Emmanuel Macron – ein asexueller Don Juan?

Heute feiert Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron seinen 40. Geburtstag. Doch wer ist dieser Mann, der für viele als unergründlich gilt?

Wenn Staatschefs ihren Geburtstag feiern, bekommt das Publikum meist die ganze Härte staatlichen Brimboriums zu spüren. Bei Frankreichs Emmanuel Macron ist das etwas anders. Der Staat – in diesem Fall die staatliche Begleitmusik – wirkt irgendwie hilflos und sonderbar gelähmt, denn noch immer nicht kann man es sich hinreichend erklären, dass und wie dieser junge Mann ins Präsidentenamt kam. An diesem Donnerstag wird Macron 40.

Hinter dieser Zahl stehen mindestens drei unausgeschriebene Ausrufezeichen. Das gab es noch nie, dass einer mit 40 als Chef im Élysée-Palast sitzt. Dass einer mit 40 der Grande Nation diktiert, wohin der Weg führt und vor allem wohin nicht. In diesen Schockwellen des Erstaunens verharrt das Land immer noch, über ein halbes Jahr nach der Wahl des Phänomens Emmanuel Macron.

Scharfe Kritik an seiner Geburtstagsfeier

Also muss er sich selbst feiern. Und das tut er wie ein echter Staatspräsident von Frankreich, mit einer Verve, die ihm sein Vorvorgänger Nicolas Sarkozy (62) hätte eingeflüstert haben können. Gemeinsam mit seiner Frau Brigitte Macron (64) und anderen Familienmitgliedern und Gästen gab der Politiker vorab eine rauschende Party im Renaissance-Schloss Chambord.

Nun ist Chambord nicht irgendein altes Gemäuer auf dem Land, sondern der Inbegriff eines feudalen Loire-Chateaus. König Francois I. (1494-1547) hatte den märchenhaften Palast rund 200 Kilometer südwestlich von Paris errichten lassen. Für den Bau schöpfte der finanzschwache Monarch die letzten Reserven seiner Untertanen ab.

In Frankreich gilt Chambord, das mittlerweile in Staatsbesitz ist, mit seinen 440 Sälen als Wahrzeichen ungebremsten aristokratischen Amüsements. Der Dichter Molière (1622-1673) führte hier vor dem Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) seine Komödien auf. Das Schloss steht seit 1981 auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes und zieht jährlich rund zwei Millionen Besucher an.

Macron und seine Gäste nächtigten in einem der Gästehäuser in der Nachbarschaft des Chateaus für 800 bis 1’000 Euro pro Wochenende und Person. Sofort liess die Regierung mitteilen, dass Macron und seine Frau die Kosten aus privater Kasse zahlen würden. Doch da war es schon zu spät, die Kritik liess sich nicht mehr aufhalten.

Der linksgerichtete Politiker Jean-Luc Mélenchon (66) sagte der Zeitung „Le Figaro“: „Warum feiert er seinen Geburtstag auf Chambord? Was für eine seltsame Idee!“ Nicolas Dupont-Aignan (56), Gründer der rechtskonservativen Partei DLF, wurde etwas deutlicher: „Während die Franzosen unter Steuern, Unsicherheit und Immigration leiden, feiert Macron seinen 40. Geburtstag auf Chambord. Die Zeitalter verstreichen, aber die Oligarchie ist kein Teil des Volks.“ Und Lionnel Luca (63) von den Republikanern fragte via Twitter ironisch: „Wer ist der König?“

Einer wie „Jupiter“

Bereits vor seinem Wahlsieg hatte der jugendliche Macron seine Landsleute wissen lassen, die Franzosen wollten keinen normalen Präsidenten, sondern einen wie „Jupiter“. Der war die oberste Gottheit der Römer, eine Instanz, die über Kritik und jeglichen Widerspruch steht. Sieht Macron sich selbst so? Nach über sieben Monaten Amtszeit hat er den Ruf, „die Macht zu sehr auf sich zu konzentrieren und ein Präsident der Reichen zu sein. Böse Zungen werfen ihm vor, sich als Sonnenkönig zu inszenieren“, schreibt „Bild“.

