Kennedy-Geheimakten: Fünf Fragen geben neue Rätsel auf

Es sollte die Enthüllung im Fall des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy sein. Doch die nun veröffentlichten Akten geben mehr Rätsel auf, als dass sie Antworten liefern.

Es war ein Mord, der in die Weltgeschichte einging: Am 22. November 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy in Dallas (Texas) erschossen. Der Attentäter: Lee Harvey Oswald, ein verwirrter ehemaliger Marine-Soldat der US-Streitkräfte, der über zwei Jahre in Moskau gelebt, dort geheiratet und die sowjetische Staatsbürgerschaft beantragt hatte. Er gab aus einem fünften Stock eines Schulbuch-Depots drei Schüsse seines Mannlicher-Carcano-Gewehrs ab, als das offene Lincoln-Cabrio des Präsidenten in die Elm Street einbog.

Die erste Kugel verfehlte das Ziel und traf einen Passanten, die zweite durchdrang von hinten Kennedys Nacken und verletzte den vor ihm sitzenden texanischen Gouverneur John B. Connally schwer. Das dritte Projektil traf den Präsidenten in den Kopf – eine tödliche Verletzung.

80 Minuten nach dem Mord wurde Oswald festgenommen. Er hatte kurz zuvor noch den Streifenpolizisten J.D. Tippit erschossen. Soweit die amtliche Version von der dramatischen Ereignissen in Dallas.

Bis heute ranken sich abenteuerliche Verschwörungstheorien um den Tod des charismatischen John F. Kennedy. War der Mord wirklich die Tat eines verschrobenen Einzelgängers? Oder ein Komplott der Geheimdienste? Oder der Mafia? Oder der Russen? Steckte etwa Vize-Präsident Lyndon B. Johnson dahinter? Oder kubanische Killer, die Fidel Castro ausgeschickt hatte?

Die Gerüchte und Halbwahrheiten wucherten auch deshalb so üppig, weil die Erkenntnisse und Untersuchungen der Behörden streng unter Verschluss von FBI und CIA waren. Sollte da etwas vertuscht werden?

Nun hat der amtierende US-Präsident Donald Trump (71) verfügt, dass 2.891 von über 3.000 Geheimdokumenten auf der Internetseite des Nationalarchivs veröffentlicht werden, die restlichen sollen im kommenden Frühjahr folgen. Doch die Akten bringen nur wenig Licht ins Dunkel, im Gegenteil: Die „JFK Files“ provozieren neue Fragen und Spekulationen.

1. Gab es einen zweiten Schützen?

Unmittelbar nach dem Mord fanden sich zahlreiche Zeugen, die aussagten, dass nicht nur von hinten, sondern auch von vorne geschossen wurde. Einige wollen sogar eine kleine Rauchwolke aus der Richtung eines nahegelegenen Gartenzauns gesehen haben. Nach dieser Theorie feuerte ein zweiter Schütze den tödlichen Kopfschuss aus einem Gebüsch seitlich der Autokolonne ab. Einige Experten halten das für schlüssig, weil sie bezweifeln, dass Lee Harvey Oswald überhaupt in der Lage war, drei Schüsse innerhalb von 8,4 Sekunden aus seinem 20 Dollar billigen Gewehr abzufeuern. Doch darüber steht in den jetzt veröffentlichten „JFK Files“ nichts.

2. Welche Rolle spielten die Russen?

Ein Dokument beschreibt, dass Regierungskreise der Sowjetunion entsetzt waren über den Mord an JFK. So soll Oberst Boris Ivanov, der KGB-Chef des Aussenpostens New York, darüber gesprochen haben, dass Kennedys tragischer Tod nur „Probleme bringen würde“ – Probleme für die Spionagetätigkeit von KGB-Agenten in den USA. Ivanov habe auch vermutet, das Kennedy von einer „grossen und organisierten Gruppe von Verschwörern, ermordet worden sein musste.

Ein anderes Memo des damaligen FBI-Chefs J. Edgar Hoover beschreibt seine Erkenntnisse über die Reaktionen auf den Tod Kennedys in der UdSSR. Die russische Bevölkerung hätte mit „Schock und Konsternation“ reagiert, überall im kommunistischen Riesenreich hätten Kirchenglocken geläutet.
Die Sowjets glaubten allerdings auch an ein Komplott: Die Ermordung Kennedys sei eine „rechte Verschwörung“, ein Plan antikommunistischer Kräfte gewesen, um die Verhandlungen der USA mit der UdSSR zu stoppen und einen Krieg zu starten. Zudem habe die Sowjetunion gefürchtet, dass hohe amerikanische Militärangehörige aus Rache im Alleingang eine Rakete auf Russland feuern könnten, so heisst es in den Dokumenten.

Eine Verbindung zum „offiziellen“ Attentäter Lee Harvey Oswald haben russische Verantwortliche stets geleugnet. Der Attentäter, so die Russen, sei „verrückt“ gewesen, ein „neurotischer Irrer“, der „seinem Land und allem anderen gegenüber illoyal war.“

3. War der offizielle Kennedy-Mörder Oswald den Geheimdiensten vor seiner Tat bekannt?

Natürlich war Lee Harvey Oswald den US-Behörden lange vor dem Anschlag bekannt. Ein ehemaliger Marine, der in der heissen Phase des Kalten Krieges in die Sowjetunion auswandert, dort heiratet und schliesslich reumütig mit Frau und Kind in die USA zurückkehrt, stand selbstverständlich im Visier der Geheimdienste. Das Aussenministerium hatte Oswald sogar die Reisekosten vorgestreckt.

