E-Mobility ganz ohne Steckdose: Das Solar-Auto der Hochschule Bochum

Alle reden von Elektroautos, aber es geht auch ohne Steckdose. Das Solar-Auto blue.cruiser ist ein Projekt der Hochschule Bochum und ThyssenKrupp – und setzt voll auf Sonnenenergie. Das Sonnenfahrzeug ist näher an der Serienreife, als manch einer denkt – Strassenzulassung inklusive.

4,96 Meter lang, 1,76 Meter breit, 1,17 Meter hoch und bereit, ohne Tankstelle das australische Outback zu durchqueren. Wenn der „thyssenkrupp blue.cruiser“ am 8. Oktober in Darwin seine Fahrt nach Adelaide antritt, werden vor allem im Ruhrpott die Daumen gedrückt. Denn das Auto wurde massgeblich an der Hochschule Bochum konstruiert, wo bereits seit 15 Jahren an alternativen Antriebsformen geforscht wird.

In den vergangenen beiden Jahren entstand dort einer der Titelanwärter bei der diesjährigen World Solar Challenge. Am 9. August stellten die Jungforscher der Hochschule und Entwickler von ThyssenKrupp das Solar-Auto bei einem grossen Event gemeinsam vor. Eine nette Technik-Spielerei der Studierenden? Ein Prestigeprojekt des Industriekonzerns? Nein, der blue.cruiser ist viel mehr als das. Sowohl Ausstattung als auch Antriebsform könnten für künftige Auto-Generationen massgebend sein.

Allein mit der Kraft der Sonne sind Ingenieure mittlerweile in der Lage, erstaunliche Leistungen zu vollbringen. Das bewiesen spätestens die Konstrukteure des Sonnenfliegers „Solar Impulse 2“, der 2015/16 in nur 510 Stunden die Erde umrundete. Der Bochumer blue.cruiser soll zwar „nur“ 3.021 Kilometer zurücklegen, das Projekt ist deshalb aber nicht minder ambitioniert. Über 60 Studierende schufteten zwei Jahre lang an ihrem Solar-Auto. Vom Einkauf, über das Marketing, die Planung und die Anfertigung – das gesamte Projekt lag in studentischer Eigenverantwortung.

Futuristisch und doch alltagstauglich

Allein die Materialkosten beziffert Stefan Spychalski, Sprecher der Hochschule Bochum, auf über 500’000 Euro. Eine Summe, die ohne Sponsoren nicht zu stemmen gewesen wäre. ThyssenKrupp stand den Studierenden nicht nur finanziell, sondern auch mit Know-how zur Seite. Der Konzern verspricht sich für die Zukunft einiges von der Kooperation. „Wir müssen auch heute beim Wettbewerb um Talente schauen, dass wir interessante, kreative Ideen haben, die auch von jungen Menschen als Ziel betrachtet werden und die sie ansprechen. Ich glaube, der blue.cruiser ist ein ganz fantastisches Beispiel“, berichtete ein stolzer Dr. Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp AG, bei der Vorstellung des Solar-Flitzers.

Das gemeinsame Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen: Siliziumzellen auf fünf Quadratmetern sorgen für die benötigte Energie, ein Überrollkäfig aus ultrahochfestem Stahl für Sicherheit. Der Innenraum besteht nahezu ausschliesslich aus alternativen Materialien wie Ananasleder oder Leinen. Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit wurden beim Bau des blue.cruiser gross geschrieben. Es entstand ein innovativer Öko-Flitzer, der der konventionellen Konkurrenz optisch in nichts nachsteht. „Wir haben Wert darauf gelegt, Materialien zu verwenden, die die Umwelt möglichst wenig belasten“, erklärt Prof. Dr.-Ing Friedbert Pautzke vom Fachgebiet Elektromobilität der Universität Bochum.

Einzig bei der Spitzengeschwindigkeit müssen (noch) Abstriche gemacht werden. Mit maximal 120 km/h wird der Wagen seinem sportlichen Erscheinungsbild nicht ganz gerecht. Auf seinem Trip durch Australien wird die Durchschnittsgeschwindigkeit allerdings nur bei 70-80 km/h liegen, da die verbauten Radnarbenmotoren bei diesem Tempo am effizientesten arbeiten.

Auf dem besten Weg zur Serienreife?

Bei all der technischen Finesse verfügt der Ökoflitzer aber auch über eine erstaunlich hohe Alltagstauglichkeit. Bis zu vier Menschen können darin bequem reisen, Abstandswarner, Sitzheizung und ein elektrisch-adaptives Fahrwerk gehören ebenfalls zur Ausstattung. Und auch die Strassenzulassung – eine der Startbedingungen für die World Solar Challenge – hat der Wagen schon in der Tasche. Es scheint so, als hätten die Bochumer Studierenden den etablierten Autobauern ein wenig den Rang abgelaufen.

Welchen Endplatzierung der blue.cruiser letztendlich erreichen wird, steht natürlich noch in den Sternen. Zumindest für Professor Pautzke ist der Wettkampf im Outback jedoch zweitranging: „Wir möchten nicht an dem Wettbewerb teilnehmen, um zu gewinnen, sondern um zu zeigen, dass Elektromobilität und eben auch Solarmobilität möglich ist. Wir möchten Fahrzeuge bauen, die die Leute gerne kaufen würden.“ Der Weg ist also das Ziel? Ob das seine Studenten nach zwei Jahren harter Arbeit genauso sportlich sehen, darf zumindest bezweifelt werden.

Vorheriger ArtikelNach dem „Virus“: Darauf können sich „Tatort“-Fans jetzt freuen
Nächster ArtikelHailey Baldwin kopiert Bella Hadids Nackedei-Look