Andere wiederum nehmen an ihrem Staatsoberhaupt napoleonische Züge wahr. „Macron ist Bonaparte“, sagt der französische Grossrabbiner Haim Korsia (54), der Ähnlichkeiten zum jungen Napoleon ausgemacht hat. Wie sein grosser Vorgänger sei er nach einer Periode erschienen, in denen die Köpfe fielen: Nicolas Sarkozy (62), Alain Juppé (72), Manuel Valls (55), Francois Hollande (63).

Die französische Autorin Anne Fulda (54) beschreibt in ihrer Biografie „Emmanuel Macron – Un jeune homme si parfait“ (etwa: Ein allzu perfekter junger Mann) den Werdegang eines Hochbegabten, der stets ältere Ziehväter gesucht, gefunden und sich von ihnen emanzipiert hat. Fulda hat mit den Eltern, mit Freunden und Wegbegleitern gesprochen und kommt in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu dem Schluss: „Schon als Kind suchte Macron die Gesellschaft und das Urteil der Erwachsenen. Das ist bei ihm wirklich ein Phänomen, das weit zurück reicht. Sein Vater und seine Mutter haben mir gesagt, dass er immer von der Erwachsenenwelt angezogen war. Er hat einfach so weiter gemacht. Er war vor allem von jenen angezogen, die Wissen haben und vielleicht auch die Macht.“

Der Sozialist Julien Dray (62) hat deshalb Macron einen „Verführer der Alten“ genannt. Eine hübsche Umschreibung, die allerdings angesichts der Ehe des Staatspräsidenten von beissendem Zynismus ist.

Laetitia Casta kann ihm nichts anhaben

Anne Fulda hat sich mit Macrons Mutter in Paris und seinem Vater in Amiens getroffen. Die Eltern, beide Ärzte, leben seit 1999 getrennt, seit 2010 sind sie geschieden. Macrons Mutter Francoise Macron-Noguès spricht auch von dem gravierenden Ereignis in der Jugend ihres Sohnes: Als 17-jähriger Schüler hatte er sich auf dem Jesuiten-Gymnasium seiner nordfranzösischen Heimatstadt Amiens in seine 24 Jahre ältere Französischlehrerin Brigitte Trogneux verliebt. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches, viele Schüler schwärmen in diesem Alter für ihre Lehrerinnen. Emmanuel Macron jedoch hatte es sich in den Kopf gesetzt, diese Frau, Mutter von drei Kindern, zu heiraten. Und wie fast alles in seinem Leben, realisierte er auch diesen Plan.

Die Mutter sagt, dass sie „nicht vor Freude gejauchzt“ hätte, als sie von der Liaison ihres Sohnes erfuhr. Aber man habe sich damit arrangiert. Die Beziehung ihres Sohnes zu seiner Frau beschreibt Francoise Macron-Noguès als rein symbiotisch: „Man könnte Laetitia Casta vor ihm entkleiden, das würde ihm nichts anhaben.“

Um einen Skandal zu vermeiden, wechselte Macron zunächst an die Pariser Eliteschule Henri IV, wo er sein Abitur machte. Beim Abschied soll er Brigitte Trogneux versprochen haben, dass er wiederkomme – um sie zu heiraten. Da war er 17 und sprach filmreif: „Egal, was Sie tun, Madame: Ich werde Sie heiraten.“ Brigitte liess sich von ihrem Banker scheiden und 13 Jahre später wurde das Versprechen Macrons in die Tat umgesetzt. Eine „amour fou“ wie im Film wurde Realität.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ meint: „Die Franzosen lieben dieses Paar und seine Geschichte. Wäre Macron zum Beispiel mit der 32-jährigen Anwältin Tiphaine Auzière liiert, würde er viel eher wie ein junger, überehrgeiziger Streber wirken. Aber Tiphaine ist nicht seine Frau, sondern seine Stieftochter; sie ist das Kind von Brigitte Trogneux.“

