„I Am Mother“: Wenn ein Roboter die Mutter ersetzt

Ein Kammerspiel, das mit wenig Action auskommt: „I Am Mother“ ist ein intelligenter Science-Fiction-Thriller mit Oscarpreisträgerin Hilary Swank und Newcomerin Clara Rugaard. Doch können Grant Sputore und Michael Lloyd Green mit ihrem Spielfilmdebüt vollends überzeugen?

Eines vorweg: Mit einem Action-Thriller darf man bei „I Am Mother“ (ab 22. August im Kino) nicht rechnen – vielmehr geht es bei dem Science-Fiction-Streifen um grosse ethische Fragestellungen, zwischenmenschliche Beziehungen und die Suche nach der Wahrheit. Wer intelligente Filme wie „Ex Machina“ (2015) mag, deren Twists sich nicht gleich auf den ersten Blick erschliessen, wird am Spielfilmdebüt von Regisseur Grant Sputore und Drehbuchautor Michael Lloyd Green seine Freude haben. Noch dazu ist der Film mit der zweifachen Oscarpreisträgerin Hilary Swank (45) prestigeträchtig besetzt und auch Newcomerin Clara Rugaard (21) liefert eine grossartige Leistung ab.

Zwei Mütter, eine Tochter – darum geht es

Schon der Beginn des Kammerspiels zieht einen in die Geschichte hinein: Lange Gänge eines bedrückenden Bunkers werden gezeigt. Hier wächst ein Mädchen (Clara Rugaard) auf, genannt „Tochter“, das von einem Roboter namens „Mutter“ aufgezogen wird. Der Androide wurde dafür entwickelt, die Erde nach der Auslöschung der Menschheit wieder neu zu besiedeln. Doch das enge Gefüge zwischen „Mutter“ und „Tochter“ wird auf eine harte Probe gestellt, als plötzlich eine nicht näher benannte „Frau“ (Hilary Swank) vor dem Bunker auftaucht.

Die Existenz der „Frau“ stellt die Welt von „Tochter“ auf den Kopf: Woher kommt sie? Gibt es doch noch Leben auf der Erde? Ist sie gar nicht der einzige Mensch? Kann sie „Mutter“ überhaupt vertrauen? Das Spiel zwischen den beiden Frauen und dem „weiblichen“ Roboter beginnt und „Tochter“ muss sich auf die Suche nach der Wahrheit über ihre Welt und ihre Mission begeben: Immerhin ist sie der erste Mensch der geplanten neuen Erdbevölkerung.

Ist Mutterliebe eines Roboters wirklich möglich?

Das Ausgangsszenario von „I Am Mother“ ist altbekannt: Nach der Apokalypse ist niemand mehr übrig – die letzten Überlebenden hausen wie in „10 Cloverfield Lane“ in einem Bunker. Doch Regisseur Grant Sputore und Drehbuchautor Michael Lloyd Green gelingt es, die Geschichte anders aufzuziehen: ohne Action, dafür mit vielen Gefühlen, Twists, zwischenmenschlichen Beziehungen und moralischen Fragestellungen.

Für die Filmemacher spielte die aktuell immer intimer werdende Beziehung zur Technologie eine Rolle, sie wollten die Frage stellen: Wie wäre es, von einer Maschine aufgezogen zu werden? In „I Am Mother“ lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Es ist eine zwiegespaltene Beziehung zwischen „Mutter“ und „Tochter“, die nicht nur von der grossartigen Schauspielleistung der 21-jährigen Clara Rugaard, sondern vor allem auch von der unglaublichen Konstruktion des Roboters lebt.

