Lotte Tobisch-Labotýn: Wiener Salondame zieht über Richard Lugner her

Die ehemalige Organisatorin des Wiener Opernballs, Lotte Tobisch-Labotýn, sieht in der einst prunkvollen Veranstaltung ein besseres „Faschingsfest“. Und Richard „Mörtel“ Lugner? Der ist in ihren Augen „ein Wurschtel“.

Der Wiener Opernball gilt als das glanzvollste Fest im alten Europa. Diesen Donnerstag ist es wie jeden Donnerstag vor Aschermittwoch wieder soweit. Die Staatsoper zu Wien wird zur „perfekten Bühne der Selbstinszenierung“ („Die Welt“). Film- und Musikstars sowie Berühmtheiten aus Politik, Kunst und Wirtschaft geben sich die Ehre, auch jede Menge Adabeis, wie der Wiener Volksmund Herrschaften zu bezeichnen pflegt, die stets „auch dabei“ sind, wo die Scheinwerfer des Fernsehens die Szene ausleuchten.

Die guten alten Zeiten

„Ein Faschingsfest“, findet Lotte Tobisch-Labotýn (91). Ja, sowas?! Ausgerechnet eine Wienerin würdigt den prickelnden Höhepunkt der Ball-Saison auf ein simples Faschingsvergnügen herab?

Die Dame muss es wissen. Die ehemalige Burgschauspielerin gilt als Inbegriff der eleganten Wiener Salondame. 15 Jahre lang (1981-1996) leitete sie als Organisatorin den Wiener Opernball. Nun sagt sie: „Es ist traurig, dass auf dem Ball immer weniger Brillanz ist.“

Einst war es DAS Fest der grossen Namen. Es geht zurück auf die Zeit des Wiener Kongresses 1814/15. Am heutigen Standort fand der Ball erstmals 1877 als Hofopern-Soirée statt. Schirmherr war Kaiser Franz Joseph I., höher ging’s nimmer. Seine Majestät wollte aber nicht, dass getanzt wurde, weil er aufrührerische Tumulte wie bei den Opernbällen von Paris befürchtete.

Allerdings dirigierte der legendäre Johann Strauss (Sohn) das Hofopernorchester, und als sein Bruder Eduard erstmals eine Opern-Soirée-Polka aufführte, gab es kein Halten mehr. Die Sessel wurden beiseitegeschoben, und die Paare wiegten sich im Takt der Strauss-Musik. Seitdem wird auf dem Opernball getanzt.

Mörtel statt Kaiser

Heute gibt sich kein Kaiser mehr die Ehre, selbst der Fussball-Kaiser weilt lieber in Kitzbühel als in Wien. Auch ein strahlendes Genie wie Johann Strauss ist auf dem Opernball nicht in Sicht. Dafür sonnt sich ein Baulöwe in der Gunst der Massen, wobei der Begriff Löwe für Richard Lugner (85) doch reichlich übertrieben scheint, denn er gibt sich meist lieb und schmusig wie ein Steiff-Tierchen. Die Wiener nennen ihn schlicht „Mörtel“, weil das mit seinem Beruf zu tun hat und irgendwann bei jedem der Kalk rieselt…

Der „Mörtel“ ist praktisch der Star des Wiener Opernballs, er lädt jedes Jahr bekannte bis berühmte Damen gegen Bezahlung in seine Loge ein, d.h. er zahlt, sie kommt. Dieses Jahr darf er die amerikanische Schauspielerin Melanie Griffith auf das Parkett bitten.

Beleidigtes Leber-Wurschtel?

„Der Lugner is a Wurschtel“, sagt Lotte Tobisch-Labotýn im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „A Wurschtel“ heisst so viel wie „ein Würstchen“. Das ist trefflich beobachtet und überhaupt nicht bös‘ gemeint, denn: „Wurschtel muss man aushalten. Ich hab ihn immer verteidigt. Der passt mit seinen Gästen so gut auf ein Faschingsfest.“

Doch beim „Wurschtel“ Mörtel will sich keine Faschingsstimmung einstellen. Er ist unwirsch, um nicht zu sagen: sauer. Die Ball-Leitung hat ihm „anstatt wie üblich eine Loge im ersten Rang, nur eine im zweiten Rang zugewiesen“, hat die „Gala“ berichtet. „Wenn man mich so schlecht behandelt, werde ich mir überlegen, wie lange ich das noch mache“, erklärte Mörtel der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Ist das nun ein resignierter Hinweis auf sein hohes Lebensalter – oder droht er mit Boykott? Ein Opernball ohne das Wahrzeichen Mörtel?

Alles Blendwerk?

Das mit dem Glanz ist so eine Sache, findet Lotte Tobisch-Labotýn. Man sollte sich nicht davon blenden lassen, von den Kronleuchtern und der vornehmen Garderobe der Gäste. „Ach, nur weil dort alle Fräcke und Abendkleider tragen und die [österreichische – Anm. d. Red.] Bundesregierung kommt, sieht es von aussen vielleicht so aus, als liefere der Ball ein einheitliches Gesellschaftsspiel. Aber das stimmt nicht! Vom Gaunersohn Gaddafi über die Witwe des philippinischen Diktators bis zu den Metternichs war doch schon wirklich alles schon mal da. Der Charme der Sache ist, dass die mal alle unter einem Dach tanzen.“

Im Grunde genommen sei der Wiener Opernball „ein Geschäftstreffen. Wenn ich zum Beispiel damals gehört habe, der Herzog von Edinburgh ist gerade in Österreich beim World Wildlife Fund, da habe ich den aber sofort in meine Dienstloge eingeladen. Und so habe ich es auch mit Udo Jürgens gemacht, Attila Hörbiger oder Paula Wessely. So hat der Ball Glanz bekommen. Aber mittlerweile verkaufen die ja jedes Loch. Nur, um Geld herauszuschlagen.“

Na ja, wenigstens kommt mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ein superlativer Gast: der jüngste Regierungschef der Welt. Da wird selbst die charmante Lotte Tobisch-Labotýn unwirsch: „Erinnern S‘ mich bloss nicht an die G’schicht. Da wird mir ganz übel. Den Kurz kann ich wirklich nur bedauern, dass er sich mit dem Strache [Vizekanzler von der FPÖ – Anm. d. Red.] und seiner ganzen Gesellschaft ins Bett legen musste. Das ist ein schlimmes Malheur. Seid bitte froh, dass ihr die Merkel habt. Die Alternative ist schrecklich.“

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