Dustin Kensrue von Thrice: «Die Gesellschaft ist tief gespalten»

Auf ihrem neuen Album „Palms“ zeigen sich Thrice wieder deutlich experimentierfreudiger. Eine bewusste Entscheidung, wie die Band im Interview verraten hat.

Das zehnte, schlicht „Palms“ betitelte, Album der amerikanischen Post-Hardcore-Band Thrice, ist musikalisch deutlich breiter gefächert als die Vorgänger. Damit knüpft die Band wieder an experimentellere Zeiten an. Eine bewusste Entscheidung, wie Sänger und Gitarrist Dustin Kensrue (37) und Bassist Eddie Breckenridge (38) im Interview erklärt haben.

Welchen thematischen Ansatz verfolgen Sie mit „Palms“?

Dustin Kensrue: Ich bin eines Nachts aus einem ganz komischen Traum über Baseball aufgewacht und habe begonnen, alle Assoziationen, die man mit der geöffneten Hand verbindet, aufzuschreiben. Besonders im Gegensatz zu dem was eine geschlossene Hand oder eine Faust bedeutet. Diese Gedanken waren dann der Ursprung, von dem alle Songs auf dem Album ausgegangen sind. Jeder Song beleuchtet eine Facette der weiter gefassten Metapher der Handfläche.

Auf dem Vorgänger „To Be Everywhere Is to Be Nowhere“ finden sich viele explizit politische Texte. Jetzt scheinen Sie deutlich persönlichere Themen zu behandeln.

Kensrue: Ich glaube, die Texte sind weniger spezifisch. Meiner Ansicht nach haben die Ereignisse der letzten Jahre vor allem aufgedeckt, dass die Gesellschaft tief gespalten ist. Ich wollte dieses Mal die Themen ansprechen, die eher unter der Oberfläche schlummern. So gesehen, sind die Texte persönlicher geworden, aber sie sind trotzdem tief mit dem verbunden, was auf der Welt im Moment geschieht. Sogar mehr als auf dem letzten Album. Thematisch betrachtet, ist „Palms“ eine richtige Einheit.

Spielen Sie auch mit der Textzeile „Because I had enough of black and white“ aus „The Grey“ auf diese Spaltung der Gesellschaft an?

Kensrue: Viele Menschen wollen sich gar nicht mehr mit dem grösseren Kontext auseinandersetzten, indem gewisse Dinge stehen oder gesagt wurden. Wir wollen einen einfachen Weg, um alles zu kategorisieren und in Schubladen zu packen. Darum ging es mir bei dieser Aussage. Menschen sind oft zu schnell mit einem Urteil zur Hand. Das macht jeder zu einem gewissen Grad. Aber wenn man sich dessen bewusst ist, kann man dem entgegentreten und erkennen, dass wir alle nur Menschen sind und von irgendwas angetrieben werden. Sei es Furcht oder sonst etwas.

Haben Sie neben dem thematischen Konzept auch ein musikalisches verfolgt?

Kensrue: Weniger, aber wir haben uns zumindest bewusst vorgenommen, uns noch mehr Einflüssen zu öffnen. Das haben wir in gewisser Weise schon immer gemacht, aber das letzte Album ist musikalisch schon sehr homogen geworden. Dieses Mal wollten wir die Hörer wieder mehr mit neuen Sounds und ungewohnten Ideen überraschen. Ähnlich wie bei „Vheissu“ oder „The Alchemy Index“ wollten wir uns musikalisch etwas mehr strecken und Elemente zusammenbringen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.

So wie mit der elektronischen Anfangssequenz von „Only Us“, die an die Netflix-Serie „Stranger Things“ erinnert?

Eddie Breckenridge: Wir hatten sogar noch ein Drum-Loop, der noch mehr danach geklungen hat. Wir sind zu der Zeit auf jeden Fall von der Serie beeinflusst gewesen, weil wir sie zur Zeit des Songwritings alle angeschaut haben. Ich finde es grossartig, dass wir damit in die Platte einsteigen, weil man so etwas gar nicht von uns gewohnt ist.

Viele Menschen verbinden Sie immer zuerst mit „The Artist in the Ambulance“, obwohl Sie danach musikalisch viel diverser geworden sind. Wie sehr stört es Sie, ständig darauf reduziert zu werden?

Kensrue: Ich glaube, dass Menschen gewisse Lebensabschnitte, mit einem gewissen Sound verbinden. Das ist etwas Magisches, das nicht reproduziert werden kann. Es geht um Nostalgie und es geht um viel mehr, als nur die Musik selbst. Aber: Natürlich haben wir zu dieser Platte am meisten Presse bekommen, schliesslich waren wir auf einem Major-Label. Diese Songs sind für viele Menschen wichtig. Und auch wenn es jetzt nicht mehr unsere Lieblingssongs sind, freuen sich die Leute, die Songs zu hören. Von daher ist das völlig okay für uns.

Breckenridge: Es ist auch eine Frage des Alters. Ich bin mir sicher, dass es schwer wäre, jemanden zu finden, der sagen wir mal, zehn Jahre jünger ist als wir, für den „The Artist in the Ambulance“ wichtiger ist als „Beggars“ oder „The Alchemy Index“. Vielleicht wenn sie ältere Geschwister hatten. Aber ich würde gerne mal dabei zuhören, wenn Leute darüber debattieren, welche unserer Platten die beste ist. Das wäre sicher spassig.

Bisher haben Sie Europa nicht sonderlich oft auf Touren berücksichtigt. Wird sich das in Zukunft ändern?

Kensrue: Wir versuchen öfter in Europa zu touren, nur hat das bisher nicht so gut geklappt. Wir kommen nächstes Jahr aber mindestens einmal, wenn nicht sogar zweimal nach Europa.

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