Im Androiden-Anzug von „Mutter“ steckt ein Mensch, genauer Luke Hawker, der für das Spezialeffekte-Unternehmen WETA Workshop („Herr der Ringe“-Trilogie, „Avatar“, „I, Robot“) arbeitet und derjenige war, der die Herstellung des Roboter-Anzugs verantwortete. Für „Mutter“ konnte keine bessere Besetzung gefunden werden: Hawker gelingt die präzise Bewegungsweise des Androiden, während Rose Byrne „Mutter“ ihre Stimme leiht – und die hat so gar nichts roboterhaftes an sich. Sie ist weich, ruhig, niemals aufgeregt und wirkt dadurch umso bedrohlicher. Schon allein die Tatsache, dass die Charaktere keine richtigen Namen haben, wirkt verstörend.

Kann ein Mensch „perfekt“ sein?

Auch die Kameraarbeit ist sehr gelungen: Die klaustrophobische Stimmung des Bunkers wird gekonnt eingefangen, immer wieder hat man als Zuschauer das bedrückende Gefühl, ausbrechen zu wollen. Wie die undurchsichtige „Mutter“ wirklich tickt, bleibt dem Zuschauer verborgen. Zwei Lichtpunkte auf der Höhe eines menschlichen Mundes bewegen sich auf und ab und zeigen ihre Mimik an – lächeln sieht man sie jedoch nie. Besonders einprägsam ist wohl das Bild, als der Androide aus hartem Stahl am Anfang des Films das kleine weiche Baby in den Händen hält. Sofort fragt man sich: Kann das gut gehen?

„Tochter“ wächst zu einem regelrecht perfekten Menschen heran, der überaus intelligent ist, ethisch korrekt handelt und sowohl sportlich als auch musisch gefördert wird. Dabei wird sehr viel Wert auf Prüfungen gelegt, in denen sich die „Tochter“ beweisen muss. Doch bis wirklich mal etwas passiert in dem Sci-Fi-Streifen, vergeht einige Zeit. Erst, als Hilary Swank als ominöse „Frau“ auftaucht, nimmt die Geschichte Fahrt auf, zuvor tröpfelt sie etwas zu lange vor sich hin.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet

Der Thriller „I Am Mother“ kommt ohne viel Action aus, im Vordergrund stehen vielmehr die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Fragen, die sich hieraus ergeben. Denn man erfährt von der Handlung nie mehr, als „Tochter“ selbst weiss. Kann ein Roboter Liebe empfinden? Kann ein Androide einen Menschen als Mutter wirklich ersetzen? „Mutter“ bekommt jedenfalls Konkurrenz durch die plötzlich auftauchende „Frau“, die alles auf den Kopf stellt, an was „Tochter“ bisher geglaubt hat. Hilary Swank kann in dieser Rolle jedoch nicht wirklich überzeugen – mütterliche Gefühle kommen bei den verbitterten Charakterzügen der „Frau“ jedenfalls nicht auf. So bleibt diese „neue“ Mutter-Tochter-Beziehung leider etwas unglaubwürdig.

Gegen Ende des Films werfen die Filmemacher mit Plot-Twists regelrecht um sich, die bis zum Ende teilweise unerklärt bleiben. Dies könnte viele Kinobesucher vor den Kopf stossen – oder aber auch gerade begeistern. Bis zum Schluss bleibt der Film undurchsichtig und zutiefst widersprüchlich. Die Wahrheit bleibt fast zu lange ein Mysterium, um die Spannung aufrechtzuerhalten.

Fazit

Auch wenn „I Am Mother“ in den knapp zwei Stunden Länge zunächst mit etwas zu wenig Spannung ausgestattet ist und im zweiten Teil wiederum etwas zu plötzlich Fahrt aufnimmt, ist der Sci-Fi-Streifen durchaus ein würdiges Spielfilmdebüt von Grant Sputore und Michael Lloyd Green. Viele Fragen bleiben am Ende offen, aber gerade deswegen regt der Film zum Nachdenken an. Die Liebe und Leidenschaft für den Film merkt man Sputore und Green jedenfalls an, sie haben grandiose Ideen, die nur manchmal nicht ganz bis zu Ende geführt werden.

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