Zinspolitik der EZB und ihre Auswirkungen auf Kredit- & Sparzinsen

Quelle: Friedemann W.-W. | CC BY SA 2.0

Viele Schweizer blicken seit einigen Monaten erstaunt in Richtung Euroraum: Sie wundern sich über die enorm hohen Inflationsraten in den Euroländern und die massiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank. Auch in der Schweiz gibt es eine überdurchschnittlich hohe Inflation, die Schweizerische Nationalbank reagiert ebenfalls mit Zinssteigerungen. Das geschieht aber auf einem deutlich geringeren Niveau als in der Eurozone.
Warum sollten sich Menschen in der Schweiz näher mit dieser Thematik beschäftigen? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. So legen viele Bürger der Schweiz Geld im Euroraum an, die Zinserhöhungen sind für sie von unmittelbarem Interesse. Einige Schweizer nehmen auch Kredite in Euroländern auf. Sie arbeiten oder wohnen zum Beispiel vorübergehend in Deutschland, Österreich oder anderen Euroländern. Manche investieren darüber hinaus in Ferienhäuser im Eurogebiet und wenden sich für die Kreditfinanzierung an örtliche Banken. Erwähnung verdienen zusätzlich die vielen EU-Bürger, die sich in der Schweiz niedergelassen haben oder ein Auslandssemester absolvieren. Kurzum: Viele in der Schweiz kommen direkt oder indirekt mit dem Thema EZB-Leitzins und Auswirkungen auf Kredite sowie Geldanlagen in Berührung!
Ob Kredit oder Sparanlage bei einer Bank, die ihren Sitz in Deutschland und Co. hat: Die EZB-Entscheidungen wirken sich massiv auf die Angebote von Banken aus. Das zeigt unter anderem ein Blick auf einen Zinsrechner für Festgeldanlagen. Die Zinsen sind heute deutlich höher als vor ein bis zwei Jahren. Daraus resultiert der Tipp: Für schweizerische Anleger kann es sich rentieren, Euro-Geldanlagen in das Portfolio zu nehmen!

Massive Erhöhung der Leitzinsen im Euroraum

Die Corona-Krise und der anschliessende Krieg in der Ukraine haben im Eurogebiet für erhebliche wirtschaftliche Turbulenzen gesorgt. Verschiedene Faktoren haben zu einer ungewöhnlich hohen Inflationsrate geführt. Dazu zählen:

  • Störungen der Lieferketten: Beide Krisen hatten zur Folge, dass Produzenten und Händler die Nachfrage bei bestimmten Produkten zumindest zwischenzeitlich nicht mehr bedienen konnten. Das betraf und betrifft weiterhin Bereiche wie Baumaterialien. Die Kombination aus knappem Angebot und grosser Nachfrage hat erhebliche Preiserhöhungen verursacht.
  • stark gestiegene Energiepreise: Im Zuge des Kriegs in der Ukraine haben sich die Preise für Gas, Öl und andere Brennstoffe enorm erhöht, teilweise kam es zu historischen Verwerfungen auf den Energiemärkten. Besonders betroffen sind Länder wie Deutschland, die ihr Erdgas grösstenteils aus Russland bezogen haben. Die gestiegenen Preise für Brennstoffe haben auch zu Kostensteigerungen beim Strom geführt.
    Die Folge ist eine beispiellos hohe Inflationsrate im Euroraum. Im Oktober 2022 erreichte die Inflation in der Eurozone einen Höchststand von 10.6 %, mittlerweile hat sie sich auf 4.3 % (September 2023) abgeschwächt. Diese Abschwächung verdankt sich insbesondere einer aggressiven Inflationsbekämpfung seitens der EZB. Bei einer hohen Inflation gilt der Grundsatz, dass Notenbanken mit Zinssteigerungen die Nachfrage schwächen sollten. Eine schwächere Nachfrage führt im Anschluss zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, das dämmt die inflationäre Entwicklung ein. Die EZB hat vom Instrument der Zinssteigerung engagiert Gebrauch gemacht: Lange Zeit lag der Leitzins bei 0 %, nun beträgt er 4.5 %. Die Schweizerische Nationalbank hat sich ebenfalls für Zinserhöhungen entschieden, hier liegt der Leitzins aber bei 1.75 %.