CIA und FBI hatten dicke Akten über den marxistischen Wirrkopf Oswald angelegt, es gab jedoch keine Warnungen vor ihm. Es war von ihm bekannt, dass er sich bisweilen nach seiner Rückkehr in die USA mit russischen Agenten traf. Einmal, so geht es aus den Akten hervor, habe er in der sowjetischen Botschaft in Washington angerufen, was offenbar abgehört wurde. Er habe sich mit seinem Namen vorgestellt, gebrochenes Russisch geredet und wie ein alter Bekannter gewirkt.

In einem weiteren Memo steht, dass Oswald nur wenige Wochen vor dem Anschlag nach Mexiko reiste und in der sowjetischen Botschaft von Mexiko City den KGB-Agenten Valeriy Vladimorovich Kostikov getroffen habe. Dieser Mann arbeitete für das 13. Departement des sowjetischen Geheimdienstes, das auch zuständig für Attentate war.

Laut Memo wird das von einem US-Senator wie folgt kommentiert: „Er (Oswald) geht sogar nach Mexiko Stadt, kontaktiert das kubanische Konsulat und die sowjetische Botschaft, hat Kontakt mit einem Agenten des KGB, der verdächtigt wird, zur Attentats- und Sabotage-Einheit zu gehören… Und dann kehrt Oswald in die USA zurück und wird nie wieder vom FBI befragt.“

4. Was wusste der damalige FBI-Chef J. Edgar Hoover?

Alles, was das FBI wusste, wusste auch dessen legendärer Chef Hoover, ein eingeschworener Intimfeind der Familie Kennedy. Die jetzt veröffentlichten Dokumente belegen beispielsweise, dass Hoover nach dem Mord an Kennedy und einen Tag nach der Festnahme von Oswald die zuständigen Ermittler in Dallas verständigt habe, dass das Leben des Attentäters in Gefahr sei.

Das belegt auch die Abschrift eines Gesprächs Hoovers: „Vergangene Nacht erhielten wir einen Anruf in unserem Büro in Dallas, von einem Mann, der mit ruhiger Stimme erklärte, er sei Mitglied eines Komitees, dass plante, Oswald zu töten. Wir informierten die Polizei und uns wurde versichert, dass Oswald ausreichend geschützt würde. Dennoch war dies nicht der Fall“, so das Protokoll vom 24. November 1963.

An diesem Tag wurde Harvey Lee Oswald, der bei den Vernehmungen immer nur gesagt hatte: „Ich bin nur ein Sündenbock!“, bei der Überführung in das Staatsgefängnis von Dallas vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby in den Bauch geschossen. Er starb zwei Stunden später.

Von Jack Ruby ist bekannt, dass er enge Kontakte zur Mafia pflegte und zeitweise als Informant für das FBI arbeitete. Er wurde für den Mord an Oswald zum Tode verurteilt. Das Urteil vom 14. März 1964 wurde zwei Jahre später aufgehoben, ein neuer Prozess war für Februar 1967 in Wichita Falls anberaumt, doch davor starb Ruby im Alter von 55 Jahren an Lungenkrebs.

5. Schickte die CIA Killerkommandos aus?

Das Brisante an den „JFK Files“ sind Dokumente, die offiziell belegen, dass der Geheimdienst CIA plante, „ausländische Staatschefs zu ermorden“. Das bestätigt ein CIA-Beamter in einem Papier mit dem Titel „Summer of Facts“ (Sommer der Fakten) vom 30. Mai 1975. Dabei plante die CIA auch, sich der „Mafia-Ressourcen“ zu bedienen. Laut dem Dokument schmiedete der Geheimdienst Mordpläne gegen Kongo-Führer Patrice Lumumba und Indonesiens Staatschef Sukarno.

Ganz oben auf der Todesliste stand in den 60er-Jahren Kubas Machthaber Fidel Castro. Einer dieser Attentatspläne habe vorgesehen, ihm 1961 ein Getränk mit aufgelösten Giftpillen zu verabreichen. Das sei jedoch gescheitert, weil Castro sein Stammrestaurant gewechselt habe.

Wörtlich heisst es Medienberichten zufolge in dem Papier: „Die Kommission hat festgestellt, dass die Agenten der CIA an der Planung in diesem Land mit bestimmten Bürgern und anderen beteiligt waren, um den (kubanischen) Premier (Fidel) Castro zu ermorden. Die Kommission hat auch festgestellt, dass die CIA an Waffenlieferungen aus diesem Land an Personen in der Dominikanischen Republik beteiligt war, die Generalissimo Trujillo ermorden wollten (der selbst an einem Versuch beteiligt gewesen war, den Präsidenten von Venezuela zu ermorden).

Ausserdem plante die CIA eine Art Bio-Krieg gegen Kuba: 1962 erörterten die Agenten, ob man mit „biologischen Mitteln, Ernteausfälle auf Kuba herbeiführen könnte.

Noch schockierender sind die Vorschläge für Flugzettel, in denen Kubaner zum Mord an Offiziellen der kommunistischen Partei Kubas aufgerufen wurden, um das Regime Castros zu destabilisieren. Da geht es auch um eine Preisliste mit Belohnungen für Auftragsmorde: Sie reichen von 5.000 bis 20.000 Dollar für einen Informanten der KP, bis zu 100.000 Dollar für ein Regierungsmitglied.

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