Ingrid Steeger: Ein Leben zwischen Himmel und Hölle

Nein, der 70. Geburtstag von Ingrid Steeger ist kein Aprilscherz. Und auch das Leben der meist nackten Ulknudel war alles andere als ein Witz.

Dass Ingrid Steeger, geborene Stengert, ausgerechnet am 1. April Geburtstag hat, ist nur mehr eine Ironie des Kalenders. Die Frau, die im deutschen Humorwesen als meist nur leicht bekleidete „Ulknudel“ einen festen Platz hatte, ist alles andere als ein Aprilscherz. „Selten lagen bei einem TV-Star Ulk und Tragödie, Klamauk und Charakter so eng beieinander“, schrieb der „Spiegel“ in einer erstaunlichen Hommage. Diesen Samstag wird das ewige Blondinchen, Körpergrösse 1,59 Meter, 70 Jahre alt.

Einige Kritiker haben in ihr sogar eine Art deutsche Marilyn Monroe gesehen. Das lag vor allem an der naiven, ja unschuldigen Art, ihren Sex zu präsentieren. Wenn die Steeger mit nacktem Oberkörper durch das Bild wippte, wehte ein Hauch von Aprilfrische durch die Kinos. Das Schwülstige blieb den Titeln vorbehalten.

Der Beginn der „Bettkarriere“

„Die liebestollen Baronessen“, „Blutjunge Verführerinnen“ oder „Bettkarriere“ hiessen die Filmchen, bei denen die Sekretärin eines Westberliner Architektenbüros in der Regel ausgezogen mitwirkte. Ein Fotograf hatte sie zu einer Karriere als Fotomodell überredet und von da war es nicht weit zu diversen Folgen des „Schulmädchen-“ und „Hausfrauen-Reports“.

In der Softsex-Klamotte „Ich – ein Groupie“ von 1970 spielte die Steeger ein blutjunges Ding, das einem Rockstar hinterher jagt, nachdem sie eine Nacht mit ihm verbracht hatte. Der Film hatte für ihr Leben durchaus symbolischen Charakter. „Das Fan-Sein und die damit einhergehende Abfolge von Sehnsucht und Enttäuschung bestimmte im Grunde genommen auch ihr künstlerisches Schaffen und ihr Privatleben, das sie geradezu professionell mit der Öffentlichkeit teilte“, schrieb der „Spiegel“.

Und: „Da war immer je nach Gefühlslage und mentaler Verfassung ein eitler Regisseur, ein betrügerischer Dakota-Indianer oder ein französischer Intellektueller, dem sich Steeger ohne Wenn und Aber hingab.“

Die lieben Liebschaften

Von 1973 bis 1975 war sie mit dem Kameramann Lothar Elias Stickelbrucks verheiratet. Danach war der Regisseur Michael Pfleghar ihr Lebensgefährte. Anschliessend ging sie mit dem Grosswildjäger Peter Koenecke nach Kenia. Von 1983 bis 1987 lebte sie mit dem französischen Schauspieler Jean-Paul Zehnacker zusammen, von 1988 bis 1992 war sie die Zweitfrau von Regisseur Dieter Wedel. Nach der Trennung von ihm heiratete sie den US-amerikanischen Umweltschützer Tom LaBlanc. Die zweijährige Ehe mit dem Indianer war eine einzige Katastrophe, die eine seelisch und wirtschaftlich zerstörte Ingrid Steeger hinterliess.

Da hatten ihr die beiden Regisseure Michael Pfleghar und Dieter Wedel mehr Glück gebracht. Pfleghar machte sie ab 1973 in seinen rasanten Nonsens-Serien „Klimbim“ und „Zwei himmlische Töchter“ zum Star. Und mit Dieter Wedel war ihr in der Rolle der Mona im Vierteiler „Der grosse Bellheim“ der Wechsel ins seriöse Rollenfach gelungen.

