Bill Cosby und sein trauriger Geburtstag

Bill Cosby wurde einst von Millionen Menschen auf der ganzen Welt verehrt. Doch die Anschuldigungen gegen ihn wiegen schwer. Ob er seinen 80. Geburtstag unbeschwert feiern kann?

Der 80. Geburtstag ist im Leben eines Mannes ein stolzes Jubiläum. 80 Jahre, das ist doch was, das schafft nicht jeder. Da entschädigen Rückblicke in aller Regel die Enttäuschungen und Niederlagen, und die Lebenserinnerungen kehren meist das Negative in ein gnädiges Positivum um. Ob das im Fall von Bill Cosby auch gilt, mag bezweifelt werden.

Der Entertainer, der am 12. Juli 80 wird, hat in den letzten Jahren und Monaten die schwärzeste Zeit seines Lebens mitgemacht. Cosby wird von rund 60 Frauen beschuldigt, sie in früheren Jahrzehnten missbraucht zu haben. Sein Image vom einem der beliebtesten Amerikaner blättert immer mehr ab. Stattdessen festigt sich das hässliche Bild eines dirty old man, obwohl noch kein Urteil gegen Cosby ergangen ist.

„Er war einmal…“

„Guter Witz, miese Pointe“, schreibt die Wiener Zeitung „Die Presse“. Das kann man in der Tat nachvollziehen: „Viel scheint er in seiner Karriere als Entertainer zu diesem späten Jubiläum nicht mehr retten zu können. Immer schneller hatte sich die Abwärtsspirale gedreht, als die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn laut wurden.“

Er war einmal das Gesicht des schwarzen Amerikas, lange bevor ein Barack Obama (55) an die Rednerpulte trat und die USA auch politisch eroberte. Viele Millionen Menschen liebten seine intelligenten Gags, die „mit herzerwärmenden Geschichten aus dem Alltag und seiner sanften Moral zum Pflichtprogramm“ („Die Presse“) im amerikanischen Fernsehen wurden.

Seine Anfänge

Der Anfang war hart und schwer. Der Sohn eines Mess Stewards bei der US-Marine ging vorzeitig von der Highschool in Philadelphia ab, nachdem er die 10. Klasse nicht geschafft hatte. Er heuerte wie sein Vater bei der US Navy an und wurde dort zum Sanitäter ausgebildet. Nebenbei holte er den Highschool-Abschluss.

Was so spielerisch rüber kam, war hart erarbeitet, und der Werdegang von Bill Cosby mag ein Massstab für seinen Ehrgeiz und die Selbsteinschätzung seines gesellschaftlichen Stellenwerts sein. Weil der junge Cosby eine Football-Kanone war, bekam er ein Sportstipendium an der Temple University in Philadelphia, das er ebenfalls vorzeitig abbrach, weil er da bereits grosse Erfolge als Stand-up-Comedian im The Gaslight Café hatte.

Cosby holte jedoch alles nach und erwarb 1971 den Bachelor-Abschluss. Danach studierte er an der Universität von Massachusetts – mit grossem Erfolg: 1972 wurde er Master of Arts und vier Jahre später promovierte er zum Doktor der Pädagogik. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit seiner erfolgreichen Kinderserie „Fat Albert and the Cosby Kids“, die sogar im Grundschulunterricht eingesetzt wurde.

„America’s Dad“

Neben seinem beharrlichen Willen zu einer akademischen Ausbildung zeigte Bill Cosby schon früh seine charmante und witzige Seite, mit der er bald die USA erobern sollte. Bereits 1964 gewann er einen Grammy für seine zweite Schallplatte in der Kategorie „Best Comedy Performance“. 1965 startete er seine Schauspielerkarriere als CIA-Agent in der TV-Serie „Tennisschläger und Kanonen“, mit der er dreimal hintereinander mit dem Emmy ausgezeichnet wurde, dem wichtigsten Fernsehpreis der USA.

Von da an war es nur ein logischer Schritt zum Ehrentitel „America’s Dad“. So wurde Cosby wegen seiner Rolle als Familienvater in „The Cosby Show“ genannt, die das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der oberen Mittelschicht erzählte und alle Zuschauerrekorde brach.

„Der sympathische, verständnisvolle und witzige Dr. Huxtable mit seinen zum Markenzeichen gewordenen Pullovern und seiner netten Familie bedienten die Sehnsucht der Zuschauer nach der heilen Welt“, schreibt der Berliner „Tagesspiegel“. Zeitweise schalteten 30 Millionen Amerikaner bei der „Cosby Show“ ein – eine Quote von 50 Prozent. Allein die Vermarktung der Show brachte dem Star viele Millionen ein.

