Ursachen für Übergewicht: Liegt es am üppigen Lebensmittelangebot?

Viele Inhaltsstoffe verarbeiteter Lebensmittel sind ursächlich für Übergewicht.

Quelle: Ljupco Smokovski / Shutterstock.com

Genetische Veranlagung, mangelndes Wissen oder das heutige Lebensmittelangebot können ursächlich für jahrelanges Übergewicht sein. Dr. Petra Bracht klärt im Interview auf: „Wenn man weiss wie, kann jeder Mensch gesund und dauerhaft abnehmen.“

Übergewicht kann viele Ursachen haben. Oft seien Betroffene gar nicht schuld an ihrer Fettleibigkeit, betont Dr. Petra Bracht, Autorin von „Abnehmen garantiert“ (Gräfe und Unzer), im Interview mit spot on news. Die Ernährungsexpertin klärt über die Folgen des heutigen Lebensmittelangebots auf und verrät ausserdem den Schlüssel, für einen langfristigen Abnehmerfolg.

Frau Bracht, in Ihrem neuen Buch „Abnehmen garantiert“ beschreiben Sie, dass viele Menschen nichts für ihr Übergewicht können. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?

Dr. Petra Bracht: Weil es tatsächlich unserer Biologie entspricht, immer dann zu essen, wenn Essen vor unseren Augen auftaucht. Einfach, um sicherzustellen, dass wir für Notzeiten gewappnet sind. Doch solche Phasen der Not kennen wir schon lange nicht mehr. Seit den 70er Jahren schwelgen die Menschen zumindest in den Industrienationen zunehmend im Überfluss. Zusätzlich hat sich leider auch noch die Qualität der Nahrung in höchstem Masse verändert. Mehr Süsses, mehr Fettiges, mehr Tierisches und all das sehr oft in Form von industriell veränderten Fertigprodukten. Leider nehmen wir Menschen solche Vereinfachungen gerne an, tickt ja zusätzlich noch das Bequemlichkeitsgen in uns, das uns aus Energiespargründen auch noch von regelmässiger körperlicher Bewegung abhalten will.

Gibt es auch genetische Veranlagungen, die zu Übergewicht führen?

Bracht: Ja, natürlich. Aber Gott sei Dank wissen wir, dass es eine übergeordnete Instanz, die Epigenetik, gibt, die kurz gesagt alle Gene mit Hilfe von willentlichen Ernährungs- und Lifestyleveränderungen an- oder abschalten kann. Das bedeutet durch Ernährung, Bewegung und psychische Faktoren können wir Übergewicht fördernde Gene abschalten und Normalgewicht unterstützende anschalten. So können wir uns ein gesundes Essverhalten antrainieren, neue Gewohnheiten schaffen und damit die Gene, die uns verführen wollen, einfach unwirksam machen. Leider machen viele Menschen es genau umgekehrt.

Viele wissen womöglich gar nicht, dass die genetische Grundveranlagung, die uns essen lässt, leicht überwunden werden kann.

Bracht: Wissen gibt Macht, in unserem Fall darüber, es gar nicht erst zum Übergewicht kommen zu lassen oder wenn es schon da ist, es abbauen zu können. Genau deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Um die ursächlichen Zusammenhänge zu erklären und somit den Menschen die Möglichkeit zu geben mit diesem Wissen dem Problem des Übergewichts die Stirn zu bieten. Für mich ist völlig zweifelsfrei: Wenn man weiss wie, kann jeder Mensch gesund und dauerhaft abnehmen, ohne sich quälen zu müssen.

Welche Folgen und Risiken hat jahrelanges Übergewicht?

Bracht: Als Ärztin beobachte ich seit mehr als 35 Jahren, was Übergewicht mit meinen Patienten und den vielen Übergewichtigen in unserem Land macht: Es macht krank. Nicht nur, dass es für einige zu einem Selbstwertproblem und anderen psychischen Problemen führen kann. Es führt mit Sicherheit auch, abhängig von der Dauer und des Grads des Übergewichts, zu diversen Krankheiten, die mit den Begriffen Zivilisationserkrankungen und Volkskrankheiten zusammengefasst werden: Diabetes, Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, metabolisches Syndrom, Autoimmunerkrankungen bis hin zu Krebserkrankungen.

Inwiefern wirkt sich Übergewicht auf die Lebensqualität aus?