Kredite: Steigende Zinsen belasten Verbraucher und Unternehmen

Für Kreditnehmer und Interessierte an Krediten sind das schlechte Nachrichten: Die Kosten für Kreditfinanzierung sind heute hoch. Einige Kunden merken das unmittelbar: Das betrifft alle Kredite mit einer variablen Finanzierung. Typische Beispiele sind Dispokredite auf dem Girokonto und Abrufkredite für Studierende und Unternehmen. Kostensteigerungen drohen auch allen Eigentümern von Immobilien, die ihren Immobilienkredit umschulden müssen. Bei Baufinanzierungen ist es weit verbreitet, dass die Zinsbindung nach zehn bis zwanzig Jahren ausläuft. Kreditnehmer haben die Investitionssumme noch nicht getilgt, sie benötigen eine Anschlussfinanzierung. Im Euroraum mit dem momentan hohen Zinsniveau stellt das eine besondere finanzielle Herausforderung dar, aber auch Investoren in der Schweiz leiden unter dem hohen Zinsniveau.
Zu den Betroffenen gehören auch alle, die in diesen Tagen einen neuen Kredit aufnehmen wollen. Bei drängendem Finanzbedarf können sie diese Entscheidung nicht herauszögern. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Kosten im Rahmen des Möglichen einzugrenzen. Mit einem Kreditvergleich finden künftige Kreditnehmer einen günstigen Anbieter und meiden auf diese Weise unnötige Mehrkosten. Die Kreditentscheidung muss nicht sofort fallen? Dann kann es sich auszahlen, abzuwarten. Die sinkende Inflationsrate erhöht die Chance, dass die EZB eine Zinswende einleitet. Wenn die EZB-Verantwortlichen mit dem Niveau der Inflation zufrieden sind, werden sie ihre Aufmerksamkeit auf das mangelnde Wirtschaftswachstum lenken. Das steigert die Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen und perspektivisch günstigeren Krediten.

Sparprodukte: Zinssteigerungen als Renditechance

Des einen Freud, des anderen Leid: Dieser Spruch bewahrheitet sich angesichts der EZB-Zinspolitik. Lange Zeit freuten sich Kreditnehmer über niedrige Zinssätze, Sparer waren dagegen am Rande der Verzweiflung. Für sichere Geldanlagen wie Tages- und Festgeldkonten erhielten sie kaum oder keine Zinsen. Auch beliebte Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland büssten massiv an Attraktivität ein, teilweise mussten Anleger sogar Negativzinsen zahlen. Sie entliehen Geld und mussten zusätzlich an den Kreditnehmer Zinsen überwiesen.
Diese Zeiten sind nach den massiven Zinssteigerungen durch die EZB vorbei. Sparer verzeichnen für sichere Anlageformen wieder ansprechend hohe Zinsen. Wer momentan ein Festgeldkonto mit langer Laufzeit abschliesst, sichert sich diese Konditionen über viele Jahre. Aktuell spricht viel für solche langfristigen Anlagen.
Für Sparer im EZB-Zeitraum gilt hierbei eine Einschränkung: Solange die Inflation in Ländern wie Deutschland und Österreich hoch ist, sind die Vorteile hoher Zinsen begrenzt. Die Preissteigerungen führen zu Kaufkraftverlusten, im schlimmsten Fall verliert das Vermögen trotz hoher Zinssätze real an Kaufkraft. Die momentan sinkenden Inflationsraten sind jedoch ein Beweis dafür, dass dieses Problem an Relevanz verliert.
Über eine gute Nachricht können sich Anleger in der Schweiz freuen: Die Inflationsrate ist niedrig, die hohen Zinssätze in der Eurozone sind deshalb umso interessanter. Schon heute rentiert es sich für viele Schweizer, zum Beispiel ein Festgeldkonto bei einer deutschen Bank zu eröffnen. Wichtig: Schweizer Sparer sollten die Chancen und Risiken des Wechselkurses beachten! Verändert sich das Verhältnis zwischen Schweizer Franken und Euro, wirkt sich das je nach Richtung positiv oder negativ auf die Rendite aus.

Die Schweiz und die EZB-Zinspolitik

Auch in der Schweiz interessieren die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank, wenngleich der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank für den lokalen Zinsmarkt wichtiger ist. Zwischen der Eurozone und der Schweiz existieren aber vielfältige Verbindungen wie Geldanlagen im Euroraum durch Schweizer Bürger. Es lohnt sich auch in der Schweiz, die weiteren Entwicklungen im Eurogebiet im Auge zu behalten!

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