Sebastian Koch: «Tom Schilling nicht zu mögen, geht nicht»

Sebastian Koch will Tom Schilling in „Werk ohne Autor“ zerstören. Wie ihr Verhältnis während der Dreharbeiten war, erzählt der Schauspieler im Interview.

Mit „Werk ohne Autor“ geht Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck (45, „Das Leben der Anderen“) erneut ins Oscar-Rennen. Am 3. Oktober läuft der Film in den Kinos an. Sebastian Koch (56, „Bridge of Spies – Der Unterhändler“) spielt darin ein „Ungeheuer“, wie er seine Figur Professor Carl Seeband selbst beschreibt. Im Interview erklärt der Schauspieler, warum es dennoch „grossen Spass gemacht“ ihn zu spielen. Ausserdem verrät Koch, wieso er und sein Co-Star Tom Schilling (36, „Oh Boy“) auf das gemeinsame Feierabendbier verzichtet haben.

Herr Koch, „Werk ohne Autor“ ist Ihr zweiter Film mit Florian Henckel von Donnersmarck. Wie war die erneute Zusammenarbeit?

Sebastian Koch: Es ist schön, wenn man jemanden so gut kennt. Das noch einmal anzugehen in dieser Konstellation ist grossartig und wunderbar.

Sind Ihnen im Vergleich zu „Das Leben der Anderen“ Veränderungen aufgefallen? Arbeitet Florian Henckel von Donnersmarck nun anders als damals?

Koch: Ja, er ist zehn Jahre älter. (lacht) Aber er geht nicht anders an die Dinge heran. Er ist ein sehr gründlicher und feinsinniger Mensch. Wir haben nach wie vor grosses Vertrauen zueinander. Es ist sehr besonders, wie er einen Raum schafft, in dem man sich vertrauensvoll bewegen und etwas kreieren kann.

Wie kam es zu Ihrem Engagement bei „Werk ohne Autor“?

Koch: Ich war relativ früh in das Projekt eingebunden. Bevor er angefangen hat zu schreiben, hat er mir schon die Geschichte erzählt. Ich fand es auf Anhieb sehr spannend und passend für ihn. Ich habe nicht gezögert, zuzusagen. Als ich das Drehbuch schliesslich gelesen habe, war ich begeistert von dieser spannenden und fein durchdachten Geschichte. Zudem ist meine Figur schauspielerisch extrem reizvoll.

Wie würden Sie Ihre Figur, Professor Carl Seeband, beschreiben?

Koch: Wenn er den Raum betritt, sinkt die Temperatur um zwei Grad, jeder fühlt und weiss, dass er da ist. Er hat sich dazu entschieden, dass niemand mehr Macht über ihn haben wird, nie wieder Opfer zu sein. Das ist fest in der Struktur dieses Menschen verankert. Und das hat natürlich Konsequenzen, denn so etwas kann man nur aufrecht erhalten, wenn man extrem kontrolliert ist, und Kontrolle ausübt. Intuition, Gefühle, Empathie, all das hält er fern von sich, mit einer unglaublichen Intelligenz und Perfektion.

Was hat Sie an der Figur gereizt?

Koch: Zu verstehen, was ihn antreibt. Er muss einem enormen Druck standhalten. Er ist kein zärtlicher Mensch, sondern ziemlich einsam und durchdrungen von dieser Ideologie und dem tiefen Glauben, dass das, was er macht, richtig ist. Da hat nichts anderes Platz. Ähnlich wie ein Schachspieler, der drei, vier Züge im Voraus berechnet und auf alles vorbereitet ist. Er will und muss immer gewinnen.

Mit Kurt Barnert, der von Tom Schilling gespielt wird, hat er offenbar nicht gerechnet.

Koch: Carl Seeband hat diesen Künstler völlig unterschätzt. Er hat dessen Kraft nicht im Ansatz ernst genommen und nicht kommen sehen. Er versucht alles, diesen Menschen zu zerstören und aus dem Leben seiner Tochter fernzuhalten, einfach weil er ihn schwach und uninteressant findet. Aber die Art, wie Kurt Barnert damit umgeht, ist erstaunlich. Er nimmt diese negativen Energien auf, verarbeitet sie und wächst daran. Wenn Seeband am Ende realisiert, dass er diesem Mensch unterlegen ist, ist das für ihn die Höchststrafe. Jedes Gefängnis könnte er mit Hilfe von Disziplin ertragen, aber zu verlieren, das kennt er nicht. Seine Welt bricht vollkommen in sich zusammen.

Wie haben Sie die Arbeit mit Tom Schilling empfunden?

Koch: Tom Schilling nicht zu mögen, geht nicht. Er ist ein feiner Geist und die Idealbesetzung für Kurt Barnert. Wir sind uns aber während der Dreharbeiten fast ausschliesslich in unseren Rollen begegnet. Da gab es kein gemeinsames Feierabendbier. Das haben wir, glaube ich, intuitiv gemacht. Und das war auch gut so.

Wie meinen Sie das?

Koch: Diesen Seeband zu spielen, das konnte ich nicht aus- und anschalten. Der geht wie ein Skalpell durchs Leben, messerscharf. Anzüge trägt er wie eine Uniform, ohne eine Falte. Er benutzt Sprache als Waffe und zerstört damit sein Gegenüber. Er ist voller Selbstkontrolle in allem, was er tut und sagt. Ich hingegen zappele herum und bewege mich viel. Es war nicht immer einfach, das aufrechtzuerhalten, ohne in eine Karikatur abzurutschen, und nicht aus der Rolle zu fallen. Wenn ich ihn auf der Leinwand sehe, kann ich mich kaum wiedererkennen. Trotzdem hat es mir grossen Spass gemacht, mich so ausführlich mit diesem Ungeheuer zu beschäftigen.

Wie war es für Sie, bei der Weltpremiere in Venedig, den Film das erste Mal mit Publikum zu sehen?

Koch: Das ist immer eine extrem spannende Situation. Das erste Mal vor einem grossen Publikum, und natürlich waren wir sehr gespannt, wie der Film ankommt. Und wie froh waren wir, als wir gespürt haben, dass der ganze Saal hoch konzentriert war und jede kleine Nuance mitgegangen ist. Es wurde gelacht und geweint, es war hoch emotional. Und am Schluss haben sie uns in Form von minutenlangen Standing Ovations umarmt. Es ist schön, wenn man so viel Arbeit in etwas hineinsteckt und es dann gesehen wird, sich die Menschen damit beschäftigen und es mögen. Das ist grossartig.

Was bedeutet es Ihnen, dass „Werk ohne Autor“ für Deutschland ins Oscar-Rennen geht?

Koch: Es ist wunderbar, dass German Films uns nominiert hat. Die Konkurrenz war mit „Das schweigende Klassenzimmer“, „Ballon“ und „Der Hauptmann“ gross, das sind tolle Filme. Das macht uns sehr stolz und glücklich. Jetzt ist natürlich alles möglich und wir sind sehr gespannt, wie weit uns diese Reise führen wird.

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