Quelle: MDR/filmpool fiction/Felix Abraham
Im „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ macht sich das Ermittlerduo Koitzsch und Lehmann auf die Jagd nach dem Mörder einer einsamen Grundschülerin. Lohnt sich das Einschalten beim neuen Fall aus Halle an der Saale?
Fast drei Jahre nach ihrem Einstand im Jahr 2021 sind die Kommissare Henry Koitzsch (Peter Kurth, 67) und Michael Lehmann (Peter Schneider, 49) in ihrem zweiten Mordfall zu erleben. Im „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ (21.4., 20:15 Uhr, das Erste) aus Halle an der Saale verschlägt es die beiden in den Kosmos eines Plattenbauviertels, in dem ein Mädchen ermordet wurde. Während der Ermittlungen blicken sie in so manchen menschlichen Abgrund.
Darum geht’s im „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“
Als die achtjährige Inka Werner (Merle Staacken, 9) nicht von der Grundschule nach Hause zurückkehrt, schlagen ihre verzweifelten Eltern Alarm. Die mit dem Vermisstenfall beauftragten Kommissare Koitzsch und Lehmann gehen den neuen Fall zunächst mit höchst unterschiedlichen Stimmungslagen an. Während Lehmann zuversichtlich ist, das Kind lebend zu finden und am Abendbrottisch mit seiner Familie Gebete für sie spricht, plagen seinen Kollegen Koitzsch grausame Vorahnungen. Tatsächlich wird das Mädchen wenig später tot in einer verwahrlosten Kleingartenanlage entdeckt.
Bei ihren weiteren Ermittlungen durchleuchten die Kommissare das soziale Umfeld des jungen Mordopfers und stossen dabei auf eine lange Reihe kaputter Charaktere und geschundener Seelen. Wie sich herausstellt, war Inka ein einsames Mädchen, das an ihrer Schule keine Freunde hatte und sich nach dem Unterricht oft alleine in einer verlassenen Hütte der nahegelegenen Kleingartenanlage herumtrieb. Neben einer Gruppe Obdachloser, die sich dort ebenfalls niedergelassen hat, gerät auch ein polizeibekannter Sexualstraftäter ins Visier der Ermittler.
Zudem nehmen die Kommissare Inkas Mathelehrer Herrn Krein (Sascha Nathan, 46) genauer unter die Lupe. Der stets verschwitzte und mit Übergewicht kämpfende Pädagoge hatte offensichtlich ein ungewöhnlich inniges Verhältnis zu seiner ermordeten Schülerin. Auch lassen ihn die unzähligen in seinem Wohnzimmer drapierten Stofftiere in einem morbiden Licht erscheinen. Für die im Viertel agierende selbsternannte Bürgerwehr steht von Anfang an fest, dass der kinderliebe Lehrer der Mörder sein muss. Die einsetzende Hetzjagd auf ihn wird immer brutaler und niederträchtiger.
In der Zwischenzeit geraten Koitzsch und Lehmann mit ihrer Ermittlungsarbeit immer wieder in finstere Sackgassen – bis sie ausgerechnet von einer demenzkranken Oma aus dem örtlichen Altenheim den entscheidenden Hinweis erhalten, der sie auf die Spur des tatsächlichen Täters führt.
Lohnt sich das Einschalten?
Ja. Wie schon beim exzellenten Auftakt „An der Saale hellem Strande“ im Jahr 2021 setzt auch „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ auf eine angenehm realistische Grundtonlage und ein bedächtiges Erzähltempo, das der Komplexität der einzelnen Charaktere entgegenkommt. Wieder einmal gelingt es Drehbuchautor Clemens Meyer (46) zusammen mit dem Regisseur und Co-Autor Thomas Stuber (43) eine Geschichte zu erzählen, die spannend und tiefgründig zugleich ist. Da es sich bei dem Fall um einen Sexualmord an einem Kind handelt, servieren sie ihrem Publikum zwangsläufig schwere Kost, die den Zuschauer in jeder Hinsicht mitnimmt.
Zum erzählerischen Gelingen dieses Falls tragen neben dem lebensnahen Drehbuch vor allem die fulminanten schauspielerischen Leistungen der Darstellerinnen und Darsteller bei. Dies gilt vor allem für Sascha Nathan in der tragischen Aussenseiterrolle des dicken Mathelehrers Krein, der sich aus purer Einsamkeit in seiner deprimierenden Plattenbauwohnung mit Essen vollstopft und in seinem liebevollen Umgang mit seinen Schülern einen Ersatz für die Familie sucht, die er selber nicht gründen konnte.
Auch in ihrem zweiten gemeinsamen Fall geben die Kommissare Koitzsch und Lehmann ein aussergewöhnliches Ermittler-Duo ab, das ganz ohne künstlich konstruierte Konflikte von der Gegensätzlichkeit seiner Charaktere lebt. Peter Kurth, Darsteller des von seinen inneren Dämonen getriebenen Koitzsch, beschreibt die Beziehung der beiden in einem Statement zur Folge als „Vater- und Sohn-Verhältnis“. „Das Interessante daran ist“, so Kurth, „dass man nie weiss, wer der Vater oder der Sohn ist. Beide vereint der unbedingte Wille nach Gerechtigkeit. Nur haben Sie sehr unterschiedliche Auffassungen vom Weg, wie sie Gerechtigkeit erreichen.“