Bracht: Diese Menschen sind oft unzufrieden, manche sogar sehr unglücklich, zweifeln an sich selbst, weil sie den Verführungen nicht entkommen können und sind nicht selten auch depressiv. Um wenigsten einige Lichtblicke in ihrem Leben zu bekommen, holt sie die Dopaminfalle, unser körpereigenes Belohnungssystem, wieder ein, das bei jeglichem Kontakt zum Essen zuverlässig erst einmal dieses Glückshormon ausschüttet, um die Betroffenen dann anschliessend wieder in das nächste Loch fallen zu lassen. Ein fataler Negativkreislauf.

Sie haben bereits angedeutet, dass das heutige Lebensmittelangebot dabei ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Bracht: Insbesondere die „schnellen“ Nahrungsmittel, abgepackt in Dosen, Tüten oder Kartons, im Kühlfach der Supermärkte sind voll von süchtig machenden Inhaltsstoffen. Zuckerhaltig, fetthaltig, salzig und gespickt mit vielen Zusatzstoffen scheinen sie wie perfekt zugeschnitten auf den modernen Lebensstil. Aber sie sind schlicht weg hochgradig ungesund und machen uns oft sogar abhängig. Leider kennen auch die Marketingstrategen der Nahrungsmittelindustrie diese Zusammenhänge und platzieren diese Nahrungsmittel genau in Augenhöhe und an speziellen Punkten im Supermarkt, um den Käufer zu „verführen“, was im Übrigen leider auch hervorragend mit Kindern gelingt.

Gibt es weitere Ursachen, warum heutzutage auch viele Kinder bereits an Übergewicht leiden?

Bracht: Sie werden nicht selten bereits im Mutterleib überfüttert. Schon dort können die entsprechenden Entwicklungen installiert werden. Übergewicht im Kindesalter ist fast schon ein Garant dafür, als Erwachsener weiterhin mit diesem Problem konfrontiert zu werden. Ausserdem übernehmen Kinder die Essgewohnheiten ihrer Eltern. Deswegen – und nicht wegen der genetischen Verwandtschaft – sind die Kinder von übergewichtigen Eltern sehr häufig ebenfalls bereits zu dick.

In Ihrem Buch garantieren Sie, dass jeder abnehmen kann. Wie funktioniert das?

Bracht: Indem man gesunde Lebensmittel zu sich nimmt, die alle Nährstoffe, vor allem auch viele Mikronährstoffe, enthalten, viel Volumen geben und so die gesamten Sättigungsmechanismen in unserem Körper befriedigen. Dazu gehören insbesondere alle pflanzlichen Lebensmittel mit einem hohen Ballaststoffgehalt, wie Hülsenfrüchte, Gemüse, Salate und Co.

Kann man denn satt werden und dabei trotzdem gesund abnehmen?

Bracht: Aber natürlich, wenn wir Lebensmittel mit einem hohen Volumen und hoher Nährstoffdichte, aber im Verhältnis wenig Kalorien zu uns nehmen. Und dafür muss man kein Ernährungsspezialist zu sein. Wenn man sich zu möglichst hohen Anteilen an Pflanzenkost entscheidet, macht man damit so gut wie nie etwas falsch. Gemüse, Salate, Bohnen, Linsen, Früchte und Nüsse füllen sehr schnell unseren Magen, der etwa ein Liter Füllungsvermögen hat. Ausserdem sollten wir uns das ständige Zwischendurchessen abgewöhnen, denn das sorgt dafür, dass wir häufig Insulin in unserem Blut haben und damit den Fettstoffwechsel stoppen.

Was sind Ihre liebsten Abnehm-Tipps?

Bracht: Nicht mit Hunger einkaufen gehen und genau aufschreiben, was man einkaufen möchte, um sich in den Supermärkten nicht verführen zu lassen. Vor dem Essen ein grosses Glas Wasser trinken, dann eine feine Suppe essen, als nächstes kommt der füllende Salat mit vielen Nähr- und Ballaststoffen, erst dann ist die Hauptmahlzeit dran. Man sollte es sich auch abgewöhnen, nachzunehmen und natürlich gut und ausgiebig kauen.

Vorheriger ArtikelPrinz Harry und Meghan sollen ihr TV-Interview verschieben
Nächster ArtikelNicht ohne meine Handtasche! Neue Queen-Statue in Australien enthüllt