Der Aufstieg, der Fall

Ingrid Steeger war auf dem Höhepunkt ihrer Karriere eine der beliebtesten Schauspielerinnen in Deutschland. Sie wurde mit diversen Ottos, der Goldenen Kamera sowie dem Bambi ausgezeichnet. Und sie war eine der ersten, die im Werbefernsehen auftrat. Vermutlich war sie sogar die erste Frau, die für ein Rasierwasser Reklame machte, als sie mit ihrer typischen quengelig-depressiven Stimme in die deutschen Wohnzimmer hauchte: „Manchmal bin ich irre traurig, dass ich kein Mann bin, weil es so viele schöne Sachen gibt, die nur für Männer sind.“

Doch dann kommt die Zeit, in der die TV-Macher die naive Blondine und „ihr wunderbar komisches und präzise getaktetes Augenklimpern“ („Spiegel“) nicht mehr sehen und auf dem bisherigen Level beschäftigen wollen. Zeitgleich bahnt sich die katastrophale Ehe mit Tom LaBlanc an, die auch zum wirtschaftlichen Fiasko wird. Am Ende stehen Depressionen, Hartz IV und Sozialhilfe. Und selbst in diesen scheinbar ausweglosen Situationen zeigt sie weiterhin ganz offen ihre gutmütige, naive Wesensart und offenbart in zahlreichen Medien ihre fatale Lebenssituation.

Nur in einem Punkt widersteht sie. Als Trash-Shows wie „Dschungelcamp“, „Promi Big Brother“ oder „Promi Shopping-Queen“ anrufen, lehnt sie alle Angebote ab. Die Intimität stört sie, das unentwegte unter Beobachtung stehen. Und: „Man holt sich selbst von seinem kleinen Thrönchen herunter.“

Die andere Steeger

Ingrid Steeger zeichnet in ihrer Autobiographie „Und find es wunderbar. Mein Leben“ (Lübbe, Köln. 306 S.) ein anderes Bild als jenes, das die Öffentlichkeit von ihr hat. Sie berichtet in teilweise düsteren Kapiteln von ihrem Grossvater, der sie missbraucht hat, von ihrem prügelnden Vater und der gefühlskalten Mutter. Von mehrfachen Vergewaltigungen und zahlreichen Erniedrigungen.

„Sie lässt alles geschehen, hilft anderen aus Nöten, sie ist fremdbestimmt und gutmütig und stets wahnsinnig offenherzig. Sie durchschaut manchmal die Absichten und macht dennoch mit“, schreibt die „Welt“. In einem Interview mit der Zeitung sagt sie: „Ich habe gelernt, dass der Körper mir nicht gehört. Der gehört den anderen, aber nicht mir. Wie ich mir überhaupt selten gehört habe. Ich wollte gehorchen. Ich wollte gefallen. Ich habe einfach Ja gesagt.“

Die letzte ihrer Art

Sie hat sich wieder gefangen, spielt Theater, besucht Freunde in ganz Deutschland. Vom alten „Klimbim“-Team sind kaum noch welche übrig geblieben. Der Serien-Erfinder Michael Pfleghar erschoss sich 1991 in der Badewanne seiner Düsseldorfer Wohnung. Regisseur Tom Pröve wurde 2004 von seinem Sohn tot in der Dusche aufgefunden. Er starb mit 50 an einem Gehirnschlag. Klaus Dahlen erlitt mit 67 einen tödlichen Herzinfarkt, die enge Steeger-Freundin und Kollegin Elisabeth Volkmann erlag mit 70 einem Herz- und Kreislaufversagen. Horst Jüssen starb 2008 mit 67 Jahren an Krebs und Peer Augustinski hat seinen Schlaganfall von 2005 nur um neun Jahre überlebt.

Manchmal denkt auch Ingrid Steeger, die mit ihrer kleinen Hündin Eliza Doolittle zurückgezogen in München lebt und sich um Obdachlose und ausgesetzte Tiere kümmert, an das Ende. „Ich glaube an ein Leben nach dem Tod und auch an die Wiedergeburt. Ich bin aber nicht unbedingt begeistert davon. Man fängt ja ganz von vorn an und muss dann durch alle Untiefen – aber auch Freuden – erneut durch“, sagt sie in einem Interview auf ihrer Homepage.

Darin redet sie auch vom Kauf eines Grabsteins: „Ich habe mir eine riesengrosse Schnecke ausgesucht – eigentlich ein schwerer, grosser Gartenstein. Ich betrachte die Schnecke nicht wirklich als Grabstein, sondern eher als ein Kunstwerk.“

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