Die anderen beiden Trogneux-Kinder sind älter als er selbst. Eigene Kinder hat das Paar nicht. Er habe sich entschieden, so „Bild“, für die Kinder und sieben Enkel seiner Frau ein guter Stiefvater und -Opa zu sein. Macron verbringt mit seiner Familie die Wochenenden oft zu Hause in seiner Villa im Seebadeort Le Touquet (Département Pas-de-Calais).

Sein kometenhafter Aufstieg

Brigitte, die erst gar nicht versucht, ihr Alter und ihre Falten zu kaschieren und deshalb von den französischen Modemagazinen als neue Stilikone gefeiert wird, verleiht dem jugendlichen Macron eine Aura von Reife und Charakter. Eine Grundvoraussetzung, wenn einer mit 39 Staatspräsident von Frankreich wird. Ehefrau Brigitte bestärkt ihn darin. Sie soll einmal gesagt haben, dass der Grund dafür ihr Alter sei. Man wisse ja nicht, wie alt sie in fünf Jahren neben ihm aussehen würde.

Zunächst studierte Macron Philosophie an der Universität Paris-Nanterre und Politikwissenschaften am Sciences-Po, eine Hochschule, die 2017 beim weltweiten Uni-Ranking nach Harvard, Oxford und der London School of Economics auf Platz 4 liegt. Danach absolvierte er ein weiteres Studium an der legendären Verwaltungshochschule ENA. Selbstredend machte er eines der besten Examina und bekam einen Job als Finanzdirektor im Finanzministerium. Da war er 27.

Anschliessend arbeitete Macron in der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Institut Montaigne, bevor er in die Pariser Investmentbank Rothschild & Cie wechselte, wo er den 12-Milliarden-Dollar-Deal bei der Übernahme der Babynahrungsparte des US-Konzerns Pfizer durch Nestlé einleitete.

2012 holte ihn Staatspräsident Francois Hollande als Wirtschaftsberater. Nur zwei Jahre später wurde Macron Minister für Wirtschaft, Industrie und Digitales. Im Sommer letzten Jahres legte er dieses Amt nieder – um selbst Staatspräsident zu werden.

Auch bei seinen Hobbys ein Überflieger

Macron liebt Thaiboxen und tobt sich ebenso gern auf dem Tennisplatz aus. Er spielt Klavier, und zwar so gut, dass man ihn den „Mozart im Élysée-Palast“ genannt hat. Natürlich war er ein Wunderkind, das Nachwuchswettbewerbe gewonnen hat. Er hätte ein grosser Pianist werden können, aber Emmanuel Macron hatte sich nun mal in den Kopf gesetzt, Staatspräsident von Frankreich zu werden.

Dieser Mann ist für die meisten Franzosen nach wie vor ein Rätsel. „Emmanuel Macron? Er wirkt ein wenig wie ein Mutant“, sagte der Schriftsteller Michel Houellebecq (61) beim TV-Sender „France 2“. „Ich habe versucht, ihn zu interviewen. Er spricht sehr gut, aber ihm eine Wahrheit zu entreissen, das ist wirklich sehr schwer.“

Für die Autorin Anne Fulda ist der „unergründliche“ Macron eine Art „asexueller Don Juan“, der mit seiner Überzeugungskunst alle fasziniere, aber von sich kaum etwas preisgebe. Sie hat einen Gegensatz beobachtet, „zwischen einer liebenswerten, entgegenkommenden, sympathischen, ja beinahe freudigen Fassade und einer Persönlichkeit, die in Wahrheit messerscharf sein kann, von einer eisigen Entschlossenheit und Undurchdringlichkeit. Seine Frau Brigitte hat mir anvertraut: Er braucht niemand. Er lässt niemand in seinen Sperrbereich ein.“

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