„Tatort: Bauernsterben“: Mysteriöser Mord im Mastbetrieb

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Quelle: ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg

Im „Tatort: Bauernsterben“ gerät das Wiener Ermittler-Duo Eisner und Fellner zwischen die Fronten radikaler Tierschützer und der Fleischindustrie. Lohnt sich das Einschalten?

Im neuen Sonntagskrimi „Tatort: Bauernsterben “ (15.10., 20:15 Uhr, das Erste) bekommt es das Wiener Ermittler-Team Bibi Fellner (Adele Neuhauser, 64) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, 63) mit einem brutalen Mord im Massentierhaltungs-Milieu zu tun. Ihre Suche nach dem Mörder des Schweinezüchters Max Winkler (Norbert Prammer, 41) konfrontiert Kommissare und Zuschauer gleichermassen mit ethischen Ernährungsfragen.

Darum geht es im „Tatort: Bauernsterben“

Ein neuer Mordfall entführt das Wiener „Tatort“-Team Eisner und Fellner ins idyllische Wiener Umland: Dort liegt Schweinemäster Max Winkler tot im Stall des traditionsreichen Schoberhofes, über Nacht bereits grauslich zugerichtet von den rosa Allesfressern. Als die Ermittler aus der Hauptstadt eintreffen, geht das Stochern im familiären Mist des Opfers und die Suche nach dem möglichen Mörder schnurstracks los.

Für Renate Hofmüller (Karin Lischka, 44), die Polizeichefin des Örtchens, steht ohnehin sofort fest, dass es die drei rumänischen Saisonarbeiter gewesen sein müssen, die sie der Ordnung halber erst einmal wegsperren lässt. Die Ermittlungen ihrer kosmopolitischen Kollegen aus Wien gehen etwas weiter in die Tiefe und fördern im Weiteren zahlreiche weitere Mordverdächtige zutage.

Stecken die militanten Tierschützer der „Initiative Pro Tier“ dahinter, die in der Vergangenheit diverse Sabotageakte auf dem Hof verübten, die Software des digitalen Stall-Managementsystems hackten und auf das turmhohe Silo in blutroter Farbe das Wort „Mörder“ pinselten?

Andererseits finden sich recht bald auch Hinweise darauf, dass man es bei dem verblichenen Max Winkler nicht mit einem durchschnittlichen Schweinezüchter zu tun hat. Vielmehr war der Mann offenbar von der Idee besessen, zum unumstrittenen Schweinekönig Österreichs zu avancieren und den traditionsreichen Hof seines Schwiegervaters mit modernen Businessstrategien umzukrempeln.

Wie seine nachgelassenen Geschäftsunterlagen aufdecken, hatte er sich zudem auf seinem Weg zum Big Player mit einem von Wien aus agierenden bulgarischen Agrarmulti eingelassen und sich dabei gründlich verrechnet. Eine kurz vor dem Mord anonym eingegangene Anzeige gegen den obskuren Konzern, die auf massiven Betrug mit EU-Subventionsgeldern hinweist, liefert ein weiteres potentielles Motiv, den ambitionierten Grossbauern aus dem Weg zu räumen.

Mit einem Schlag geht der Fall weit über ein provinzielles Tötungsdelikt hinaus und reicht bis in die höchsten Ebenen der Brüsseler Förderkommissionen und die Untiefen der bulgarischen Agrarmafia. Kein Wunder, dass sich hier auch noch die europäische Staatsanwaltschaft einschalten muss, um Bibi und Moritz bei der Verbrecherjagd zu unterstützen.

Da auch Vater und Witwe des gemeuchelten Schweinebarons und die bei der „Initiative Pro Tier“ aktive Tochter des Vorarbeiters Sepp Obermeier (Martin Leutgeb, 57) nicht gut auf ihn zu sprechen waren, hat sich die Crime Wall im Wiener Kommissariat schon bald bis zum Bersten mit Fotos Verdächtiger und bedeutungsvollen Verbindungslinien gefüllt. Doch schliesslich nimmt dieser scheinbar hochkomplexe und international verwinkelte Fall eine unerwartete Wendung, die das mühsam ermittelte Gebäude der Zusammenhänge mit einem Schlag in sich zusammenfallen lässt…

Lohnt sich das Einschalten?

Ja, der Vollständigkeit halber kann man sich „Tatort: Bauernsterben“ durchaus anschauen, wenn man am Sonntagabend keine bessere Idee hat, noch ein bisschen die Sau rauszulassen.

Die Folge beginnt vielversprechend und lässt das Wiener Ermittler-Duo überraschend in ungewohntem Licht erscheinen: Bei ihrer Inspektion des Tatortes im Schweinestall startet die automatische Stallreinigung und macht ihre stilvollen Grossstadtoutfits schlagartig unbrauchbar. Den Rest des Tages muss Moritz Eisner in einem schlabbrigen Jogginganzug des Vorabeiters Obermeier durchstehen, Bibi Fellner wird mit Achtzigerjahre-Chic aus dem Nachlass seiner verstorbenen Frau versorgt. Leider geht es mit der Originalität der Geschichte recht bald nach unten, sobald die beiden wieder in ihren getrockneten Kleidern stecken.

Zu bemüht und durchschaubar wirken die Versuche, den beschaulichen Mord im Schweinestall zu einem grossen „Whodunit“-Thriller aufzupumpen, indem möglichst viele potentielle Täter aus dem Hut gezaubert werden. Das eigentlich interessante Schlachtfeld der Geschichte, der Konflikt zwischen den Protagonisten der radikalen Tierschutz-NGO und der industriellen Fleischerzeuger-Fraktion gerät durch die Ausweitung der Kampfzone auf die Ebene international operierenden Agrarmafia-Managements zu stark unter die Räder.

Im Gegensatz zu den quietschfidelen Schweinen auf dem Schoberhof staksen Oberstleutnant Moritz und Major Bibi erstaunlich hüftsteif und spiessbürgerlich durch das angelegte ideologische Szenario der Folge. Beim Besuch einer Demo der „Initiative Pro Tier“ zwingt sie das Skript zum demonstrativen Verspeisen einer Wurstsemmel, garniert mit haarigen Statements wie „Wenn’s nach denen geht, ist nur eine Welt ohne Schnitzel eine gute Welt.“ – „Gutmenschen halt.“ Dabei führen selbst Eisners Plattitüden wie „Es ist halt wie immer: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral“ regelmässig zur angelegten ethischen Grundfragestellung zurück. Die Chance, diese ohne stereotypische Wurstigkeiten auszuloten, wird in diesem „Tatort“-Fall jedoch leider allzu oft verspielt.

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