Erste Schicksalsschläge

Dass ausgerechnet der ehrenwerte TV-Gynäkologe Cosby seine Finger nicht unter Kontrolle hat und in den Ruf eines ruhelosen Vergewaltigers gerät, ist nur mehr eine groteske Laune des wahren Lebens, das für den Star alles andere als ein Spaziergang ist: 1997 wird sein Sohn Ennis (28) erschossen. Er wird Opfer eines Raubüberfalls, als er bei Dunkelheit auf einem Highway bei Los Angeles an seinem Auto einen defekten Reifen wechselt.

Von diesem Schicksalsschlag erholt sich der Entertainer nicht mehr. Er erkrankt zudem an Keratokonus, einem seltenen Augenleiden, 2016 meldet die „Daily Mail“, dass Cosby vollends erblindet ist.

2000 werden erste Anschuldigungen laut. Zunächst ist es die Schauspielerin Lachele Covington, die Cosby wegen „sexueller Belästigung durch Begrapschen“ anzeigt. Die Polizei verfolgt die Angelegenheit nicht weiter. Doch fünf Jahre später erhebt die kanadische Basketballtrainerin Andrea Constand (44) unappetitliche Vorwürfe gegen Cosby. Er habe sie unter Drogen gesetzt, missbraucht und dabei sich selbst befriedigt. Das Zivilverfahren endet mit einer aussergerichtlichen Einigung, Cosby zahlt Constand ein Schmerzensgeld. Doch nun melden sich immer mehr Frauen, insgesamt 57, mit ähnlichen Anschuldigungen.

Schwere Anschuldigungen

Gleichzeitig werden Rassismus-Vorwürfe gegen die Justiz erhoben. Cosbys Tochter Enza will Vorurteile und Benachteiligung gegenüber Afroamerikanern „in allen Aspekten dieses Skandals“ erkannt haben. Cosby stimmte dieser Aussage in dem Radiointerview zu und sprach von „heimtückischen“ Vorwürfen.

Im Juli 2015 druckt dass „New York Magazine“ nach einer Recherchearbeit von einem halben Jahr einen aufsehenerregenden Bericht. 35 Frauen schildern ihre Erlebnisse mit Bill Cosby. „Sie zeichnen das Bild eines manipulativen Mannes ohne Reue, der ihnen erst Drogen verabreichte und dann vergewaltigte“, schreibt die Zeit.

Eines der Opfer ist die Schauspielerin Louisa Moritz (70). Sie berichtet, wie sich Cosby vor einem Auftritt in einer TV-Show an ihr in ihrer Garderobe verging:

„Er klopfte nicht an. Ich wusste, dass es Mr. Cosby war (…) Er kam rein, und schloss die Tür hinter sich. Es dauerte etwa vier, fünf Minuten. Aber es waren die längsten fünf Minuten, die ich je erlebt habe. Und als sie meinen Namen ansagten, rannte er raus. Als er auf die Bühne kam, stellte er sich als ‚Louisa Moritz‘ vor, und sorgte beim Publikum für einen lauten Lacher. Als mein Auftritt kam, war ich ein Zombie. Er guckte mich während der Show nicht an. (…) Ich hatte Angst, jemandem davon zu erzählen. Ich wusste, wer Mr. Cosby war, und das hielt mich davon ab, mich jemandem anzuvertrauen. Ich schämte mich für mich selbst…“

Neuer Prozess im November

Cosby spricht von einvernehmlichen sexuellen Kontakten und harmlosen Entspannungsmittelchen. Er handelt mit vielen mutmasslichen Opfern eine aussergerichtliche Einigung mit Schweigepflicht aus, wie etwa mit der Kanadierin Andrea Constand (44). Sie verlangt trotz der aussergerichtlichen Einigung 2014 die Offenlegung der ursprünglichen Aussagen von Cosby.

Darin hatte der Entertainer zugegeben, Constand betäubt und anschliessend sexuelle Kontakte mit ihr gehabt zu haben – ähnlich wie auch bei anderen Frauen. Cosby betonte, alles sei stets einvernehmlich abgelaufen. Dagegen sagt Constand aus, sie sei lesbisch und keinesfalls an Cosby interessiert.

Im Juni 2017 kommt es in Philadelphia zum Prozess gegen Cosby. Im, Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Doch die Verhandlung endet ergebnislos, weil sich die Geschworenen in den mehr als 52-stündigen Beratungen nicht auf ein Urteil einigen können. Jetzt hat ein Richter im US-Bundesstaat Pennsylvania entschieden, dass das Verfahren wegen sexueller Nötigung ab dem 6. November neu aufgerollt wird. Der Fall Bill Cosby hat seinen Tiefpunkt noch nicht erreicht.

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