten Weltkriegs ein Lächeln ins Gesicht zauberte und einfach nur der Unterhaltung diente.

Wie hat Ihre Musikkarriere denn begonnen?

Drews: Ich war als Jugendlicher total verschüchtert. In der Pubertät bin ich mit mir selbst nicht zurechtgekommen. Ich war völlig verwirrt und habe die Welt überhaupt nicht verstanden. Ich war ein halber Autist. Mit mir konnte man nicht reden. Mein Vater, der Arzt war, hatte mich als Therapie auf die Bühne gestellt. Im Alter von 13 Jahren engagierte er einen Gitarrenlehrer für mich und als 15-Jähriger habe ich schliesslich an meinem Gymnasium in einer Gruppe Banjo gespielt. Das war an sich der Beginn.

Hat Ihnen diese Therapie, wie Sie es nennen, etwas gebracht?

Drews: Auf diese Weise bin ich in meiner Haltung offener und freier geworden. Ich therapiere mich auch heute noch auf der Bühne. Ich bin privat überhaupt kein Feier-Typ. Ich habe nichts mit Party am Hut, aber auf der Bühne macht mir das tierischen Spass, da kann ich richtig aus mir herausgehen.

Sie sind kein Feier-Typ, stehen aber seit Anbeginn regelmässig am Ballermann auf der Bühne. Wie passt das zusammen?

Drews: Am Ballermann würdest du mich als Privatperson niemals sehen. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich mal Schlager in deutscher Sprache singe, dem hätte ich den Vogel gezeigt. Ich hatte damals in Kiel versucht, Medizin zu studieren. Doch dann kam alles anders…

Dann kamen die Les Humphries Singers?

Drews: Ich bin Anfang der 70er Jahre zu den Les Humphries Singers gestossen und habe dadurch nicht mehr weiter studiert. Ich merkte schon auf der Uni, dass mir dieses Medizin-Studium wahnsinnig schwer fällt. Und so bin ich in der Musik hängen geblieben.

Diese Musik hatte mit Schlager allerdings noch nichts zu tun.

Drews: Ich hatte mich gegen deutsche Musik lange gewehrt. Das Musiklabel Warner hatte oft bei mir angefragt und wollte, dass ich deutschen Schlager singe. Für mich war das unvorstellbar. Doch in der Situation, in der ich mich befand, nun von der Musik leben zu müssen, hörte ich eben doch zu. Und plötzlich sang ich den Text „Ein Bett im Kornfeld…“. Das war mir anfangs noch etwas unangenehm. Heute ist das einer meiner grössten Hits. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Der Song hat mir meine Karriere geebnet. Und diese „Zeitreise“ – vom jungen, unsicheren Banjo-Spieler über die Les Humphries Singers bis hin zum „König von Mallorca“ – spiele ich auf der Bühne nach.

„Ein Bett im Kornfeld“ war Ihnen also peinlich?

Drews: Nein, ich mochte das Lied, mehr aber auch nicht. Für mich war es die Notlösung nach meiner Zeit bei den Les Humphries und dem abgebrochenen Studium. Heute ist der Song das Geilste für mich. Ich hatte früher viele Entscheidungen getroffen, bei denen ich mir zunächst unsicher war und deren Tragweite ich erst im Nachhinein erkannte: Ich wollte nicht unbedingt mit den Les Humphries auf Tour durch die USA gehen. Ich wollte nicht unbedingt „Ein Bett im Kornfeld“ singen. Ich wollte nicht unbedingt „König von Mallorca“ sein. Rückblickend war das aber alles am besten!

Warum tun Sie sich mit nun fast 73 Jahren überhaupt noch eine Tour an?

Drews: Ich mache das sicher nicht aus pekuniären Gründen. Ich brauche das einfach für mich. Wie ich schon sagte, das ist eine Therapie für mich. Würde ich nicht auf die Bühne gehen, würde ich mich zu Hause vergraben.

Was sagt Ihre Frau Ramona dazu?

Drews: Sie war ein entscheidender Faktor für die Tour! Als ich ihr ein paar unveröffentlichte Songs von den Les Humphries zeigte, fand sie das toll und sagte: „Zeig den Leuten doch mal, dass du ein richtiger Musiker bist.“ Sie fragte mich, wie lange ich noch warten wolle, um wieder mit einer Band aufzutreten? Da hatte sie mich überzeugt. Und jetzt stehe ich mit einem zweieinhalb stündigen Programm auf der Bühne und spiele von Pop über Rock und Jazz bis hin zum Schlager die komplette Klaviatur meines Lebens.

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