War Daniel Küblböck allein mit seinem Schmerz?

Das Drama um den vermissten Daniel Küblböck wirft weiter Rätsel auf. Seit jeher hat der ehemalige „DSDS“-Kandidat polarisiert.

Schräger Vogel! So fiel das erste Urteil über ihn aus. Und, etwas distanzierter: schriller Typ! Da war ein Junge aus der niederbayrischen Provinz, aus Hutthurm bei Passau, wie ein bebrilltes Monchichi-Püppchen auf die Bühne der RTL-Show „Deutschland sucht der Superstar“ gehüpft. Direkt vor die Jury um Dieter Bohlen (64).

In den frühen Morgenstunden des 9. Septembers verschwand er im Seegebiet vor der kanadischen Küste von Bord des Kreuzfahrtschiffes AIDAluna. Ist er gesprungen? War es ein Unfall? Die kanadische Küstenwache hat die Suche eingestellt. Seine Familie hofft weiterhin „auf ein grosses Wunder“. Der Fall wirft Rätsel auf.

Ein Pop-Derwisch begeistert die Nation

Er war gerade mal 17 und hatte eine Ausbildung zum Kinderpfleger begonnen, als er sich beim RTL-Casting beworben hatte. Ein Junge, dessen Drang nach mehr so viel stärker war als die Scheu vor der grossen Welt da draussen. Als Sänger wollte er antreten und ein Superstar werden. Ein nettes, etwas vorlautes Kerlchen mit Hornbrille, langen Haaren, lustigen Augen und einem spitzbübischen Lächeln.

Das war vor 15 Jahren. Dieter Bohlen und seine Mitstreiter hatten alle möglichen und unmöglichen Talente gesichtet und abgebügelt. Doch diesmal waren sie von diesem Daniel mit dem komischen Nachnamen verblüfft, nein, von den Socken! Richtig singen konnte der nicht wirklich, doch dies tat er mit einer hinreissenden Inbrunst. Und er bewegte sich auf der Bühne wie ein Pop-Derwisch, dem jemand etwas in den Kaffee geschüttet hatte.

Das Ergebnis: Platz drei in der ersten Staffel von „DSDS“ – und Deutschland sprach von Daniel Küblböck, wie man von einem grossen Star spricht. Unentwegt! Er war in allen Medien präsent. Daniel veröffentlichte seine erste Single „Drive Me Crazy“ (produziert von Dieter Bohlen), er gab Konzerte, sogar unplugged, er drehte einen Werbespot für eine Molkerei, und mit 18 schrieb er seine erste Autobiografie „Ich lebe meine Töne“.

Er wurde „Brillenträger des Jahres 2003“, die „Bravo“ gab ihm einen silbernen Otto als „zweitbesten Nachwuchskünstler“, bei den New Faces Awards zeichnete man ihn als bester Newcomer 2003 aus. Doch da muss er bereits gespürt haben, dass seine Art der Popularität noch eine andere Seite hatte, eine wesentlich dunklere.

Die Schattenseiten des Ruhms

Es folgten Auftritte in TV-Formaten wie „Big Brother“, dem RTL-Dschungelcamp sowie der viel belachte Unfall mit einem Gurkenlaster, den Daniel ohne Führerschein verursachte und bei dem er schwer verletzt wurde. Der junge Herr Küblböck bekam zu spüren, dass die Bekanntheit, die er mit aller Macht suchte, auch Häme über diesen bizarren Clown, ja sogar Hass auf seine androgyne Erscheinung mit sich brachte.

„Da sass er nun mit all dem Ruhm und Spott, dem schnellen Geld und noch schnellerem Hass im Vorgestern: nach rasantem Gipfelsturm tief im Tal abgedankter B-Promis wie im ‚Dschungelcamp‘, ein Fossil des Trash-TV im Teenageralter“, so beschreibt die Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ die Situation des vormaligen Publikumslieblings Daniel Küblböck.

2011 hatte er sich von einer 70-jährigen Millionärin auf Mallorca adoptieren lassen. Aus Daniel Küblböck wurde Daniel Kaiser (nach seiner Adoptivmutter) und schliesslich Daniel Kaiser-Küblböck. Über sein Zwischenspiel als erfolgreicher Geschäftsmann und Investor in Solaranlagen wurde stets im Konjunktiv berichtet: Er habe nach eigenen Angaben Millionen verdient. Möglich, vielleicht. Und seine Vermarktungsfirma „Positive Energie GmbH“ wurde 2013 im Handelsregister gelöscht. Eine Teilnahme am Eurovision Song Contest 2014 wurde von der Jury des NDR abgelehnt.

Er versuchte einen Imagewechsel. Kurze Haare, keine Brille mehr, seriöse Schauspielausbildung. Der grosse Karriereschub blieb aber aus. Ist Daniel Küblböck an der Schattenseite seiner Popularität gescheitert? Oder hat er sich in ein Selbstbild verrannt, dass er von seinem Publikum ungeteilte und bedingungslose Sympathie erwartete?

Ein ständiger Spiessrutenlauf

Olivia Jones (48), die bekannteste Travestiekünstlerin des Landes, kennt Küblböck seit vielen Jahren. „Er war ein Freund von mir und ein fröhlicher Mensch. Aber er wurde auch sein ganzes Leben lang gemobbt, hat noch mehr polarisiert als ich“, sagt die Hamburger Kiez-Königin der „Welt“. Was Küblböck erlebt habe, sei schlimm gewesen – ein ständiger Spiessrutenlauf. „Er wurde beschimpft und ausgelacht. Mobbing macht viele Leute kaputt, denn es ist ja nicht jeder so stark wie ich“, so Jones.

Auch Daniel Küblböck sprach oft von Mobbing gegen ihn, zuletzt bei seiner Schauspielausbildung am Europäischen Theaterinstitut in Berlin (ETI). Er soll Anfang August in einem Facebook-Posting schwere Vorwürfe gegen seine Mitschüler und die Leiter der Schule erhoben haben: „Dieses monatelange Mobben an meiner Schule in meiner Klasse hat mich doch zutiefst in meiner Seele erschüttert“, zitierten verschiedene Medien aus dem mittlerweile gelöschten Beitrag.

Ein erst jetzt bekannt gewordener Instagram-Account sorgt für weitere Fragezeichen. Auf dem nicht verifizierten Instagram-Account mit dem Namen rosa_luxem, der erst am 2. September angelegt wurde, scheint Küblböck während der Kreuzfahrt Bilder von sich online gestellt zu haben. So sind dort unter anderem Schnappschüsse aus Island zu sehen und mehrere Selfies, die Küblböck geschminkt und mit Frauenkleidern zeigen. Die Selfies wurden ausserdem unter anderem mit den Hashtags „#transformation“, „#transsexuelle“ und „#aida“ garniert.

Hat niemand wahrgenommen, wie verzweifelt der schräge Vogel wirklich war? Hatte das Bekanntheitswunder von einst keinen, der mit ihm diesen Schmerz teilte? Oder war es ein tragischer Unfall?

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